OGH 6Ob107/75

OGH6Ob107/754.9.1975

SZ 48/86

Normen

AußStrG §178
ZPO §228
AußStrG §178
ZPO §228

 

Spruch:

Ein Leistungsurteil auf Herausgabe der vermachten Liegenschaft ersetzt die Bestätigung nach § 178 AußStrG. Trotz der Möglichkeit der Leistungsklage ist aber die Legatsfeststellungsklage zulässig, da der Kläger, wenn er im Feststellungsstreit obsiegt, auf Grund einer Bestätigung des Abhandlungsgerichtes nach § 178 AußStrG die Eintragung im Grundbuch erwirken kann. Vermächtnisklagen sind vor Einantwortung des Nachlasses nicht gegen den erbserklärten Erben, sondern gegen die Verlassenschaft zu richten

OGH 4. September 1975, 6 Ob 107/75 (OLG Innsbruck 2 R 146/75; LG Innsbruck 8 Cg 306/74)

Text

Die am 3. Juli 1972 verstorbene Rosa G hinterließ folgende eigenhändig geschriebene letztwillige Verfügung vom 19. Mai 1972:

"Sollte ich einmal unerwartet vom irdischen Leben abberufen werden, so gebe ich hiemit meinen letzten Willen kund.

Das Enkelkind Karin Josefin Maria W soll auf den Namen G nach ihrem Vater Josef Georg G adoptiert werden. Das Vaterhaus I, Kugelgasse Nr. 20, soll nach Erreichung ihrer Großjährigkeit mit allem inneren Inventar (Wäsche, Wertgegenstände usw.), auch der äußere Umstand aller zum Haus gehörige Grund Nr. 1575/1, 1575/2, Nr. 1578 - 1576 soll ihr gehören.

Meine Schwester Hermine K geb. G in M soll die Grundstücke L Nr. 614 - 615, B Nr. 739 - 740 - 722, K Nr. 1079, K Nr. 1356 erhalten.

Hans G, I Feilwiese Grundbuch Nr. 4029 Rannanger 1.3847 ar.

Rosa S, I Rannacker Nr. 1568 - 1259 m2 Fleischhauer S, I Kramergasse 13 u. 2-1/2 Grundstücke Ideelle hälfte Anteil den Erlös an arme körperbehinderte Kinder geben.

I, 19. Mai 1972 Rosa G."

Da in der letztwilligen Verfügung keine Erbseinsetzung enthalten ist, gab die Beklagte als Schwester der Verstorbenen auf Grund des Gesetzes zum ganzen Nachlaß die unbedingte Erbserklärung ab, welche vom Verlassenschaftsgericht angenommen wurde. Hinsichtlich der Auslegung des Vermächtnisses für die minderjährige Klägerin - sie ist ein uneheliches Kind des Sohnes der Erblasserin entstand im Verlassenschaftsverfahren zwischen ihr und der Beklagten insofern eine Meinungsverschiedenheit, als die Klägerin den Standpunkt vertrat, daß es sich um ein unbedingtes Vermächtnis zu ihren Gunsten handle, während die Beklagte meinte, es liege ein aufschiebend bedingtes Legat vor, weshalb sie bis zur Erfüllung der Bedingung der Großjährigkeit der Klägerin die bei fideikommissarischen Substitutionen dem Vorerben zustehenden Rechte in Anspruch nahm. Mit Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 21. Oktober 1973 wurde der Beklagten die Besorgung des Nachlasses überlassen und ihr das Eigentumsrecht an den von der Klägerin beanspruchten Liegenschaften, beschränkt durch die fideikommissarische Substitution, bis zur Erreichung der Volljährigkeit durch die Klägerin zuerkannt. Der Antrag der Klägerin, der Beklagten die Verwaltung dieser Liegenschaften abzusprechen, wurde abgewiesen. Das Landesgericht Innsbruck änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Beklagten die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses, ausgenommen die der Klägerin vermachten Liegenschaften, überlassen wurde. Die Klägerin wurde mit ihren Ansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen und ihr eine Frist von acht Wochen ab Rechtskraft des Beschlusses des Landesgerichtes bestimmt. Dieser Beschluß ist seit 9. Feber 1974 rechtskräftig.

Mit der erst am 29. April 1974 nach Ablauf der bestimmten Frist erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, daß die von Rosa G zu ihren Gunsten getroffene letztwillige Verfügung das unbedingte Vermächtnis des Hauses I, Kugelgasse 20, samt Inventar und Grundstücken Nr. 1575/1, 1575/2, 1578, 1576 beinhalte, wobei lediglich die freie Verfügung und Verwaltung der Klägerin bis zum Erreichen der Großjährigkeit beschränkt sei. Der Wille der Erblasserin sei dahin gegangen, der Klägerin die vermachten Liegenschaften sofort ins Eigentum zu übertragen und nur die freie Verfügbarkeit bis zur Großjährigkeit zu beschränken. Der Erblasserin sei es völlig fern gelegen, eine fideikommissarische Substitution anzuordnen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, daß die Klage verspätet eingebracht und nicht schlüssig sei. Sie vertrat den Standpunkt, aus dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung ergebe sich klar, daß die Klägerin die Liegenschaften erst nach Erreichung der Großjährigkeit erhalten solle.

Das Erstgericht erkannte, daß die letztwillige Verfügung der Erblasserin das unbedingte Vermächtnis der Grundstücke 1575/1, 1575/2, 1578 und 1576, sämtliche KG I, zugunsten der Klägerin beinhalte, und wies das Mehrbegehren auf Feststellung eines unbedingten, nur deren freie Verfügung und Verwaltung bis zur Erreichung der Volljährigkeit beschränkenden Vermächtnisses hinsichtlich des Hauses I, Kugelgasse 20, samt Inventar zugunsten der Klägerin ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Beklagte ist die einzige Schwester der Erblasserin. Josef G, der Vater der Klägerin und einziger Sohn der Erblasserin, verunglückte am 13. Juli 1970 tödlich, als er für die Mutter und die mütterliche Großmutter der Klägerin ein Pferd auf die Alm brachte. Die Erblasserin war auf die Mutter und die mütterliche Großmutter der Klägerin nicht besonders gut zu sprechen, da sie den Tod ihres Sohnes mit diesen Frauen in Verbindung brachte. Im März 1971 sagte die Erblasserin zu Johann W, einem Beamten des Bezirksjugendamtes, daß die Klägerin nach ihrem Tod ihr Haus bekommen solle. Von der Beklagten war ebensowenig die Rede wie davon, daß die Klägerin das Haus erst nach Erreichung eines bestimmten Alters erhalten solle. Als Ida N, eine gute Bekannte der Erblasserin, dieser den Rat erteilte, ein Testament zu errichten, damit ihr Vermögen nicht in fremde Hände komme, und wenigstens zu schauen, daß die Klägerin den Hof erhalte, erwiderte die Erblasserin, sie wolle es so machen, daß die Klägerin den Hof bekomme, zumal sie mit der Beklagten kein gutes Einvernehmen habe. Die Beklagte solle nur die zum alten Haus gehörigen Felder teilweise erhalten. Die Erblasserin erwähnte Ida N gegenüber nie, daß die Klägerin den Hof erst erhalten solle, wenn sie volljährig sei. Als eine weitere Bekannte, Amalia B, zur Erblasserin nach dem Tod deren Sohnes sagte, sie solle nun an die Klägerin denken, antwortete die Erblasserin, das Kind solle einmal das Haus und was darum herum ist, bekommen. Zu der nach dem Tod des Sohnes etwa vier Wochen bei ihr wohnenden Nichte Adelheid (einer Tochter der Beklagten) erwähnte die Erblasserin, sie würde den Hof nach ihr einmal bekommen. Als die Beklagte die Erblasserin im Jahr 1971 besuchte, sagte diese aber zu ihr, daß die Klägerin, wenn sie großjährig sei, den Hof bekommen solle. Die "W-Weiber" (damit waren die Mutter und die mütterliche Großmutter der Klägerin gemeint) kämen ihr jedoch nicht ins Haus. Die Paula W (die Mutter der Klägerin) werde sowieso einmal heiraten und dann bleibe die Klägerin übrig. Deshalb solle diese, wenn sie großjährig sei, das Haus erhalten. Davon, daß die Tochter der Beklagten überhaupt nichts erhalten solle, sagte die Erblasserin zur Beklagten nichts. Gegenüber Hans P, dem außerehelichen Vater des Josef G, äußerte sich die Erblasserin öfters abfällig über die Beklagte und erwähnte, diese habe sie während ihres Besuches in I bestohlen. Als Hans P die Erblasserin nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes wegen der Rückerstattung von Beiträgen ansprach, die er zum Hausbau geleistet hatte, erklärte diese, daß er das Geld praktisch dem verunglückten Sohn gegeben habe und von ihr nichts bekomme, ihr Vermögen werde die Klägerin erhalten. Die Erblasserin verfaßte die letztwillige Verfügung vom 19. Mai 1972 allein und sprach auch über deren Inhalt mit niemandem. Es gibt keinen Grund zur Annahme, daß die Erblasserin mit dem Ausdruck, "nach Erreichung ihrer Großjährigkeit" einen ihr eigenen besonderen Sinn zu verbinden gewohnt gewesen wäre, insbesonders, daß sich dies nur auf die freie Verfügungs- und Verwaltungsmöglichkeit über das Eigentum beziehen sollte.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß zwar hinsichtlich des Hauses samt Inventar ein durch die Erreichung der Großjährigkeit seitens der Klägerin aufschiebend bedingtes Vermächtnis vorliege, dies aber nicht auch für die das Haus umgebenden Grundstücke gelte. Ein Wille der Erblasserin, auch für diese Grundstücke eine solche Beschränkung anzuordnen, sei nicht mit Sicherheit erkennbar.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien, welche jeweils die Abänderung des Ersturteils im Sinn ihres Prozeßstandpunktes beantragt hatten, nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hatte, 50.000 S übersteige. Was die das Haus umgebenden Grundstücke anlange (die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens sind), ergebe sich aus den festgestellten Äußerungen der Erblasserin, daß ihr die Klägerin sehr nahe gestanden sei. Im Hinblick auf dieses Naheverhältnis sei es gerechtfertigt, die Klausel "nach Erreichung ihrer Großjährigkeit" einschränkend auszulegen und daher nur auf jenen Teil der letztwilligen Verfügung zu beziehen, für den sich ihre Wirksamkeit nach der gewöhnlichen Bedeutung der Worte ohne Ausschluß eines vernünftigen Zweifels ergebe. Dies sei nur beim Haus samt Inventar, nicht aber bei den Grundstücken der Fall. Es sei auch nicht behauptet worden, daß zwischen dem Haus und den Grundstücken eine untrennbare wirtschaftliche Beziehung bestehe, so daß eine unterschiedliche Behandlung mit dem letzten Willen der Erblasserin unvereinbar wäre. Die Überschreitung der Klagefrist sei unbeachtlich, da kein Erbrechtsstreit, sondern ein Streit um ein Vermächtnis vorliege, auf den nicht die Bestimmungen nach §§ 125, 126 AußStrG, sondern § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG anzuwenden seien. Ein Feststellungsbegehren sei trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage im konkreten Fall ebenfalls zulässig.

Während die Klägerin dieses Urteil unbekämpft ließ und somit die Teilabweisung des Klagebegehrens rechtskräftig wurde, erhob die Beklagte, soweit dem Klagebegehren stattgegeben wurde, dagegen Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist die Frage zu prüfen, ob ein Feststellungsbegehren zulässig ist. Die Beklagte meint in ihrer Revision, ein solches Begehren sei deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin bereits auf Leistung klagen könne. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Es ist wohl richtig, daß in der Regel eine Feststellungsklage dann unzulässig ist, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (Fasching III, 69; JBl. 1959, 184; JBl. 1966, 618 u. v. a.). Ebenso ist es richtig, daß die Klägerin bereits auf Herausgabe der vermachten Liegenschaften hätte klagen können und ein solches Leistungsurteil die Bestätigung nach § 178 AußStrG ersetzt. Da jedoch der Ausschluß der Feststellungsklage auf der Erwägung beruht, zu verhindern, daß nach dem Feststellungsstreit noch ein Leistungsprozeß geführt werden muß, ist im vorliegenden Fall ein Feststellungsbegehren trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage zulässig, da die Klägerin, wenn sie im Feststellungsstreit obsiegt, auf Grund einer Bestätigung des Abhandlungsgerichtes nach § 178 AußStrG die Eintragung im Grundbuch erwirken kann (SZ 22/5). Daß aber die Klägerin ein Interesse daran hat, alsbald den Umfang des zu ihren Gunsten bestehenden Vermächtnisses feststellen zu lassen, ist offensichtlich, so daß gegen die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens keine Bedenken bestehen.

Vermächtnisklagen sind allerdings nach der ständigen neueren Judikatur und überwiegenden Lehre vor Einantwortung des Nachlasses gegen die Verlassenschaft und nicht gegen den erbserklärten Erben zu richten, weil dieser bis dahin selbst nicht haftet (SZ 22/5; JBl. 1966, 616 und die dort zitierten Entscheidungen 6 Ob 207/66; 8 Ob 125/68; Ehrenzweig, Erbrecht, 518; Gschnitzer, Lehrbuch/Erbrecht, 60 und 66; Koziol - Welser, Grundriß[3] II, 263; teilweise abweichend Weiß in Klang[2] III 491). In Beziehung auf das Gericht und allfällige Gegenparteien sind jedoch nach erfolgter Erbserklärung der Erblasser und der Erbe als ein und dieselbe Person zu betrachten (Fasching III, 113; 1 Ob 151/74 u. a.). Aus der Klage ergibt sich nun, daß die Klägerin die Beklagte nicht persönlich, sondern nur in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Erbin in Anspruch nimmt. Die Bezeichnung der Beklagten war daher von Amts wegen in "Verlassenschaft nach Rosa G, vertreten durch die erbserklärte Erbin Hermine K" richtigzustellen (JBl. 1966, 616; 1 Ob 151/74 u. a.).

In der Sache selbst bekämpft die Beklagte die Ansicht der Untergerichte, daß es sich bei dem Vermächtnis der zum Haus gehörigen Grundstücke um kein aufschiebend bedingtes, sondern um ein unbedingtes Vermächtnis handelt. Die Auslegung des Inhalts einer letztwilligen Verfügung gehört jedoch dann der im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbaren richterlichen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung an, wenn die Feststellungen nicht lediglich aus dem Inhalt der letztwilligen Verfügung, sondern auch auf Grund anderer Beweismittel getroffen wurden (SZ 25/203, SZ 38/221 u. a.). Im vorliegenden Fall haben die Unterinstanzen zur Auslegung der letztwilligen Verfügung nicht nur den Text der Urkunde, sondern auch Zeugenaussagen herangezogen. Die daraus gezogenen Schlüsse auf den wahren Willen der Erblasserin gehören daher zu den im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbaren Tatsachenfeststellungen.

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