European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00010.22X.1118.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung, einschließlich des bereits unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teils, insgesamt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 7.246.839 EUR samt 9,2 % Zinsen seit 29. 3. 2018 zu bezahlen, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 267.051,20 EUR (darin enthalten 16.753,84 EUR an Umsatzsteuer und 166.528,16 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherer eines Säge- und Hobelwerkunternehmens. Die Versicherungsnehmerin (in der Folge: Auftraggeberin) der Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Errichtung einer Schnittholzanlage für Seitenware.
[2] Vor Arbeitsbeginn wurden von Mitarbeitern der Auftraggeberin die Dachtramen der Halle des Sägewerks mit Druckluft abgeblasen und die Holzböden gekehrt. In der Halle wurden ein Förderband aufgestellt und von der Beklagten die Standfüße angeschweißt. Die dazu erforderlichen Schweiß- und Schleifarbeiten erfolgten mittels eines Elektroschweißgeräts sowie eines Winkelschleifers. Bei diesem Verfahren entstehen auch Tropfen und Funken mit einer Temperatur von über 1000 °C. Diese spritzen von der Schweißnaht weg. Da die Temperatur der Funken sehr hoch ist, können die Funken bei Auftreffen auf brennbare Stoffe oder Bauteile diese in Brand setzen. Die Funken können vor allem im Bereich von Ecken, Nischen und Spalten aufkommen. Die Funken können aufgrund der Energie und der Fallhöhe springen. Sie spritzen wie Wasser und können bei Erreichen von Kanten in entsprechende Ritzen gelangen. In diesem Bereich können Sie nicht kontrolliert werden.
[3] Um eine Brandentwicklung zu verhindern, war es nach den bei derartigen Arbeiten einzuhaltenden technischen Richtlinien für den Brandschutz erforderlich, die Funken von den brennbaren Gegenständen fernzuhalten, und zwar entweder durch überlappendes Abdecken mit nicht brennbaren Löschdecken in einem seitlichen Radius von (im gegenständlichen Fall) mindestens 7,5 m. Oder es erfolgt das Besprühen und Benetzen mit Wasser. Dabei werden brennbare Stoffe, insbesondere Holz, mittels Wasser befeuchtet.
[4] Funken bzw sonstige entzündbare Teile können auch nach mehreren Stunden erst zu einem Brand führen. Gelangen Funken zum Beispiel in Spalten, Risse etc entwickelt sich ein Schwelbrand über eine längere Zeit. Daher sind nach den Arbeiten Nachkontrollen laufend und in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Aufgrund der gegebenen Bedingungen wäre im vorliegenden Fall nach Ende der gegenständlichen Heißarbeiten eine Nachkontrollzeit über einen Zeitraum von mindestens zehn bis zwölf Stunden erforderlich gewesen.
[5] Es konnte nicht festgestellt werden, dass am Tag der gegenständlichen Arbeiten oder an den Vortagen der Boden bzw die Holzteile in jenem Bereich, in dem die Heißarbeiten durchgeführt wurden, mit Wasser besprüht wurden. Brandschutzdecken wurden verwendet, es konnte jedoch nicht festgestellt werden, in welchen Bereichen rund um die Heißarbeiten der Boden bzw sonstige Holzteile mit Brandschutzdecken belegt und ob diese überlappend aufgelegt waren.
[6] Die letzten Arbeiten erfolgten gegen 16 Uhr. Die Nachkontrollen nach den Arbeiten oblagen vereinbarungsgemäß der Auftraggeberin und wurden von deren Geschäftsführer durchgeführt. Die letzte Nachkontrolle erfolgte zwischen 21 und 21.30 Uhr.
[7] Kurz nach 23 Uhr brach ein Brand aus, der erheblichen Sachschaden anrichtete. Dadurch wurde unter anderem das Sägewerk beschädigt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit entstand der Brand durch Funkenflug bei den Heißarbeiten im Bereich des Förderbands.
[8] Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wäre es bei Einhaltung sämtlicher Brandschutzvorschriften bzw Sicherungsmaßnahmen, wie entweder Befeuchten oder ausreichendes Auflegen von Decken und Nachkontrolle nach Beendigung der Arbeiten über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Stunden, nicht zum Brandausbruch gekommen.
[9] Die Klägerin begehrt die Zahlung des der Auftraggeberin (ihrer Versicherungsnehmerin) ersetzten, durch den Brand entstandenen Sachschadens. Der Brand sei von der Beklagten durchdie Heißarbeiten grob fahrlässig verursacht worden. Während die Auftraggeberin die Brandwache sach- und fachgerecht durchgeführt habe, habe es die Beklagte verabsäumt, brennbares Material, insbesondere Sägespäne und Staub, zu entfernen. Auch habe sie Abdeckmaßnahmen mangelhaft durchgeführt. Dadurch lägen Verstöße gegen technische Richtlinien für vorbeugenden Brandschutz vor. Auch sei gegen den Vertrag und vertragliche Nebenpflichten verstoßen worden.
[10] Die Beklagte hielt dem entgegen, der gesamte Arbeitsbereich sei vor Beginn der Arbeiten gereinigt worden. Jener Bereich, in dem Schweißarbeiten durchgeführt worden seien, sei ordnungsgemäß bewässert sowie mit Brandschutzdecken abgedeckt gewesen. Die Auftraggeberin habe die ihr obliegenden Nachkontrollen nicht ausreichend durchgeführt.
[11] Das Erstgerichtsprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, dass die Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach zu 50 % zu Recht und zu 50 % nicht zu Recht bestehen, und wies das Klagebegehren im Umfang von 3.623.419,50 EUR sA ab. Die Beklagte habe jedenfalls unmittelbar vor und während der Arbeiten Maßnahmen zur Brandverhütung zu treffen gehabt, was sich nicht nur aus den technischen Richtlinien für vorbeugenden Brandschutz und der Salzburger Feuerpolizeiordnung ergebe, sondern auch aus dem Werkvertrag. Die Auftraggeberin hafte ebenso für den unzureichenden Brandschutz sowie dafür, dass die Nachkontrolle nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt worden sei. Angesichts dieser Umstände erachtete das Erstgericht ein Mitverschulden der geschädigten Auftraggeberin von 50 % für angemessen.
[12] Das nur von der Beklagten angerufeneBerufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Klägerin werfe der Beklagten eine Verletzung des Werkvertrags vor. Es sei daher gemäß § 1298 ABGB von einer Beweislastumkehr für das Verschulden zu Lasten des Schädigers auszugehen. Die Beklagte treffe daher die Behauptungs- und Beweislast für die Einhaltung sämtlicher Vorschriften und das entsprechend vorsichtige Vorgehen bei den Heißarbeiten. Das Beweisverfahren habe zur Einhaltung der Vorschriften lediglich negative Feststellungen ergeben, die hier zu Lasten der Beklagten gingen. Dies habe zur Folge, dass die Beklagte den ihr wegen der vertraglichen Vereinbarung im Freigabeschein überantworteten Brandschutzmaßnahmen nicht ausreichend nachgekommen sei und sie deshalb das Brandgeschehen mitverantworte. Die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 1:1 sei angemessen.
[13] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem auf die gänzliche Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.
[15] 1. Die Vertragsparteien haben ihre Erfüllungshandlungen so zu setzen, dass der andere Teil weder an seiner Person noch an seinen Gütern geschädigtwird (RS0013999). Die Nichteinhaltung der Brandschutzvorschriften durch den Werkunternehmer würde eine solche Verletzung der Schutz- und Sorgfaltspflichten darstellen (vgl 7 Ob 140/21w). Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte während ihrer Arbeiten die Brandschutzvorschriften einhalten und daher den Gefahrenbereich entweder bewässern oder ordnungsgemäß abdecken müssen.
[16] 2. Grundsätzlich obliegt in den Fällen der Verletzung einer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflicht der Beweis des Bestehens einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung (etwa durch Unterlassung) sowie die Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung für den Schaden dem Geschädigten selbst (7 Ob 140/21w [ErwGr 2.3.1.]; 6 Ob 221/18w [ErwGr 1.2.]; 4 Ob 18/15y; RS0023498 [T9]). Hinsichtlich des Verschuldens gilt die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB (RS0022686). Wenn jedoch ein auch nur objektiv vertragswidriges Verhalten des Schädigers nicht feststellbar ist, kann die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB dann angewendet werden, wenn der Geschädigte beweist, dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RS0026290). Eine eingeschränkte Beweislastumkehr greift bereits dann Platz, wenn dem Geschädigten der Nachweis eines Schadens und der Kausalität sowie zumindest eines – ein rechtswidriges Verhalten indizierenden – objektiv rechtswidrigen Zustands (6 Ob 221/18w [ErwGr 1.2.]) oder eines objektiven Mangels in der Sphäre des Schädigers gelungen ist (10 Ob 53/15i [ErwGr 3.5.3.]). Dem Schädiger steht dann der Entlastungsbeweis offen; er hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat (vgl 6 Ob 221/18w [ErwGr 1.2.]).
[17] 3. Hier steht ein – ein rechtswidriges Verhalten indizierendes – objektiv fehlerhaftes Verhalten oder ein objektiver Mangel in der Sphäre der Beklagten im Hinblick auf die Einhaltung der Brandschutzvorschriften nicht fest:
[18] 3.1. Nach den Feststellungen waren die einzuhaltenden Brandschutzmaßnahmen zweistufig ausgestaltet. Einerseits in Form von Maßnahmen vor und während der Arbeiten durch Reinigung des Gefahrenbereichs sowie der Abdeckung oder Wässerung brennbarer Materialien, Fugen und Ritzen. Andererseits durch eine Nachkontrolle, weil wegspritzende Funken, die aufgrund der Energie und der Fallhöhe auch springen konnten, in Spalten oder Ritzen gelangen und dort einen Schwelbrand verursachen konnten. Letztere waren hier wegen der vorliegenden Bedingungen über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Stunden erforderlich.
[19] 3.2. Aus der Notwendigkeit dieser Nachkontrollen ergibt sich, dass die Einhaltung der Brandschutzmaßnahmen vor und während der Arbeiten alleine zur zuverlässigen Brandverhütung eines erst nach Beendigung der Arbeiten entstehenden Brandes nicht ausreichend war.
[20] Diese Nachkontrollen oblagen allerdings nicht der Beklagten. Der Umstand, dass der (erst) rund sieben Stunden nach Beendigung der Arbeiten entstandene Brand seine Ursache im Funkenflug durch die Heißarbeiten der Beklagten hatte und durch die Abdeckungsmaßnahmen der Beklagten während der Arbeiten nicht verhindert wurde, genügt daher hier für den im Sinne der erörterten Rechtsprechung geforderten Nachweis des Vorliegens eines objektiv rechtswidrigen Zustands oder eines objektiven Mangels in der Sphäre der Beklagten, der ein rechtswidriges Verhalten indizierte, nicht.
[21] 3.3. Daher bleibt es bei der Beweislast der Klägerin für das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung durch die Beklagte.
[22] 4.1. Im vorliegenden Fall konnte jedoch nicht festgestellt werden, ob – wie dies die Brandschutzvorschriften vorsahen – vor den Heißarbeiten der Beklagten der Boden bzw die Holzteile im Gefahrenbereich mit Wasser besprüht worden waren. Ebensowenig konnte festgestellt werden, ob die (alternativ vorgesehen) verwendeten Brandschutzdecken dort ordnungsgemäß aufgelegt worden waren.
[23] Entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung wurden diese Feststellungen in zweiter Instanz von der Klägerin inhaltlich nicht bekämpft. Die in der Berufungsbeantwortung in diesem Zusammenhang noch gewünschte Feststellung, dass durch die Abdeckungsmaßnahmen der Beklagten der Brandausbruch jedenfalls nicht verhindert wurde, ergibt sich ohnehin aus dem Sachverhalt.
[24] 4.2. Damit hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis der Nichteinhaltung der Brandschutzvorschriften durch die Beklagte nicht erbracht. Schon deshalb scheidet ein Schadenersatzanspruch aus.
[25] 5. Die Revision hat somit Erfolg. Das Klagebegehren ist zur Gänze abzuweisen.
6. Kosten:
[26] Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet auf § 41 Abs 1 ZPO. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Kostennote der Beklagten sind insoweit berechtigt, als der an die zuständige Staatsanwaltschaft gerichtete Antrag auf Akteneinsicht lediglich nach TP 1 RATG (TP 1 I lit b RATG) zu honorieren ist. Die Urkundenvorlage vom 17. 8. 2020 (ON 20) war nicht notwendig, weil die Urkunden gemäß dem gerichtlichen Auftrag vom 5. 8. 2020 (ON 16) in der Streitverhandlung vom 18. 9. 2020 vorgelegt hätten werden können. Der Schriftsatz vom 11. 3. 2021 (ON 37) ist lediglich nach TP 1 zu entlohnen, weil das darin aufgrund der Ergebnisse des schriftlichen Gutachtens erstattete Vorbringen auch mit der im nachfolgenden Schriftsatz erstatteten Fragenliste an den Sachverständigen verbunden hätte werden können.
[27] Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.
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