OGH 6Nc3/16t

OGH6Nc3/16t26.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. J*****, 2. J*****, 3. S*****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060NC00003.16T.0226.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 12. Jänner 2016, GZ 1 Ps 198/15x‑6, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bruck an der Mur wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

Mit dem das Pflegschaftsverfahren einleitenden Schriftsatz vom 8. 1. 2016 beantragte der Vater, der Mutter die Obsorge für die Minderjährigen zu entziehen und diese (einstweilig) an den Vater alleine zu übertragen und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Obsorgeantrag ihm einKontaktrecht zu seinen Kindern einzuräumen.

Das Bezirksgericht Lilienfeld holte eine Auskunft aus dem Zentralmelderegister ein, wonach die Mutter und die Minderjährigen seit 29. 12. 2015 ihren Hauptwohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Bruck an der Mur haben.

Daraufhin übertrug das Bezirksgericht Lilienfeld mit Beschluss vom 12. 1. 2016 gemäß § 111 JN die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bruck an der Mur, weil sich die Minderjährigen nun ständig im Sprengel dieses Bezirksgerichts aufhielten.

Das Bezirksgericht Bruck an der Mur lehnte die Übernahme des Aktes ab, weil die Minderjährigen und die Mutter erst seit zirka drei Wochen im Sprengel des Bezirksgerichts Bruck an der Mur lebten und der Richter des Bezirksgerichts Lilienfeld aufgrund des zwischen den Eltern der Minderjährigen anhängigen Scheidungsverfahrens und eines Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung Vorkenntnisse „zu den handelnden Personen“ habe.

Nach Zustellung des Übertragungsbeschlusses an den Vater und an die Mutter legt das Bezirksgericht Lilienfeld den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist nicht zu genehmigen.

Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN setzt die (örtliche wie internationale) Zuständigkeit des übertragenden Gerichts voraus (6 Nc 22/07y; RIS‑Justiz RS0107254).

Gemäß § 109 Abs 1 JN ist zur Besorgung der Geschäfte, die nach den Bestimmungen über die Rechte zwischen Eltern und minderjährigen Kindern dem Gericht obliegen, das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Pflegebefohlene ‑ am Tag der Einleitung des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0047944) ‑ seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat.

Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass sich die Minderjährigen bei Einleitung des Verfahrens nicht mehr im Sprengel des Bezirksgerichts Lilienfeld aufhielten. Fehlt es demnach an der örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Lilienfeld am Tag der Einleitung des Verfahrens, so ist die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN nicht zulässig (dazu Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 111 JN Rz 6 mwN). Die Genehmigung dieser Übertragung war daher zu versagen.

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