European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00099.22B.0714.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.114,43 EUR (darin keine USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist eine gewerbliche Fahrzeughändlerin, die im Internet auf der Homepage www.autoscout24.at potentiellen Autokäufern auch aus Österreich die Möglichkeit bietet, Neu‑ und Gebrauchtwagen zu erwerben. Der Erstkläger stieß über die Homepage auf das Unternehmen der Beklagten und ihre Website, auf der sie ein Gebrauchtfahrzeug um 65.990 EUR zum Kauf anbot. Nach telefonischem Kontakt besichtigten die Kläger das Fahrzeug am Firmensitz der Beklagten, dort einigte man sich auf einen Kaufpreis von 65.000 EUR. Weil die Kläger nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügten, nahmen sie ein (Finanzierungs‑)Leasing in Anspruch, wobei sie an das Leasingunternehmen 31.900 EUR an Kaution und im Übrigen monatliche Leasingraten zu leisten hatten.
[2] Die Kläger begehren von der Beklagten aufgrund Wandlung und Vertragsrücktritt die Rückzahlung des Kaufpreises sowie der NOVA in Höhe von 11.716,36 EUR. Der Verkäufer der Beklagten habe ihnen ausdrücklich die Schadensfreiheit zugesagt, nach Übergabe habe sich ein massiver vorbestehender Wasserschaden herausgestellt. Die Zuständigkeit des Erstgerichts gründe auf Art 17 EuGVVO. Ein Verbrauchergeschäft liege vor, weil sie das Fahrzeug für private Zwecke – wenn auch über Leasing – erworben hätten und die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit auch auf Österreich ausrichte. Die Leasinggeberin habe den Klägern Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüche aus Mängeln des Leasingobjekts – so auch den Wandlungsanspruch – abgetreten.
[3] Die Beklagte wendet die internationale und örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts ein, weil die Streitteile in keinem Vertragsverhältnis stünden. Das Fahrzeug sei von der Leasinggeberin gekauft und an diese fakturiert worden. Den Klägern mangle es an der aktiven Klagelegitimation.
[4] Das Erstgericht verwarf den Einwand der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit. Bei Prüfung der internationalen Zuständigkeit sei von den Klageangaben auszugehen, wonach die Kläger von der Beklagten einen Gebrauchtwagen zu einem bestimmten Kaufpreis erworben hätten. Der Einwand der fehlenden Aktivlegitimation betreffe eine doppelrelevante Tatsache, die nicht im Zuständigkeitsstreit zu entscheiden sei. Die Kompetenztatbestände von Art 17 Abs 1 EuGVVO lit a (Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung) und lit c (Ausübung bzw Ausrichtung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit in bzw auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers) seien erfüllt.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob diesen Beschluss auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Dass die Zuständigkeit grundsätzlich aufgrund der Angaben in der Klage zu prüfen sei, gelte nur für die Prüfung der Schlüssigkeit der in der Klage angeführten zuständigkeitsbegründenden Tatsachen. Habe der Beklagte eine Unzuständigkeitseinrede erhoben, müsse das Gericht bei seiner Entscheidung alle Tatsachen berücksichtigen, die er in der rechtzeitigen Einrede vorbringe und beweise. Da die Kläger eingeräumt hätten, dass ihnen gemäß Leasingvertrag sämtliche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aus der Mangelhaftigkeit des Leasingobjekts abgetreten worden seien, hätten sie ihre (ursprüngliche) Behauptung berichtigt, sie seien die Käufer, sodass die Feststellung des Erstgerichts, die Kläger hätten das Fahrzeug „gekauft“ überschießend und unbeachtlich sei. Im Weiteren ging das Rekursgericht allerdings davon aus, diese Feststellung sei nicht begründet worden. Da unstrittig ein schriftlicher Kaufvertrag zwischen den Streitteilen nicht vorliege, seien Feststellungen erforderlich, aus denen in rechtlicher Hinsicht auf den Abschluss eines mündlichen (allenfalls konkludenten) Kaufvertrags zwischen den Streitteilen geschlossen werden könnte. Die Beweispflicht dafür treffe die Kläger. Eine direkte vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen sei nämlich Voraussetzung für die Anwendung des Verbrauchergerichtsstands nach Art 17f EuGVVO. Entscheidend für die Frage der internationalen Zuständigkeit sei, ob zumindest der Erstkläger – auch – als Käufer aufgetreten sei. Dazu werde das Erstgericht das Verfahren zu ergänzen haben.
[6] Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht zu, weil zur Frage, ob der klagende Verbraucher beim mittelbaren Finanzierungsleasing auch ohne direkte Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen den Gerichtsstand des Art 18 Abs 1 zweiter Fall EuGVVO in Anspruch nehmen könne, somit die in 6 Ob 18/17s bzw 8 Ob 67/15h angestellten Erwägungen zur Notwendigkeit eines direkten Vertragsverhältnisses ebenso gelten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
[7] In ihrem dagegen gerichteten – von der Beklagten beantworteten – Revisionsrekurs streben die Kläger die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts an, hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts – nicht zulässig, er kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzeigen.
[9] 1. Die der Entscheidung des Rekursgerichts zugrundeliegende Rechtsauffassung, die Frage der internationalen Zuständigkeit sei hier nicht alleine aufgrund der Klageangaben zu prüfen (entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei daher die Frage der Aktivlegitimation der Kläger und des Vertragsabschlusses direkt zwischen den Streitteilen nicht als sogenannte „doppelrelevante Tatsache“ anzusehen, deren Richtigkeit zu unterstellen [RIS‑Justiz RS0115860 {T4}] und die auch dann der Zuständigkeitsentscheidung zugrundezulegen wäre, wenn sie vom Beklagten bestritten wurde [RS0050455 {T1}]), wird im Revisionsrekurs nicht in Zweifel gezogen. Darauf gehen die Revisionsrekurswerber mit keinem Wort ein. Eine weitere Erörterung dieser Frage ist daher entbehrlich.
[10] 2.1 Zu der vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage liegt bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Zu 1 Ob 55/20z führte der Oberste Gerichtshof – zum Verbrauchergerichtsstand nach Art 17 Abs 1 EuGVVO 2012 – aus, diese Bestimmung normiere als Voraussetzung, dass ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den der Verbraucher geschlossen hat, den Gegenstand des Verfahrens bildet. Das Erfordernis des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags habe auch der EuGH mehrfach bereits hervorgehoben (vgl C‑375/13 , Kolassa, Rn 23 ff; C‑180/06 , Ilsinger, Rn 53; jeweils zur vergleichbaren Bestimmung des Art 15 Abs 1 EuGVVO „alt“ [VO {EG} Nr 44/2001]). Der erste Senat bezog sich auch auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach es sich um eine direkte vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen handeln muss (6 Ob 18/17s; zum Erfordernis des zwischen den Verfahrensparteien bestehenden Vertrags bereits 1 Ob 158/09f).
[11] 2.2 Warum diese (auch 6 Ob 18/17s und 8 Ob 67/15h zugrundeliegenden) Erwägungen für den Verbrauchergerichtsstand nach Art 18 Abs 1 zweiter Fall EuGVVO 2012 nicht gelten sollten, zeigen die Revisionsrekurswerber nicht auf. Dass eine Vorfinanzierung „mangels finanzieller Kapazitäten des Verbrauchers“ erfolgte, hat aber mit der für den Verbrauchergerichtsstand erforderlichen direkten Vertragsbeziehung nichts zu tun. Auch ein (Dritt‑)Finanzierungsbedürfnis führt nicht in jedem Fall und zwingend zu einen Ankauf des zu finanzierenden Fahrzeugs durch die Leasinggesellschaft. Aus welchen konkreten rechtlichen Überlegungen die Kläger ableiten wollen, selbst in dem – von ihnen bestrittenen – Fall, dass kein direktes Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen bestehe, könnten sie sich auf den Verbrauchergerichtsstand stützen, wenn der Kaufpreis mangels finanzieller Kapazitäten von der Leasinggesellschaft zum Teil vorfinanziert wird und diese dem Verbraucher die Durchsetzung von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen vertraglich übertragen hat, lässt sich dem Revisionsrekurs nicht entnehmen, dem es insoweit daher an der gesetzesgemäßen Ausführung mangelt (vgl RS0043605).
[12] 3.1 Die Frage, ob das Berufungsgericht (hier Rekursgericht) „überschießende“ Feststellungen, die im Parteivorbringen keine Deckung finden, berücksichtigen darf, weil sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten, hat grundsätzlich keine über den einzelnen Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung und wirft daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (bzw § 528 Abs 1 ZPO) auf (RS0040318 [T3]).
[13] 3.2 Der Rüge der Revisionsrekurswerber, das Rekursgericht hätte von der Feststellung des Erstgerichts, sie seien als Käufer aufgetreten, ausgehen müssen und diese nicht als überschießend werten dürfen, ist entgegenzuhalten, dass dies typischerweise einzelfallabhängig ist und daher keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft. Im Übrigen relativierte das Rekursgericht seine (zunächst) geäußerte Rechtsmeinung, diese Feststellung sei überschießend, ohnedies dahin, dass das Erstgericht sie nicht begründet habe, und ging diesbezüglich daher von einem Begründungsmangel (also einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz) aus. Die Leasinggeberin sei zwar – zumindest auch – Käuferin des Fahrzeugs geworden, Feststellungen seien aber erforderlich, aus denen sich in rechtlicher Hinsicht auf den Abschluss eines mündlichen oder allenfalls auch konkludenten Kaufvertrags zwischen den Streitteilen schließen lässt. Ein direktes Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen sei aus rechtlicher Sicht zu verlangen. Ausgehend von dieser – teils nicht beanstandeten, teils durch höchstgerichtliche Rechtsprechung (vgl Pkt 1 und 2) gedeckten – Rechtsauffassung ist dies nicht zu beanstanden.
[14] 4. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO).
[15] 5. Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Kläger der Beklagten, die im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen den Aufhebungsbeschluss obsiegt hat (vgl RS0123222), die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen. Allerdings unterliegen Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer – hier die Beklagte – nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess kommentarlos 20 % USt, wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (RS0114955). Dass für die angesprochenen Leistungen in Deutschland eine Umsatzsteuerpflicht besteht, wäre dem Grunde und der Höhe nach zu behaupten und zu bescheinigen gewesen (§ 54 Abs 1 ZPO). Den Klägern ist daher der Ersatz ihrer Vertretungskosten ohne Umsatzsteuer zuzusprechen (1 Ob 5/20x).
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