European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00097.15Y.0825.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 617,57 EUR (darin enthalten 102,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die Antragstellerin ist aufgrund des Nutzungsvertrags vom 22. 12. 1980 seit 1. 12. 1980 Nutzungsberechtigte eines Objekts mit einer Nutzfläche von 68 m2 samt Anbauten, Hof und Garten. Der Nutzungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eigentümerin der Liegenschaft war und ist die Stadt Wien, mit der die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige Wohnungs‑ und Siedlungsgenossenschaft und Vermieterin, einen bis zum 31. 12. 2012 befristeten Baurechtsvertrag geschlossen hatte.
Auf Basis dieses Baurechtsvertrags schrieb die Antragsgegnerin der Antragstellerin zuletzt ab 1. 1. 2012 einen Bauzins von 1,05 EUR/m2 Wohnfläche und Monat netto als Bestandteil des Nutzungsentgelts vor. Das monatliche Nutzungsentgelt belief sich im Jahr 2012 auf insgesamt 204,32 EUR netto. In den Vorschreibungen schlüsselte die Antragsgegnerin das Nutzungsentgelt auf in: „Entgelt gem § 14/1 Z 1 bis 3 WGG, Bauzins, Rücklage, Erhaltungs‑Verbesserungsbeitrag, Verwaltung, Betriebs-kosten, USt.“
Am 9. 4. 2013 unterzeichneten die Liegenschaftseigentümerin und die Antragsgegnerin einen neuen Baurechtsvertrag, in dem der Antragsgegnerin ein Baurecht von 1. 1. 2013 bis zum 31. 12. 2072 zur Weiterführung der ihr obliegenden gemeinnützigen Aufgaben eingeräumt wurde. Der von der Antragsgegnerin als Bauberechtigte zu zahlende jährliche Bauzins wurde auf 8,38 EUR/m², wertgesichert nach dem VPI, erhöht. Der Vertrag hielt fest, dass sich der Vertragsgegenstand samt den darauf befindlichen Bauwerken bereits im physischen Besitz der Bauberechtigten befinde und eine förmliche Übergabe bzw Übernahme des Vertragsgegenstands daher entfalle. Als Stichtag für den Übergang von Rechten und Pflichten, Nutzen und Lasten, Gefahr und Zufall wurde der 1. 1. 2013 vereinbart.
Mit Vereinbarung vom selben Tag zugunsten jener Personen, die bereits am 1. 1. 2013 nutzungsberechtigt waren („Altmieter“), vereinbarten die Liegenschaftseigentümer und die Antragsgegnerin, dass aus Gründen der sozialen Verträglichkeit den „Altmietern“ nur ein Drittel des anteiligen Bauzinses zuzüglich USt gemäß § 14 Abs 1 Z 4 WGG verrechnet werde und die Liegenschaftseigentümerin unter dieser Voraussetzung gegenüber der Antragsgegnerin auf zwei Drittel des anteiligen Bauzinses verzichte.
Aufgrund dieses neuen Baurechtsvertrags schrieb die Antragsgegnerin der Antragstellerin ab 1. 1. 2013 ein monatliches Nutzungsentgelt von 276,49 EUR netto vor, das sie in Entgelt gemäß § 14/1 Z 1 ‑ 3 WGG, Bauzins, Rücklage, Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrag, Verwaltung und Betriebskosten aufschlüsselte. Dabei wurde der als Bauzins vorgeschriebene Betrag von 213,62 EUR um zwei Drittel (142,41 EUR) reduziert.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass das vorgeschriebene monatliche Nutzungsentgelt ab 1. 1. 2013 das gesetzliche zulässige Zinsausmaß überschreite und daher teilunwirksam sei, sowie die Feststellung des Ausmaßes der Überschreitung und die Rückzahlung der festgestellten Überschreitungsbeträge samt 4 % Zinsen. Sie bekämpft die Vorschreibung des entsprechend dem neuen Baurechtsvertrag vorgeschriebenen Bauzinses mit folgenden Argumenten:
1. Nach § 14 Abs 1 Z 4 WGG dürfe zwar der jeweils zu entrichtende Bauzins angerechnet werden. Diese Änderung sei nach der Absicht des historischen Gesetzgebers auf bestehende Baurechtsverträge bezogen, nicht aber auf die Erhöhung des Bauzinses aufgrund eines neu abgeschlossenen Vertrags.
2. Das Baurecht sei mit Ablauf des befristeten Vertrags mit 31. 12. 2012 ex lege erloschen. Das neue, mit Vertrag vom 9. 4. 2013 eingeräumte Baurecht sei erst mit der Eintragung im Grundbuch neu begründet worden. Bis dahin sei die Liegenschaftseigentümerin gemäß § 1120 ABGB nach Erlöschen des ursprünglichen Baurechts ex lege in die Rechtsstellung der Vermieterin eingetreten. Ab 1. 1. 2013 sei sie als Vermieterin nicht zur Verrechnung eines Bauzinses berechtigt gewesen, jener Teil der Nutzungsgebühr sei somit ersatzlos weggefallen.
3. Die Vereinbarung der Höhe eines Bauzinses unterliege der freien Disposition der vertragschließenden Parteien und sei nicht aus dem WGG ableitbar. Der Nutzungsvertrag der Antragstellerin enthalte keine Regelung, die eine Vorausbestimmbarkeit des Umfangs eines neuen oder der „Erhöhung“ des ursprünglichen Bauzinses ersichtlich mache noch die maßgebenden Umstände umschreibe. Aus diesen Gründen sei die Vorschreibung eines neuen bzw eines erhöhten Bauzinses konsumentenschutzrechtlich unzulässig.
Das Erstgericht wies den Überprüfungsantrag der Antragstellerin ab und bejahte die Berechtigung der Bauvereinigung, den jeweils gesetzlich zulässigen Bauzins als reine Durchlaufpost weiter zu verrechnen. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, der auf den im Dezember 1980 geschlossenen Nutzungsvertrag anzuwenden sei, solle vor einseitigen Entgelterhöhungen schützen. Die für die Entgeltsänderung maßgebenden Umstände müssten sachlich gerechtfertigt sein und nicht vom Willen des Unternehmers abhängen. Der Bauzins liege nicht in der Disposition des Baurechtsnehmers. Insbesondere bei Vertragsverlängerung komme es zu einer Forderung nach höheren Bauzinsen, die dem Baurechtsnehmer mangels (gerichtlicher) Überprüfbarkeit der Höhe des Bauzinses nicht viel oder gar keinen Verhandlungsspielraum einräumten. § 14 Abs 1 Z 4 WGG stelle seit dem 3. WÄG auf den jeweiligen Bauzins ab, was jegliche Änderungen, somit auch solche infolge Verlängerung des Baurechts umfasse. Der Verweis im Gesetz auf den jeweiligen Bauzins sei eine ausreichende Umschreibung, sodass die Kriterien des Transparenzgebots erfüllt seien. Die Änderung erfasse auch eine Senkung des Entgelts zugunsten des Nutzungsberechtigten.
Die Antragsgegnerin habe sich zum vertraglich vereinbarten Stichtag für den Übergang von Rechten und Pflichten, Nutzen und Lasten am 1. 1. 2013 bereits im physischen Besitz der Liegenschaft samt den darauf befindlichen Bauwerken befunden. Das Baurecht sei nach Ablauf des befristeten Baurechtsvertrags fortgesetzt worden, weshalb die Liegenschaftseigentümerin nicht anstelle der Antragsgegnerin in die Bestandverträge eingetreten sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und stellte fest, dass das von der Antragsgegnerin ab 1. 1. 2013 vorgeschriebene monatliche Nutzungsentgelt von 276,49 EUR netto das gesetzlich zulässige Nutzungsentgelt überschreite und daher unwirksam sei. In der rechtlichen Beurteilung teilte es die Rechtsansicht der Antragstellerin zum Übergang der Vermieterstellung auf die Liegenschaftseigentümerin mit Ablauf des 31. 12. 2012. Mit Beendigung des Baurechtsvertrags durch Zeitablauf sei das Baurecht ex lege erloschen, was nach § 131 GBG mit lediglich deklarativer Wirkung am 1. 3. 2013 im Grundbuch eingetragen worden sei. Das Bauwerk sei nach § 9 Abs 1 BauRG nach Erlöschen des Baurechts ipso iure ohne eigenen Übertragungsakt an die Liegenschaftseigentümerin gefallen. Dass sich die Antragsgegnerin bereits im physischen Besitz des Vertragsgegenstands befunden haben solle, sei ohne Relevanz. Nach § 1120 ABGB trete bei Veräußerung der Bestandsache der Erwerber in das Bestandverhältnis des Veräußerers ein. Die Rechtsprechung stelle der Veräußerung auch den Nutzungsübergang vom Eigentümer auf den Fruchtnießer und nach Erlöschen des Fruchtgenussrechts wiederum auf den Eigentümer gleich. Dies gelte auch für den Übergang des Eigentumsrechts an Bauwerken und Nutzungsrechte an dem mit dem Baurecht belasteten Grundstück, wenn das Baurecht erlösche oder neu begründet werde, weil hier ebenso wie beim Fruchtgenuss ein der Veräußerung gleichzusetzender derivativer Rechtsübergang stattfinde. Das im Vertrag vom 9. 4. 2013 vereinbarte neue Baurecht wäre erst durch die konstitutiv wirkende bücherliche Eintragung entstanden. Diese sei jedoch noch nicht erfolgt, wie sich aus dem öffentlichen Grundbuch ergebe. Damit sei noch gar kein neues Baurecht zugunsten der Antragsgegnerin begründet worden. Bestandgeber des Nutzungsvertrags sei seit 1. 1. 2013 nur die Liegenschaftseigentümerin und nicht mehr die Antragsgegnerin. Der Sachantrag der Antragstellerin sei schon deshalb berechtigt, weil ihr von einer Person im eigenen Namen Mietzins einschließlich des hier allein strittigen Bestandteils Bauzins vorgeschrieben worden sei, die nicht mehr Partei des Vertragsverhältnisses gewesen sei.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 10.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Der ‑ beantwortete ‑ Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit mehrfach die Berechtigung einer Bauvereinigung bejaht, den Bauzins nach Ablauf eines Baurechtsvertrags durch Zeitablauf entsprechend einem neu geschlossenen Baurechtsvertrag gemäß § 14 Abs 1 Z 4 WGG als Entgelt weiter zu verrechnen (5 Ob 72/14w = wobl 2014/97 [zust Vonkilch ]; 5 Ob 156/14y; 5 Ob 162/14f; 5 Ob 169/14k; 5 Ob 187/14g; 5 Ob 223/14a).
2. Nach Auffassung des Rekursgerichts ist diese Rechtsprechung (auch) zur Auslegung des § 14 Abs 1 WGG nicht relevant, weil die Rechtsstellung der Antragsgegnerin als Vermieterin nach dem Erlöschen des Baurechts durch Zeitablauf ex lege auf die Liegenschaftseigentümerin übergegangen sei und die Antragsgegnerin daher gar kein Nutzungsentgelt fordern dürfe. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht nicht.
3. Das Baurecht entsteht zwar nach § 5 Abs 2 Baurechtsgesetz (BauRG) erst mit seiner Eintragung im Grundbuch. Mit Ablauf der Bestellungszeit von mindestens 10 und maximal 100 Jahren (§ 3 Abs 1 BauRG) erlischt es ex lege. Das Bauwerk fällt zufolge § 9 Abs 1 BauRG an den Grundeigentümer. Der Löschungsgrund wirkt absolut, sodass eine unterbliebene grundbücherliche Löschung ohne Einfluss ist (Urbanek/Rudolph, BauRG, § 9 Rz 3 und 4; Spruzina in Schwimann 2, § 9 BauRG Rz 1f; Höller in Kodek, Grundbuchsrecht § 9 GBG Rz 33; Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 341). Mit dem Erlöschen des Baurechts tritt der Grundeigentümer nach § 1120 ABGB in bestehende Bestandverträge ein (Oberhammer in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2, Rz 57; Derbolav in Kletečka/Rechberger/Zitta aaO Rz 70; Riss in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON, § 1120 Rz 6; Würth in Rummel 3 § 1120 ABGB Rz 3). Der Oberste Gerichtshof hat ausgesprochen, dass Mieterlöse aus einem Zeitraum nach Erlöschen des Baurechts dem Liegenschaftseigentümer zustehen, der kraft gesetzlicher Anordnung des § 9 Abs 1 erster Satz BauRG wieder Eigentümer des Bauwerks geworden war (4 Ob 5/10d). Dieser Entscheidung lag allerdings kein Fall eines „Kettenbaurechtsvertrags“ zugrunde.
4. Bei der Berechnung des Entgelts nach § 14 Abs 1 Z 4 WGG darf nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der jeweils zu entrichtende, gesetzlich zulässige Bauzins angerechnet werden (5 Ob 72/14w; 5 Ob 223/14a; vgl RIS‑Justiz RS0052450). Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung des neu vereinbarten Bauzinses bestand nach dem Vertrag seit 1. 1. 2013, 00:00 Uhr, und nicht erst ab einer Eintragung des neuen Baurechts im Grundbuch. Dass einer vertraglich vereinbarten Verpflichtung der („alten und neuen“) Baurechtsberechtigten, aufgrund der fortdauernden unverändert gebliebenen Nutzung den Bauzins noch vor Intabulation des neuen Baurechts zu zahlen, zwingende Bestimmungen des BauRG entgegenstehen, zeigt die Antragstellerin in ihrer Argumentation nicht auf. So fordert § 3 Abs 2 erster Halbsatz BauRG nur, dass bei Vereinbarungen eines Bauzinses in Form wiederkehrender Leistungen dessen Ausmaß und Fälligkeit bestimmt sein muss. Diesem Bestimmtheitserfordernis werden die hier getroffenen Vereinbarungen über den Bauzins gerecht.
5. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit in einem vergleichbaren Fall, dem ein neuer Baurechtsvertrag mit identischen (Stichtags‑)Regelungen und der Fortbestand des physischen Besitzes an der Liegenschaft zugrunde lag, bereits dargelegt, dass die Bauberechtigte noch vor Intabulation des neuen Baurechts ab dem vereinbarten Stichtag zur Weiterverrechnung des Bauzinses an den Nutzungsberechtigten berechtigt ist (5 Ob 223/14a).
6. Als Folge des vom Rekursgericht angenommenen Übergangs der Vermieterstellung seit 1. 1. 2013 hätte zudem die Feststellung der gesetzlichen Unzulässigkeit und Unwirksamkeit des Nutzungsentgelts im außerstreitigen Verfahren (§ 22 WGG) gegenüber der neuen Vertragspartnerin und Vermieterin zu erfolgen. Nur diese wäre Verfahrenspartei. Werden Mietzinse von einer Person, die nicht mehr Vermieter ist, vorgeschrieben und vom Mieter bezahlt, wären diese Zahlungen auf bereicherungsrechtlicher Grundlage im streitigen Verfahren vom Empfänger zurückzufordern.
7. In der Entscheidung 5 Ob 223/14a bejahte der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit der Weiterverrechnung des erhöhten Bauzinses unter dem Aspekt des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Dieses Ergebnis wird auch im Schrifttum befürwortet (Prader, immolex 2015, 154 f; Vonkilch, Fragen der Entgeltbildung bei Abschluss von Kettenbaurechtsverträgen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, wobl 2010, 198 [200]; Pittl/Prader, Zur Verrechnung des Bauzinses im gemeinnützigen Wohnungsbau nach Ablauf des Baurechtsvertrags, immolex 2012, 302 [303]).
8. Dem Revisionsrekurs ist aus diesen Erwägungen Folge zu geben. Die Entscheidung des Erstgerichts ist wiederherzustellen.
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG in Verbindung mit § 22 Abs 4 WGG. Die Bemessungsgrundlage beträgt bei derartigen Anträgen auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Mietzinses nach § 10 Z 3 lit a sub lit bb 1. Fall RATG 1.500 EUR (vgl 5 Ob 75/15p).
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