OGH 5Ob9/69

OGH5Ob9/6929.1.1969

SZ 42/17

Normen

EO §222
Grundbuchsgesetz §15 (2)
EO §222
Grundbuchsgesetz §15 (2)

 

Spruch:

Ein Simultanpfandgläubiger kann jedes beliebige Pfandobjekt aus der Haftung entlassen, auch dann, wenn der Simultanhypothek in der Haupteinlage andere Pfandrechte nachfolgen.

Entscheidung vom 29. Jänner 1969, 5 Ob 9/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Radstadt; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Miteigentümer der Liegenschaft EZ. 151 GK. N. sind je zur Hälfte Christian Sch. und Sigrid Sch.

Miteigentümer der Liegenschaften EZ. 52, 53 und 73 je KG. N. und der Liegenschaften EZ. 81 und 88 je KG. F. sowie eines Hälfteanteiles der Liegenschaft EZ. 69 KG. F. sind Rupert Sch. und Maria Sch.

Für eine Kreditforderung des Raiffeisenverbandes S. bis zum Höchstbetrag von 1.250.000 S ist ob der Liegenschaft EZ. 151 KG. N. als Haupteinlage sowie ob den Liegenschaften EZ. 52, 53, 73 je KG. N. sowie ob den Liegenschaften EZ. 81, 88 und dem Hälfteanteil der Liegenschaft EZ. 69 je KG. F. als Nebeneinlagen das Simultanpfandrecht einverleibt. Darlehensnehmer der angeführten Forderung sind Christian Sch. und Sigrid Sch. Rupert Sch. und Maria Sch. sind Bürgen.

Ob der Liegenschaft EZ. 151 sind nach dem Pfandrecht des Raiffeisenverbandes S. folgende weitere Pfandrechte eingetragen:

COZ. 20 Pfandrecht für ein Darlehen der Ehegatten Jakob und Katharina H. von 250.000 S s. A.

COZ. 25 E .../68 auf 1/2 des Christian Sch. Zwangspfand für Albin D. 11.586 S s. A., sowie mehrere andere Pfandrechte.

Die Darlehensbürgen Rupert Sch. und Maria Sch. sowie die Darlehensnehmer Christian Sch. und Sigrid Sch. beantragen die Löschung des zugunsten des Raiffeisenverbandes S. einverleibten Simultanpfandrechtes nur bezüglich der Nebeneinlagen. Sie stützen ihren Antrag darauf, daß der Raiffeisenverband S. und die nachrangigen Gläubiger der Haupteinlage Jakob H. und Katharina H. der beantragten Löschung des Simultanpfandrechtes hinsichtlich der Nebeneinlagen zustimmen. Eine Zustimmung der weiteren nachrangigen Pfandgläubiger der Haupteinlage sei nicht erforderlich, da die weiteren Gläubiger nur richterliche Zwangspfandrechte besitzen.

Das Erstgericht wies den Antrag, es werde die Einverleibung der Löschung des ob den Liegenschaften EZ. 151 KG. N. als Haupteinlage sowie den EZ. 52, 53, 73 je KG. N. den EZ. 81, 88 und dem Hälfteanteil der EZ. 69 je KG. F. als Nebeneinlagen einverleibten Simultanpfandrechte für die Kreditforderung des Raiffeisenverbandes S. im Höchstbetrage von 1.250.000 S, jedoch nur von den bisherigen Nebeneinlagen EZ. 52, 53, 73 KG. N., den EZ. 81, 88 und dem Hälfteanteil der EZ. 69 KG. F., sämtliche Rupert und Maria Sch. gehörig, zu bewilligen, ferner die Einverleibung der Löschung in der Haupteinlage EZ. 151 KG. N., Christian und Sigrid Sch. gehörig, sowie die Anmerkung dieser Löschung in den Nebeneinlagen, die Löschung der Anmerkung der Simultanhaftung sowie der Bezeichnung der EZ. 151 KG. N. als Haupteinlage anzuordnen und gleichzeitig die Löschung der Anmerkung der Löschungsverpflichtung COZ. 58 ob EZ. 52 KG. N. zu bewilligen, ab. Das Erstgericht ging davon aus, daß die beabsichtigte Löschung des Pfandrechtes bei den Nebeneinlagen zu dem Ergebnis führe, daß ein bestehendes Simultanpfandrecht in ein Singularpfandrecht bei der ursprünglichen Haupteinlage umgewandelt werde. Auf der Liegenschaft EZ. 151 KG. N. seien aber nach dem Pfandrecht für die Kreditforderung des Raiffeisenverbandes S. von 1.250.000 S weitere vertragliche und richterliche Pfandrechte in der Höhe von 630.000 S s. A. einverleibt. Von den der Forderung des Raiffeisenverbandes S. nachfolgenden Gläubigern hätten lediglich die Gläubiger eines Vertragspfandrechtes, nämlich Jakob und Katharina H., ihre Zustimmung zur beantragten Löschung erteilt. Die restlichen Gläubiger mit Forderungen von insgesamt 380.000 S s. A. hätten keine Zustimmung zur beantragten Löschung gegeben und würden in ihrem Befriedigungsrecht in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt. Das ergebe sich auch bei Bedachtnahme auf die Vorschrift des § 222 EO. und bei Berücksichtigung des Verfügungsrechtes des Liegenschaftseigentümers bei der Auflösung von Simultanhypotheken und deren Rangausnützung für Singularpfandrechte auf den bisherigen Einlagen. Da die Bewilligung der Löschung zum offenkundigen Nachteil anderer Buchberechtigter führen würde, sei der Antrag abzuweisen.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die beantragte Löschung der Simultanhypothek bei den Nebeneinlagen bewilligt wurde. Das Grundbuchsgericht habe - so führt das Gericht zweiter Instanz aus - nur die formellen Voraussetzungen des Grundbuchsgesuches und dessen Rechtzeitigkeit zu prüfen. Daß Zwangspfandrechte der Simultanhypothek nachfolgen, stelle kein Hindernis für die Bewilligung der Löschung der Simultanhypothek bei den Nebeneinlagen dar. Der Anspruch der nachfolgenden Gläubiger sei erforderlichenfalls im Rechtsweg durchzusetzen, falls eine Benachteiligung und ein Schaden entstehe.

In dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom Gläubiger Albin D. eingebrachten Revisionsrekurs wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß zur Gänze wiederhergestellt werde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Legitimation zum Rekurs ist in Grundbuchssachen im Grundbuchsgesetz nicht geregelt. Es gelangen daher die Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen, insbesondere § 9 AußStrG. zur Anwendung. Darnach steht aber, wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Bartsch, Das Österreichische Allgemeine Grundbuchsgesetz[7] S. 602, Sattler, Rechtsmittel im Grundbuchsverfahren, NotZ. 1949 S. 18) ausgesprochen hat (SZ. XX 35, EvBl. 1951 Nr. 368 u. a.), jedem, der sich durch eine Verfügung des Gerichtes beschwert erachtet, das Rechtsmittel des Rekurses offen, wenn seine Interessenssphäre durch eine solche Verfügung berührt wird. Daß die Interessen des Rekurswerbers durch eine Verfügung über eine vorausgehende Hypothek im Falle der zwangsweisen Eintreibung des den Liegenschaftseigentümern gewährten Darlehens beeinträchtigt werden, liegt auf der Hand.

Es ist ein Recht des Gläubigers, auf das für seine Forderung bestellte Pfand zu verzichten, und wenn es sich um einen Simultanpfandgläubiger handelt, ist dieser befugt, jedes beliebige Pfand aus der Haftung für seine Forderung zu entlassen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Simultanhypothek in der Haupteinlage andere Pfandrechte nachfolgen. Dieser Grundsatz kommt auch in der Bestimmung des § 15 (2) GBG. zum Ausdruck. Nach der angeführten Gesetzesstelle ist der Gläubiger einer Simultanhypothek berechtigt, die Bezahlung der ganzen Forderung aus jeder einzelnen Pfandsache zu verlangen. Er ist damit in der Lage, die Bezahlung seiner ganzen Forderung aus jeder beliebigen der ihm verpfändeten Sachen zu fordern.

Dem steht auch nicht die Vorschrift des § 222 EO. entgegen. Denn sie enthält eine Regelung darüber, wie im Zwangsversteigerungsverfahren bei der Verteilung des Meistbotes Simultanhypotheken zu berücksichtigen sind und welche Ansprüche die der Simultanhypothek folgenden Pfandgläubiger besitzen. Die in der Bestimmung des § 222 EO. enthaltenen Grundsätze wurden auch auf das dem Eigentümer der verpfändeten Liegenschaft nach § 469 ABGB. zustehende Verfügungsrecht sinngemäß angewendet. Es wurde davon ausgegangen, daß nach der Tilgung einer durch ein Simultanpfandrecht sichergestellten Schuld der Eigentümer der verpfändeten Liegenschaften das ihm nach § 469 ABGB. zustehende Verfügungsrecht hinsichtlich der einzelnen Liegenschaften nur in der Art ausüben dürfe, daß diese Liegenschaften mit Simultanhypotheken belastet werden, deren Betrag den im § 222 EO. festgesetzten Verhältnis entspricht (SZ, XIV 92, SZ. XVII 66, SZ. XIX 48 u. a.). Keine Handhabe für eine analoge Anwendung der Grundsätze des § 222 EO. besteht aber im Falle der Freilassung einzelner Liegenschaften einer Simultanhypothek aus der Sachhaftung. Dies ergibt sich schon daraus, daß anders als bei Liegenschaftseigentümern der Simultanpfandgläubiger durch einen Nachpfandgläubiger nicht in seinen Verfügungen gehindert werden kann. Zwischen ihm und dem Pfandgläubiger bestehen keine Rechtsbeziehungen. In der Rechtssphäre zwischen Liegenschaftseigentümer und dem Pfandgläubiger könnte zwar eine Ausgleichspflicht für den Fall der nicht aliquoten Geltendmachung des Simultanpfandrechtes besonders vereinbart werden. Eine solche besondere Vereinbarung wurde im vorliegenden Fall weder behauptet noch dargetan. Eine Vereinbarung zwischen dem Liegenschaftseigentümer und den Nachpfandgläubigern kommt aber auch nicht zur Anwendung, wenn das Pfandrecht simultan auch auf Liegenschaften anderer Eigentümer - so im vorliegenden Fall auf der im Eigentum der Darlehensbürgen stehenden Liegenschaft - sichergestellt ist. Der Nachpfandgläubiger muß also damit rechnen, daß für die ihm vorangehende Forderung das Simultanpfandrecht auf anderen Liegenschaften gelöscht wird.

Die Auffassung, daß der Gläubiger einer Simultanhypothek trotz des Umstandes, daß nachstehende Gläubiger vorhanden sind, deren Rechte dadurch gefährdet werden könnten, berechtigt ist, eine oder mehrere der simultan haftenden Liegenschaften aus der Pfandhaftung zu entlassen, vertritt auch das Schrifttum (Klang[2] II 476, Ehrenzweig, System[2] I/2 S. 481, 482, Exner, Das Österreichische Hypothekenrecht 2. Abteilung S. 320 f., Langer, Das Verfügungsrecht des Eigentümers nach der III. Teilnovelle bei Simultanhypotheken GZ. 1918 S. 85, Jaksch, Aufteilung und Teilleistung sowie Pfandstellenausnützung bei Simultanhypotheken ÖJZ. 1957 S. 177, Bergmair, Die Aufteilung von Simultanhypotheken, NotZ. 1968 S. 117, Bartsch, Das Österreichische Allgemeine Grundbuchsgesetz[7] S. 395). Die von Feil, Angewandtes Grundbuchsrecht auf S. 225 vertretene gegenteilige Auffassung ist nicht näher begrundet. Aber auch die Judikatur hat den Standpunkt eingenommen, daß die Entlassung einer oder mehrerer simultan haftender Liegenschaften aus der Sachhaftung zulässig sei (GlUNF. 1029, 2074, siehe hiezu ferner Entscheidungen des OGH. in Brünn, Band XII Nr. 1508). Von dieser Auffassung abzugehen besteht für den Obersten Gerichtshof kein Anlaß.

Dem Rekursgericht ist auch beizupflichten, daß sich das Prüfungsrecht des Grundbuchsgerichtes nach § 94 GBG. darauf beschränkt, ob 1. sich aus dem Gesetz kein Hindernis ergibt, 2. kein gegrundetes Bedenken gegen die Legitimation des Antragstellers vorliegt, 3. der Antrag durch die Urkunden gedeckt ist und 4. die Urkunden in der vorgeschriebenen Form vorliegen (Stöckl, Das Prüfungsrecht des Grundbuchsrichters nach § 94 GBG., NotZ. 1958 S. 82). Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 94 GBG. liegt aber nicht vor.

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