OGH 5Ob93/18i

OGH5Ob93/18i12.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers J*, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen den Antragsgegner R*, vertreten durch Dr. Wolfgang Maurer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Einräumung eines Notweges, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 4. April 2018, GZ 22 R 73/18s‑49, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122021

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Auf das vom Antragsteller vorgelegte private Rechtsgutachten musste das Rekursgericht nicht eingehen (RIS-Justiz RS0041743 [T2; T3]). Es gilt der Grundsatz: iura novit curia (vgl RIS-Justiz RS0043585 [T2, T3]). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin begründet es daher auch keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG, ob es nach den „Bestimmungen der ZPO zulässig ist, dass auf von den Parteien herausgearbeitete rechtliche Argumente nicht gehörig eingegangen wird [...]“. Um welche Argumente es sich dabei handelt, legt der Antragsteller in seinem Rechtsmittel in diesem Zusammenhang auch gar nicht dar. Der bloße Verweis auf Ausführungen in einem anderen Schriftsatz (hier: einem Rechtsgutachten) in einem Rechtsmittel ist aber unbeachtlich, weil jedes Rechtsmittel einen in sich geschlossenen Schriftsatz bildet (RIS-Justiz RS0007029).

2. Unter dem Revisionsrekursgrund der Mangelhaftigkeit (§ 66 Abs 1 Z 2 AußStrG) wiederholt der Antragsteller seinen bereits im Rekursverfahren vorgetragenen Vorwurf, dass der von ihm beantragte Ortsaugenschein nicht durchgeführt worden sei. Ein behaupteter, aber vom Rekursgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens bildet keinen Revisionsrekursgrund (RIS‑Justiz RS0050037; RS0043919; RS0030748). Das Rekursgericht hat die Mängelrüge des Antragstellers geprüft und mit schlüssiger Begründung verworfen.

3.1 Die Bestimmungen des Notwegegesetzes sind nach ständiger Rechtsprechung restriktiv zu handhaben (vgl RIS-Justiz RS0070966). Die Nachlässigkeit der Parteien soll durch dieses Gesetz nicht gefördert werden, lediglich der schuldlose und damit schutzwürdige Erwerber einer Liegenschaft soll geschützt werden (RIS-Justiz RS0071074).

3.2 Nach § 2 Abs 1 zweiter Fall NWG ist das Begehren um Einräumung eines Notweges unzulässig, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen ist. Dieser Begriff entspricht der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 1324 ABGB (RIS-Justiz RS0071130). Die Frage, ob der Mangel auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückgeht, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0071136 [T2; T5; T7]). Sie begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Rekursgericht eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

3.3 Die Fehleinschätzung eines Wegbedarfs durch den Eigentümer der notleidenden Liegenschaft indiziert gewöhnlich eine auffallende Sorglosigkeit (RIS‑Justiz RS0071074 [T1; T2]; RS0071038), es sei denn, dass ein tatsächlich eingetretener Wegebedarf in seiner Art, seinem Ausmaß und seiner Intensität bei einer früheren vertraglichen Gestaltung der die notleidenden Liegenschaften treffenden Rechtsbeziehungen nicht leicht vorhersehbar war (RIS‑Justiz RS0071130 [T6]).

3.4 Der Antragsteller erwarb das Grundstück 91/3 mit dem darauf errichteten Wochenendhaus im Jahr 1979 in Kenntnis der Wegesituation um 300.000 ATS. Bei Vertragsunterfertigung übergab ihm seine Rechtsvorgängerin ein als „Vertrag“ betiteltes und (nur) von den Rechtsvorgängern des Antragsgegners beglaubigt unterfertigtes Schriftstück vom 21. 2. 1972, nach dessen Inhalt diese (sinngemäß) auf ein ihr vertraglich eingeräumtes Recht, über deren Liegenschaft „zu gehen und soweit es möglich ist zu fahren“, verzichte und dafür die Fläche, auf der sie inzwischen neben der Straße eine Garage errichtet hatte, sowie jene Teile der Grundstücke, über die der in der Natur bestehende Weg von der Gemeindestraße zum Wochenendhaus führt, erhält. Dass es mit den in diesem Schreiben umschriebenen Flächen nicht möglich gewesen wäre, die für eine der Widmung als Wochenendhaus entsprechende Benützung erforderliche Wegeanlage herzustellen, hat der Antragsteller im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. In seinem Revisionsrekurs verweist er ausdrücklich darauf, dass aus dieser Urkunde nicht hervorgehe, dass eine solche Wegeverbindung nicht auch als Fahrweg benützt werden könnte. Noch im März 1980 sagten die Rechtsvorgänger des Antragsgegners nach den Feststellungen zu, dass der Antragsteller die Fläche, auf der sich die Garage befindet und den Zufahrtsweg vermessen lassen könne, was deutlich macht, dass eine vertragliche Regelung jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre. Dessen ungeachtet gab sich der Antragsteller mit der von ihm bei Kauf der Liegenschaft vorgefundenen Situation zufrieden und begnügte sich über Jahrzehnte mit der im Grundbuch einverleibten Servitut des Gehens und fuhr etwa einmal im Jahr zum Wochenendhaus zu, was bei trockener Witterung mit einem Allradfahrzeug ohne Schwierigkeiten möglich ist. Dass die Vorinstanzen dem Antragsteller bei dieser Sachlage eine auffallende Sorglosigkeit anlasteten, begründet keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach der Judikatur schließt nämlich bereits eine grob fahrlässig versäumte Gelegenheit zur Selbstvorsorge die richterliche Begründung einer Dienstbarkeit nach dem Notwegegesetz aus (RIS‑Justiz RS0071033; vgl auch RS0070966 [T2]; 7 Ob 208/02t;Eggelmeier-Schmolke in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1 NWG Rz 5). Der Umstand, dass nunmehr Renovierungsarbeiten an seinem Wochenendhaus notwendig geworden sind, wie der Antragsteller zur Begründung seines Begehrens vorbringt, war auch keineswegs unvorhersehbar.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 72 Abs 3 AußStrG).

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