OGH 5Ob91/11k

OGH5Ob91/11k26.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Ingeborg K*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun, Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin F***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen §§ 14a, 22 Abs 1 Z 1 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Oktober 2010, GZ 39 R 226/10i-10, mit dem infolge Rekurses der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 28. April 2010, GZ 5 Msch 2/10i-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 299,56 EUR (darin 49,92 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete mit seinem Sachbeschluss die Antragsgegnerin, binnen 4 Wochen die Elektroinstallation in der von der Antragstellerin genutzten Wohnung dahin zu erneuern, dass für die Steckdosenstromkreise ein Zusatzschutz-Fehler-stromschutzschalter mit einem Auslösestrom von 30 mA zu installieren ist und die metallenen leitenden Heizungsrohre in das Hauptpotential einzubinden sind.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands nicht 10.000 EUR übersteigt und erklärte - über Zulassungsvorstellung der Antragsgegnerin - den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil - soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter für die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung nicht sorgen müsse.

Die Antragsgegnerin macht in ihrem Revisionsrekurs einen Verfahrensmangel wegen Verletzung der Anleitungspflicht geltend und sieht erhebliche Rechtsfragen im Bedarf nach Klärung alternativer Möglichkeiten zur Gefahrenbeseitigung, der Relevanz einer Verursachung sowie eines Verschuldens der Gesundheitsgefährdung durch die Nutzungsberechtigte selbst und des Fehlens einer Antragsgrundlage im Hinblick auf die vermeintlich ohnehin nicht bestehende Gesundheitsgefährdung.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG, § 20 Abs 4 WGG) - Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 20 Abs 4 WGG) nicht zulässig. Dies ist - kurz (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG, § 20 Abs 4 WGG) - wie folgt zu begründen:

1. Aus der Begründung des Rekursgerichts für die Abänderung seines Zulässigkeitsausspruchs folgt keine erhebliche Rechtsfrage. Hier ist allein zu überprüfen, ob die Antragsgegnerin auf der Grundlage des maßgeblichen Sachverhalts gemäß § 14a Abs 2 Z 2 WGG zur Durchführung der vom Erstgericht aufgetragenen Arbeiten verpflichtet ist. Die allgemeine Prüfung all jener Voraussetzungen, unter denen ein Vermieter für die Beseitigung einer von der Wohnung ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung nicht sorgen müsste, ist demgegenüber hier nicht Entscheidungsgegenstand.

2.1. Die Antragsgegnerin behauptet das Vorliegen eines Verfahrensmangels infolge Verletzung der Anleitungspflicht, bei deren Wahrnehmung sie ein ergänzendes Vorbringen erstattet und die Prüfung der elektrischen Anlage durch einen Sachverständigen beantragt hätte. Danach hätte sich gezeigt, dass die Anlage nicht gefährlich sei bzw eine allfällige Gefährlichkeit auf Handlungen der Nutzer zurückzuführen sei. Aufgrund der überraschenden Rechtsansicht des Erstgerichts sei eine solche Antragstellung unterblieben.

2.2.1. Eine Verletzung der Anleitungspflicht betreffend die bestehende Gefährlichkeit der elektrischen Anlage sowie deren Verursachung durch die Nutzer und des Verbots einer Überraschungsentscheidung durch das Erstgericht hat die Antragsgegnerin in ihrem Rekurs nicht geltend gemacht. Ein angeblicher Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, welcher im Rechtsmittel an das Gericht zweiter Instanz nicht beanstandet wurde, kann im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043111). Dies gilt grundsätzlich auch für das außerstreitige Revisionsrekursverfahren (RIS-Justiz RS0043111 [T18 und T22]); ein davon abweichender Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

2.2.2. Im Zusammenhang mit möglichen alternativen Maßnahmen zur Abwendung einer Gesundheitsgefährdung hat das Rekursgericht das Vorliegen eines Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens verneint. Ein angeblicher Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, den das Gericht zweiter Instanz nicht als solchen erkannt hat, kann im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Dies gilt grundsätzlich auch für das außerstreitige Revisionsrekursverfahren (RIS-Justiz RS0042963 [T48]; RS0050037).

2.2.3. Warum die Antragsgegnerin von der Rechtsansicht des Erstgerichts überrascht gewesen sein könnte, ist unerfindlich, war doch die Frage der sie treffenden Erhaltungspflicht gerade der maßgebliche und einzige Verfahrensgegenstand.

3.1. Soweit die Antragsgegnerin auch im Rahmen ihrer Rechtsrüge eine Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht geltend macht, sei sie auf die obigen Ausführungen zu 2.2.1. und 2.2.2. verwiesen. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass das von der Antragsgegnerin erwogene Abklemmen gefährlicher elektrischer Leitungen schon der Art nach keine Maßnahme ihrer Erhaltung darstellt, ist nicht zu beanstanden.

3.2. Der Frage nach der - im Gesetz (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG, § 14a Abs 2 Z 2 WGG) selbst nicht angesprochenen - Relevanz eines Verschuldens des Nutzungsberechtigten (Mieters) an der vom Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung für die Erhaltungspflicht des Vermieters (vgl dazu die ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 35; Stabentheiner, Die Änderungen des Mietrechts durch die Wohnrechtsnovelle 2006, ÖJZ 2006/46, 743 [748 f]; ders, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2006, wobl 2006, 241 [251 f]) ist hier nicht grundsätzlich nachzugehen, weil ein derartiges Verhalten der Nutzungsberechtigten nicht feststeht. Aufgrund der Art des Mangels (Unzulänglichkeit des vorhandenen Fehlerstromschutzschalters [Auslösestrom 100 mA anstatt 30 mA]) und dem dazu von der Antragsgegnerin erstatteten erstinstanzlichen Vorbringen kann hier ein der Nutzungsberechtigten zurechenbares Verschulden oder gar der von Antragsgegnerin behauptete Rechtsmissbrauch in der Erhebung des vorliegenden Sachantrags nicht schlüssig nachvollzogen werden. Ob die Antragsgegnerin aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen mit der Antragstellerin Ersatz ihrer Aufwendungen für die aufgetragene Maßnahme ansprechen könnte, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

3.3. Die Behauptung der Antragsgegnerin, es fehle dem bewilligten Antrag die Grundlage, weil von der elektrischen Anlage ohnehin keine Gefährdung ausgehe, widerspricht der gegenteiligen Feststellung des Erstgerichts, weshalb die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RIS-Justiz RS0043603; RS0043312).

Der Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Die Bemessungsgrundlage beträgt gemäß § 10 Z 3 lit cc RATG 1.000 EUR.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte