Spruch:
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des dem Mieter nach § 44 Abs. 2 und 3 MRG eingeräumten Gestaltungsrechts auf Mietzinsermäßigung, von dem dieser auch eingeschränkt Gebrauch machen kann, bestehen keine Bedenken. Liegt erkennbar nur ein Berechnungsfehler vor, kommt es zur vollen Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Mietzinshöhe in dem im § 44 Abs. 3 MRG umschriebenen Ausmaß
OGH 3. 7. 1984, 5 Ob 86/83 (LGZ Wien 41 R 610/83; BG Innere Stadt Wien 45 Msch 2/83)
Text
Die Eigentümer des Hauses Wien 12, G-Platz 11, gaben der Mieterin Gitta S die Wohnung Nr. 13 mit zwei Zimmern, Vorraum, Küche und Nebenräumen und einer Nutzfläche von 71.36 m2 ab dem 1. 10. 1981 auf unbestimmte Zeit in Bestand. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 6. 10. 1981 ist der Betrag des frei vereinbarten Monatsmietzinses mit 3 202.20 S zuzüglich der Betriebskosten und einem Zuschlag von monatlich 7.58 S festgehalten, eine Wertsicherung des Hauptmietzinses festgelegt und angeführt, daß beide Teile unbedingt und unwiderruflich auf jeden sich aus einer allfälligen Änderung von Rechtsvorschriften für sie ergebenden Anspruch, einseitig eine Änderung des Inhaltes dieses Mietvertrages oder eines seiner Punkte herbeizuführen, verzichten und daß die Nichteinhaltung dieser Zusage die sofortige Vertragsauflösung bewirkt. Im März 1982 ging den Vermietern das Begehren der Mieterin zu, den vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes vereinbarten Hauptmietzins zu ermäßigen. Am 8. 4. 1982 machte die Mieterin die Sache bei der Gemeinde anhängig (§ 39 Abs. 1 MRG). Sie behauptete, die Vermieter seien ihrem Begehren, den Mietzins von 3 202.20 S auf 1 905.75 S herabzusetzen, nicht nachgekommen. Sie verlange daher die Entscheidung, daß für die Wohnung nur ein monatlicher Mietzins von 1 905.75 S zulässig sei und zu den Zinsterminen 1. 3. 1982 und 1. 4. 1982 das zulässige Zinsausmaß überschritten wurde. Die Vermieter traten in der mündlichen Verhandlung dem Begehren entgegen. Die Gemeinde entschied, daß die Vermieter der Mieterin gegenüber durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von 3 202.20 S für April 1982 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um 1 436.04 S überschritten hätten, die Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses in Ansehung des monatlichen Teilbetrages von 1 436.04 S rechtsunwirksam sei und die Vermieter der Mieterin den Betrag von 1 436.04 S zuzüglich 8 vH Umsatzsteuer und der gesetzlichen Zinsen zurückzuerstatten haben. Diese Entscheidung der Gemeinde trat außer Kraft, weil sich die Vermieter mit ihr nicht zufrieden gaben und die Sache rechtzeitig bei Gericht anhängig machten. Beide Teile hätten beabsichtigt, sich durch die Vereinbarung des Verzichtes auf die Herbeiführung einer einseitigen Abänderung des Vertragsinhalts abzusichern, daß nicht der andere Teil auf Grund der zu erwartenden Neuordnung des Mietrechtes damals noch nicht abzusehende Bestimmungen mißbrauche und eine Vertragsänderung erreiche. Der Verstoß gegen die Verpflichtung der Mieterin habe die Vertragsaufhebung zur Folge, sodaß sie keine Legitimation zur Verfolgung ihres Antrages habe. Grundsätze von Treu und Glauben erforderten, daß der Verzicht als wirksam betrachtet werde. Es sei daher festzustellen, daß die Einhebung des für den Monat April 1982 begehrten Hauptmietzinses von 3 202.20 S zulässig war.
Das Erstgericht entschied ohne vorangehende Verhandlung. Es stellte fest, daß für die Wohnung ein monatlicher Hauptmietzins von 1 766.16 S zulässig ist, die Vermieter daher das gesetzlich zulässige Zinsausmaß zum Zinstermin April 1982 um 1 436.04 S überschritten haben und verhielt die Vermieter, der Mieterin binnen 14 Tagen 1 436.04 S samt 4 vH Zinsen seit dem 8. 4. 1982 zu bezahlen. Das Erstgericht ging von dem unbestrittenen Sachverhalt aus, daß die Vermieter für die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages in die Ausstattungskategorie B einzuordnende 71.36 m2 große Wohnung den am 6. 10. 1981 vereinbarten Hauptmietzins von 3 202.20 S vorgeschrieben haben und die Mieterin diesen Mietzins bezahlte, aber ein den Vermietern im März 1982 zugekommenes Begehren auf Ermäßigung des Mietzinses stellte. Es kam zu der rechtlichen Beurteilung, daß nach § 44 Abs. 3 MRG die Rechtsfolge des Ermäßigungsbegehrens der Hauptmieterin, daß nämlich die (wirksam) getroffene Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses insoweit rechtsunwirksam wurde, als der Hauptmietzins das Eineinhalbfache des Betrages überschreitet, der sich für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie errechne, mit dem Zinstermin April 1982 eingetreten sei. Diese Rechtsfolge könne nicht vertraglich abbedungen werden; ein wirksamer Verzicht auf den Herabsetzungsanspruch des Mieters sei nach dem Schutzzweck der Norm ausgeschlossen. Die Rückerstattung des Überschreitungsbetrages sei nach § 37 Abs. 4 MRG aufzutragen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Vermieter nicht Folge und ließ den Rekurs an den OGH zu. Es verneinte das Vorliegen eines Verfahrensmangels, weil § 37 Abs. 3 Z 12 MRG die Anordnung einer mündlichen Verhandlung nur fordere, wenn zur Entscheidung Ermittlungen oder Beweisaufnahmen notwendig sind. Der relevante Sachverhalt sei aber unbestritten. Auf ein Recht könne verzichtet werden, soweit es nicht nach einer Zweckbestimmung unverzichtbar sei oder eine positive Anordnung des Gesetzes einen Verzicht ausschließe. Auch auf das Recht, die Ermäßigung des Hauptmietzinses nach § 44 MRG zu begehren, könne verzichtet werden, nicht aber im voraus, bevor noch das Recht durch das erst am 1. 1. 1982 in Kraft getretene Mietrechtsgesetz in der relativ zwingenden Norm des § 44 Abs. 2 MRG geschaffen worden sei. Der im Hinblick auf das noch nicht erlassene Gesetz unbekannten Inhalts erklärte Verzicht, den Mietvertrag einseitig zu ändern, sei unwirksam. Es sei auch eine Zwangslage des Mieters vor Abschluß des Mietvertrages anzunehmen. Da der Mieterin erst am 1. 1. 1982 nach der Verzichtsvereinbarung vom 6. 10. 1981 das Recht eingeräumt wurde, eine Abänderung des Vertrages zu bewirken, verstoße es nicht gegen Treu und Glauben und sei auch nicht arglistig, vom gesetzlichen Recht Gebrauch zu machen. Im Bereich des Mietenschutzes könne ein Verstoß gegen die unwirksame Verzichtsvereinbarung keinen Auflösungsgrund für den Mietvertrag abgeben. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 44 MRG teile das Rekursgericht nicht. Der Gesetzgeber habe im Rahmen seiner rechtspolitischen Zielsetzung, einen stabilen, sozial- und volkswirtschaftlich gerechtfertigten Mietzins zu schaffen und zu sichern, in bestehende Verträge nur eingegriffen, um eine bestmögliche Angleichung der Höhe der vereinbarten Mietzinse zu erreichen.
Der Oberste Gerichtshof wies den Antrag der Vermieter, beim VfGH die Aufhebung der Bestimmungen des § 44 Abs. 2 und 3 MRG wegen Verfassungswidrigkeit zu beantragen, zurück. Ihrem Revisionsrekurs gab er Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht auf, nach Verfahrensergänzung neu zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Da die Vermieter an ihrer Ansicht festhalten, der Mieterin stehe das im § 44 Abs. 2 MRG geschaffene Recht, vom Vermieter die Ermäßigung des vor dem 1. 1. 1982 vereinbarten Hauptmietzinses zu begehren, überhaupt nicht zu, ist vor der Prüfung der vorgetragenen Bedenken, daß die Regelung des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG verfassungswidrig sei, die Wirksamkeit des im Mietvertrag erklärten Verzichtes zu behandeln, weil dann die als bedenklich bezeichneten Bestimmungen gar nicht anzuwenden wären. Der OGH tritt der Ansicht des Rekursgerichtes bei, daß ein Verzicht auf das erst mit dem 1. 1. 1982 entstandene Gestaltungsrecht des Hauptmieters, der für eine Wohnung auf Grund einer früher getroffenen Vereinbarung über die Mietzinshöhe einen Hauptmietzins zu leisten hat, der den ab 1. 1. 1982 für diese Wohnung nach § 16 Abs. 2 MRG zulässigen Höchstbetrag um mehr als die Hälfte übersteigt, zu bewirken, daß der Hauptmietzins auf diesen Grenzwert ermäßigt wird, vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes nicht wirksam vereinbart werden konnte. Die Abrede, die im schriftlichen Mietvertrag enthalten ist, bindet keinen Vertragsteil, weil der Verzicht auf künftig dem Mieter durch das Gesetz eingeräumte Berechtigungen, deren Inhalt noch gar nicht zuverlässig abzusehen ist, nicht zulässig ist. Bei einem Verzicht auf künftig entstehende Rechte wird nämlich gefordert, daß sich die Rechtsverhältnisse, auf die sich der Verzicht bezieht, schon von vornherein übersehen lassen. Soweit dies nicht der Fall ist, ist der Verzicht unwirksam (EvBl. 1979/221). Die endgültige Regelung der Anpassung der schon bestehenden Verträge an die neue Rechtslage konnte bei Vertragsabschluß noch nicht bekannt sein (JAB vom 3. 11. 1981, 880 BlgNR 15. GP).
Da im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG stets auch Kündigungsschutz herrscht, ist die Vereinbarung, daß der Mietvertrag durch den Verstoß eines Teiles gegen die übernommene Verpflichtung, keine einseitige Änderung des Vertragsinhaltes herbeizuführen, sofort aufgelöst wird, ohne rechtliche Wirksamkeit. Sie kann nämlich keinen der im Gesetz vorgesehenen Kündigungsgrunde oder Aufhebungsgrunde erfüllen (vgl. Schimetschek, Verzicht auf Ermäßigung des vereinbarten Hauptmietzinses, ImmZ 1984, 63). Der Beisatz im schriftlichen Mietvertrag ist daher ohne Einfluß auf die erst durch das Mietrechtsgesetz veränderte Rechtsstellung der Vertragsparteien und so zu behandeln, als wäre er nicht vorhanden. Darauf, ob sich die Mieterin zu der Vereinbarung nach Inhalt des maschinschriftlichen Zusatzes, der durch die damals kurz bevorstehende gesetzliche Neuordnung des Mietrechtes zu erklären ist, nur verstanden hat, weil sie sich in einer Zwangslage befand oder ob allgemein eine solche für den an der Anmietung einer Wohnung Interessierten gegeben ist, kommt es dabei überhaupt nicht an. Darauf ist nicht einzugehen, weil die Unwirksamkeit des Verzichtes auf die Inanspruchnahme künftig geschaffener rechtlicher Befugnisse nicht mit der Zwangslage des Mieters zu begrunden ist. In der entbehrlichen Alternativbegründung des Rekursgerichtes liegt deshalb auch keine relevante Aktenwidrigkeit. Damit gelangt aber der OGH zu dem Ergebnis, daß die Bestimmungen des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG in dieser Rechtssache anzuwenden sind.
Die Vermieter meinen, der Gesetzgeber habe gegen den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz und das in der Bundesverfassung verankerte rechtsstaatliche Prinzip verstoßen und das auch ihn bindende Willkürverbot wie die Grundstruktur des demokratischen Rechtsstaates verletzt, wenn er durch die neuen Bestimmungen des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG die wohlerworbenen Rechte der Vermieter auf Empfang des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Mietzinses beschnitten und beseitigt hat. Die Vermieter hätten die Höhe des für die Gebrauchsüberlassung des Bestandgegenstandes zu leistenden Mietzinses ohne Verlangen nach einem Ablösebetrag im Einklang mit der zur Zeit der Vereinbarung geltenden Gesetzeslage vertraglich vereinbart. Der Gesetzgeber habe die gesetzmäßig erworbenen Rechte zu achten und zu schützen.
Der von den Rechtsmittelwerbern gestellte Antrag auf Befassung des VfGH ist schon deshalb zurückzuweisen, weil ein Antragsrecht den Parteien nicht zukommt. Dennoch müssen die aufgezeigten Einwände gegen eine verfassungskonforme Ausformung der anzuwendenden bundesgesetzlichen Bestimmung iS einer Anregung zum Vorgehen nach § 140 B-VG die Überlegung veranlassen, ob gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG Bedenken begrundet sind.
Während einerseits eingeräumt wird, es falle schwer, dem Gesetzgeber vorzuwerfen, er habe bei dieser Regelung nicht das öffentliche Wohl und das allgemeine Beste im Auge gehabt, als er in Privatrechte eingriff und Einschränkungen bei der Ausübung des Eigentums vorsah, weshalb eine Verfassungswidrigkeit nicht vorliege (Glassl, Die Mietzinsherabsetzung gemäß § 44 Abs. 2 und 3 MRG in verfassungs- und konventionsrechtlicher Sicht, ImmZ 1982, 4 f.), wird andererseits auch die Ansicht vertreten, die Bestimmung stelle eine verfassungswidrige Enteignung dar, weil sie in bestehende Mietzinsvereinbarungen ohne zureichende Begründung eingreife (Kassowitz, Mietzinsherabsetzung gemäß § 44 Abs. 2 und 3 MRG und Bundesverfassung, ImmZ 1984, 156 f.).Der Gesetzgeber des Mietengesetzes hat aus historisch einsichtigen Beweggrunden die Freiheit der Vereinbarung über die Höhe des für in seinen Anwendungsbereich fallende Bestandobjekte zu entrichtenden Mietzinses eingeengt. Im Laufe von Jahrzehnten wurden, jeweils den Bedürfnissen der Zeit entsprechend, weitere Objekte in den Bereich der Beschränkung einer freien, von Angebot und Nachfrage bestimmten Preisbildung einbezogen. Nach einer Lockerung und einer Einschränkung (Mietrechtsänderungsgesetz BGBl. 281/1967, Mietengesetz-Nov. BGBl. 409/1974) lag ein Zustand vor, den der Gesetzgeber als einer grundlegenden Neuordnung bedürftig ansah. Der Gesetzgeber schränkte daher die Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses für die von der Neuordnung erfaßten Bestandobjekte generell auf den für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag ein und bestimmte zur besseren Transparenz für die häufigsten Wohnungstypen Obergrenzen (§ 16 Abs. 2 MRG), sah aber zugleich das grundsätzliche Ziel der Übergangsregelung in der schrittweisen und bestmöglichen Anpassung der bestehenden Altmietverträge an die Neuordnung. Dabei wurde nicht verkannt, daß diese Angleichung einerseits der schwierigste, andererseits aber auch der vordringlichste Teil der Übergangsregelung sei (RV 425 BlgNR 15. GP zum § 41). Schon die Regierungsvorlage sah in der Übergangsbestimmung des § 41 MRG vor, daß eine Anpassung der zur Zeit des Inkrafttretens des MRG wirksam vereinbarten Mietzinse stattfinden könne. Der Mieter einer Wohnung, für die nach der Neuregelung betragliche Obergrenzen für die zulässig zu vereinbarende Höhe des Mietzinses gelten, sollte, wenn der von ihm vor Inkrafttreten des MRG vereinbarte Hauptmietzins den Obergrenzbetrag um mehr als die Hälfte übersteigt, vom Vermieter verlangen können, daß der Hauptmietzins ab dem folgenden Zinstermin auf den nach § 13 Abs. 2 (des Entwurfes) angemessenen Hauptmietzins zuzüglich der Hälfte ermäßigt wird. Darüber sollte zunächst eine entsprechende Vereinbarung zustande kommen, geschah dies nicht innerhalb von drei Monaten, sollte der Hauptmieter seinen Anspruch auf Ermäßigung bei Gericht geltend machen können (§ 41 Abs. 1 Z 2 lit. a des Entwurfes zur Regierungsvorlage). Erst im Ausschuß fand der § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG seine endgültige Ausgestaltung. Nun hat das Begehren des Hauptmieters der Wohnung bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 44 Abs. 2 Z 1 und Z 2 MRG zur Folge, daß ab dem auf den Zugang des Begehrens an den Vermieter folgenden Zinstermin die früher getroffene Vereinbarung teilweise unwirksam wird. Sie bleibt nur insoweit aufrecht, als der Hauptmieter für die Wohnung nicht mehr als 150 vH des Hauptmietzinses zu leisten hat, den der Vermieter zulässig vereinbaren dürfte, hätte er die Wohnung nach dem 31. 12. 1981 vermietet.
Es ist nicht zu verkennen, daß damit in die bestehenden Mietverträge eingegriffen wird. Dies war auch die erklärte Absicht des Gesetzgebers. Dabei darf nicht übersehen werden, daß es sich bei der Miete von Wohnungen um Dauerschuldverhältnisse handelt, die auch sonst einer gewissen Anpassung und Veränderung nicht völlig entzogen sind. Daß der Gesetzgeber der Mietengesetz-Nov. BGBl. 409/1974 eine weniger weitgehende Übergangsregelung vorzog und keine Herabsetzungsmöglichkeit für die vor ihrem Inkrafttreten wirksam vereinbarten, nun der Obergrenzenbeschränkung auf 4 S pro m2 Nutzfläche unterliegenden Mietzins für bestimmte "Substandardwohnungen" vorsah, sondern nur einen als Vorbild für § 44 Abs. 1 MRG genommenen Eingriff in die bestehenden Verträge, sagt zur Frage der Zulässigkeit der nun im Zuge der umfassenden Neuordnung vorgesehenen Anpassungsmöglichkeiten nichts aus. Bestehende Rechtsansprüche sind nicht vom allgemeinen verfassungsrechtlichen Schutz erfaßt (so etwa VfSlg. 7423/1974; "Es gibt keine Bestimmung der Bundesverfassung, die dem einfachen Gesetzgeber grundsätzlich einen Eingriff in wohlerworbene Rechte verwehren würde"). Die Regelung hält sich streng an das rechtspolitische Ziel der Angleichung der bestehenden Altmietverträge an das Gesamtsystem der Neuordnung des Mietrechtes und soll die Kluft zwischen der früheren und der neuen Ordnung klein halten. Die Bestimmung des § 44 Abs. 2 und 3 MRG, die ein geeignetes Instrumentarium der Anpassung bietet und dem Vermieter ohnedies zugesteht, daß er um 50 vH mehr Bestandzins erhält, als es bei Auflösung des Mietverhältnisses durch den Altmieter und einer Neuvermietung möglich wäre, soll nur verhindern, daß der Altmieter aus der Sicht der als angemessen befundenen Obergrenzen der Kategoriemietzinse einen "überhöhten" Mietzins zu entrichten hat, wenn er nicht bereit oder in der Lage ist, das Bestandverhältnis zu beenden und sich anderwärts einzumieten. Da aber der Mieter jedenfalls den Vertrag kundigen kann, ist das Recht auf Leistung des frei vereinbarten Mietzinses an sich schon auf die Zeit beschränkt, für die der Mietvertrag besteht. Der Gesetzgeber hat sich bei der Übergangsregelung des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG an der schon zur Zeit des Abschlusses des Bestandvertrages dem Rechtsbestand angehörenden Einrichtung des § 934 ABGB und den Gedanken zum Konsumentenschutzgesetz (etwa AB 1223 BlgNR 14. GP zu § 935 ABGB) orientiert und deshalb eine Herabsetzung auf das Eineinhalbfache des neu festgelegten angemessenen Zinses zugelassen (RV 425 BlgNR 15. GP A II 4). Es liegt in dieser dem Mieter zugestandenen Gestaltungsbefugnis, die nicht herausgelöst, sondern im Gesamtsystem der Neuordnung eingebaut betrachtet werden muß, weder Willkür noch ein Exzeß des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber bewegt sich noch im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, die im Zweifel anzunehmen ist. Sie allzusehr zu beschränken, würde zur Starrheit der Rechtsverhältnisse führen und auch sinnvolle Neuordnungen hindern.
Es darf nicht übersehen werden, daß der den Vermieter, der im Einklang mit der bestehenden Rechtslage wirksam eine Vereinbarung über die Höhe des vom Mieter zu entrichtenden Mietzinses geschlossen hat und nun im Vertrauen auf das Gesetz enttäuscht ist, benachteiligenden Ermäßigungsmöglichkeit des Mieters nach § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG eine Reihe von Lockerungen der früheren Bindung der Mietzinshöhe an den im Jahr 1914 zu entrichtenden Mietzins gegenübersteht (etwa § 12 Abs. 3 MRG, § 46 Abs. 2 MRG), aber auch die Möglichkeit der Einhebung des Erhaltungsbeitrages nach § 45 MRG eine der Anpassung der bestehenden Verträge dienende Maßnahme darstellt. Sicher mag einem Vermieter die Neuordnung mehr Nachteile, dem anderen mehr Vorteile bringen. In jedem Fall handelt es sich, wenn ohnedies ein den gegenwärtig zu erzielenden Preis um die Hälfte übersteigendes Entgelt für die Gebrauchsüberlassung an den Altmieter aufrechtgehalten wird, nur um eine Eigentumsbeschränkung. Der Gesetzgeber darf eine Enteignung nur zulassen, wenn sie dem allgemeinen Besten - dem öffentlichen Wohl, dem öffentlichen Interesse - dient (VfSlg. 8326/1978, 8083/1977, 7321/1974 ua.). In Art. 5 StGG ist gefordert, daß eine Enteignung nur stattfinden darf, wenn sie durch das allgemeine Beste gerechtfertigt wird (VfSlg. 8212/1977, 7238/1973 ua.). Der erste Satz des Art. 5 StGG gilt zwar auch für Eigentumsbeschränkungen, doch kann der Gesetzgeber solche verfassungsrechtlich unbedenklich verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (VfSlg. 9189/1981, 8981/1980 ua.). Dies ist bei der im öffentlichen Interesse zum allgemeinen Besten gebotenen Übergangsregelung des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG aber nicht der Fall, weil sich diese Bestimmung in das ausgewogene Gefüge der Anpassung von Altrecht an das Neurecht einordnet und einen Teil der notwendigen und zielführenden Annäherung darstellt. Nach Art. 1 des (1.) ZP zur MRK müssen Eigentumsbeschränkungen auch im Allgemeininteresse liegen. An seiner Judikatur, daß Eigentumsbeschränkungen, die diesen Grundsätzen Rechnung tragen, nicht verfassungswidrig sind, hat der VfGH auch in seinem Erkenntnis vom 16. 12. 1983, G 46/82-15, festgehalten.
Den Eingriff in bestehende Verträge durch den einfachen Gesetzgeber, sofern er die umrissenen auch ihm gesetzten Grenzen nicht überschreitet, hat der VfGH als mit Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZPzMRK nicht unvereinbar bezeichnet (VfSlg. 8212/1977, 6390/1971). Auch ein Widerspruch zu Art. 7 B-VG ist nicht zu erkennen, weil die Regelung aus dem Tatsächlichen wohl gerechtfertigt ist und eine Überschreitung iS eines "Exzesses" nicht vorliegt. Die sachlich auf das Gesamtsystem abgestimmte Lösung der Anpassungsproblematik verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.
Der OGH vermag die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmung des § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände nicht zu teilen und sieht sich daher nicht veranlaßt, beim VfGH die Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung zu beantragen.
Wendet man aber § 44 Abs. 2 und Abs. 3 MRG an, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen für das Verlangen der Mieterin auf Ermäßigung des Hauptmietzinses iS des § 44 Abs. 2 MRG vorliegen. Sie ist Hauptmieterin einer vor Inkrafttreten des MRG gemieteten Wohnung, für die das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Z 2 bis 6 MRG im Zeitpunkt der Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses nicht einmal behauptet wurde, und hat nach der Vereinbarung einen Hauptmietzins von 3 202.20 S monatlich zu leisten. Der Betrag, der sich nach § 16 Abs. 2 MRG als Hauptmietzins(-Obergrenze) für die Wohnung nach ihrer Größe und Ausstattungskategorie bei Vertragsabschluß errechnet, beträgt hingegen nur 1 177.44 S. Der vereinbarte Hauptmietzins übersteigt diesen Betrag um mehr als die Hälfte.
Es ist dem Mieter überlassen, ob er vom Vermieter die Ermäßigung begehrt. In jedem Fall tritt die Ermäßigung erst mit dem Zugang des Ermäßigungsbegehrens ab dem darauffolgenden Zinstermin ein. Begehrt der Mieter die Ermäßigung erst später, wird die Vereinbarung über die Mietzinshöhe auch erst zu dem späteren Zeitpunkt teilunwirksam. Aufrecht bleibt nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 3 MRG nur der Teil der Vereinbarung, wonach ein den errechneten Betrag um nicht mehr als 50 vH übersteigender Mietzins zu entrichten ist.
So hat das Erstgericht den zulässig begehrten Hauptmietzins mit 1 766.16 S monatlich errechnet und eine Überschreitung von 1 436.04 S festgestellt, dabei aber übersehen, daß die Mieterin nach ihrer eigenen Behauptung in dem am 6. 4. 1982 bei der Gemeinde gestellten Antrag die Vermieter zu einer Ermäßigung auf 1 905.75 S aufgefordert hat und auch im Antrag nur die Entscheidung begehrte, daß für die Wohnung ein monatlicher Hauptmietzins von 1 905.75 S zulässig sei. Es ist nun nicht ausgeschlossen, daß der Mieter von dem ihm zustehenden Gestaltungsrecht eingeschränkt Gebrauch macht und von sich aus dem Vermieter einen Mietzins anbietet, der den Betrag nach § 16 Abs. 2 MRG um mehr als 50 vH übersteigt. Geht der Vermieter auf dieses Anbot ein, kann eine neue Mietzinsvereinbarung wirksam zustande kommen, sofern die Voraussetzung des § 16 Abs. 1 Z 7 MRG erfüllt ist, also das Mietverhältnis länger als ein halbes Jahr bestanden hat. Lehnt der Vermieter ab, so ist der Mieter an sein Anbot ferner nicht gebunden. Dies ist wohl auch dann der Fall, wenn der Vermieter auf das Ermäßigungsbegehren überhaupt nicht eingeht, weil er meint, es stehe dem Mieter nicht zu, eine Herabsetzung der vereinbarten Mietzinshöhe zu verlangen. Ist das Ermäßigungsbegehren nach seinem Inhalt so abgefaßt, daß deutlich wird, der Mieter mache von seinem gesetzlichen Recht vollen Gebrauch und liegt nur etwa ein Berechnungsfehler vor, wird es zur Teilunwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses in dem im § 44 Abs. 3 MRG umschriebenen Ausmaß kommen.
Die Unstimmigkeit zwischen dem von der Gemeinde errechneten Betrag von 1 766.16 S mit dem vom Feststellungsantrag erfaßten Betrag von 1 905.75 S hätte schon das Erstgericht veranlassen müssen, auf Aufklärung zu dringen und zu erheben, welches Begehren die Mieterin den Vermietern zugehen ließ, aus welchen Erwägungen sie nicht die volle Ermäßigung in Anspruch nahm und weshalb sie auch den Antrag nur auf Feststellung des zulässig einzuhebenden Hauptmietzinses mit 1 905.75 S richtete. Dazu hätte es einer mündlichen Verhandlung bedurft. Ohne diese Klarstellungen kann nicht der Antrag überschritten werden und ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich.
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