European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:E108827
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Erst‑ bis Viertantragsgegner sind schuldig, dem Antragsteller die mit 668,39 EUR (darin enthalten 111,39 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Sämtliche Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 708 GB *. In einem vor dem Erstgericht zu AZ 17 C 283/11t anhängig gewesenen Streitverfahren wurde festgestellt, dass der Antragsteller mangels Zustimmung aller Wohnungseigentümer nicht berechtigt gewesen sei, von ihm bereits durchgeführte Veränderungen vorzunehmen. Im vorliegenden außerstreitigen Verfahren begehrte der Antragsteller, dass die Zustimmung sämtlicher übrigen Liegenschaftseigentümer zu diesen Maßnahmen ersetzt werde.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Antragsgegner das Aufstellen von Blumenkisten auf den äußeren Fensterbrettern der Wohnung des Antragstellers und die Montage der Halterungen für die aufgestellten Blumenkisten zum Innenhof hin zu dulden hätten und ersetzte insoweit (dem Begehren des Antragstellers folgend) auch deren Zustimmung. Die weiteren Begehren des Antragstellers, die Antragsgegner hätten die Anbringung einer der Eingangstür zu seinem Wohnungseigentumsobjekt vorgelegten schmiedeeisernen Sicherheits‑Gittertüre und das Auflegen von Holzbrettern und Aufstellen von Pflanzentrögen auf der der Wohnung vorgelagerten Fläche zur Nutzung als Terrasse sowie das Aufstellen von Blumenkisten samt Montage von Halterungen auch an der Straßenfassade zu dulden, wies es ab.
Dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragsteller gab das Gericht zweiter Instanz Folge und sprach (unter Einschluss des unbekämpft gebliebenen Teils der erstgerichtlichen Entscheidung) aus, dass die Antragsgegner sämtliche vom Antragsteller vorgenommenen Veränderungen (hinsichtlich der Fläche in der Wohnung durch „Spezifizierung“ auf das in der Wohnung vorgelagerte Flachdach‑Drittel“) zu dulden hätten, und der Wert des Entscheidungsgegenstandes 10.000 EUR nicht übersteigt.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Zulassungsvorstellung der Erst- bis Viertantragsgegner gemäß § 63 Abs 1 AußStrG zu, weil ihm darin ein Verfahrensmangel vorgeworfen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.
1. Im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der eigenmächtigen Änderung, gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen, ist die Genehmigungsfähigkeit einer Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG nicht als Vorfrage zu prüfen, sondern ausschließlich die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderungen, ob sie also überhaupt § 16 Abs 2 WEG zu unterstellen sind (RIS‑Justiz RS0083156 [T1; T3; T5; T6; T14; T20]; RS0013665 [T15]; jüngst 5 Ob 73/14t). Über die Verpflichtung zur Duldung einer Änderung hat im Konfliktfall der Außerstreitrichter zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0083148). Bindungsfragen, wie sie die Revisionsrekurswerber im Zusammenhang mit dem im Streitverfahren zu AZ 17 C 283/11f ergangenen Urteil aufwerfen und zum Gegenstand ihrer Mängelrüge machen, stellen sich daher nicht.
2.1 Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen worden sind, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 53 Rz 4). Das Rekursgericht hat seiner rechtlichen Beurteilung zur Nutzung des Flachdachs den vom Erstgericht festgestellten Inhalt der Urkunde Beilage ./K zugrunde gelegt, deren Echtheit und Richtigkeit die Revisionsrekurswerbern im Verfahren erster Instanz nicht bestritten haben. Dass das Rekursgericht von diesen Feststellungen abgewichen wäre, machen die Revisionsrekurswerber gar nicht geltend. Schlussfolgerungen aus einem Urkundeninhalt begründen aber schon an sich keine Aktenwidrigkeit (RIS‑Justiz RS0043347 [T20]).
2.2 Wie der Umstand, dass sich die 17. und 18. Antragsgegner angesichts der aus Beilage ./K festgestellten Verpflichtung, die Nutzung eines Teils des Flachdachs im Fall eines Verkaufs der vis‑á‑vis gelegenen Wohnung deren Käufer zu überlassen, weder am erstinstanzlichen Verfahren noch am Rekursverfahren beteiligt haben, zu werten ist, stellt, wie generell die Auslegung von Prozessverhalten (vgl RIS‑Justiz RS0042828) eine Frage des Einzelfalls dar, die regelmäßig keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufwirft. Das Vorbringen, bei der Urkunde Beilage ./K handle es sich um einen Entwurf, verstößt gegen das Neuerungsverbot (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119918) und ist damit unbeachtlich.
2.3 Nach § 16 Abs 2 WEG 2002 ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen berechtigt, die weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zur Folge haben (Z 1). Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2). Als Teil der Außenhaut stellt das Flachdach einen allgemeinen Teil der Liegenschaft gemäß § 2 Abs 4 WEG 2002 dar (vgl 5 Ob 92/94 = WoBl 1995/63 [Markel]), weswegen es auch keine Fehlbeurteilung begründet, dass das Rekursgericht die vom Antragsteller daran vorgenommenen Änderungen einer inhaltlichen Beurteilung unterzogen hat, obwohl es ein Benutzungsrecht des Antragstellers an einem Teil dieser Fläche von den 17. und 18. Antragsgegnern ableitete. Dem Ergebnis dieser Beurteilung treten die Erst- bis Viertantragsgegner in ihrem Revisionsrekurs substanziert nicht mehr entgegen.
2.4 Der Antragsteller hat die Urkunde Beilage ./K mit dem Verweis auf die von ihm daraus abgeleitete Regelung der Nutzung des Flachdachs vorgelegt. Damit können sich die Revisionsrekurswerber aber auch nicht mehr darauf berufen, sie seien durch die Rechtsansicht des Rekursgerichts, das den vom Erstgericht festgestellten Inhalt dieser Urkunde rechtlich in diesem Sinn wertete, überrascht worden.
3.1 Für ihre Zulässigkeit einer Änderung nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 kommt es besonders darauf an, ob sie dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Dazu zählen auch Maßnahmen zum Schutz vor Einbrüchen (vgl zu § 9 MRG: RIS‑Justiz RS0112442). Ob diese der Übung des Verkehrs entsprechen und einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümer dienen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (vgl RIS‑Justiz RS0083309); dabei ist dem Rechtsanwender ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt (zuletzt 5 Ob 13/14v mwN).
3.2 Mit dem Verweis, keiner anderen Wohnungseingangstüre sei eine schmiedeeisernes Sicherheits-Gittertüre vorgestellt, zeigen die Revisionsrekurswerber keine solche Ermessensüberschreitung durch das Rekursgericht auf. In einem Mehrparteienhaus ist es auch bei Installation einer Türsprechanlage und einem versperrten Stiegenaufgang geradezu unvermeidbar, dass hausfremde Personen in das Stiegenhaus gelangen. Die Gestaltung der schmiedeeisernen Gittertür war im Verfahren erster Instanz kein Streitpunkt und ist durch Lichtbilder dokumentiert, auf die sich das Rekursgericht stützen konnte. Dessen Ansicht, dass ein Voranstellen einer solchen Gittertür dem Gesamterscheinungsbild eines gepflegten Altbaus eher entspricht als der Austausch der dahinter befindlichen Holz-Doppelflügeltür gegen eine Metallsicherheitstür moderner Bauart, ist lebensnah und bedarf keiner Korrektur.
3.3 Auch im Umfang der beantragten Duldung von Blumenkisten auf den äußeren Fensterbrettern der Wohnung des Antragstellers und der Montage der dafür erforderlichen Halterungen, kommt der Entscheidung des Rekursgerichts keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Dabei begründet es kein Überschreiten des ihm eingeräumten Ermessens, wenn es in dieser Maßnahme keine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Hauses zu erkennen vermochte.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0122294). Der Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 RATG beträgt jedoch nur 20 %.
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