OGH 5Ob720/80

OGH5Ob720/8027.1.1981

SZ 54/11

Normen

ABGB §1009
ABGB §1017
ABGB §1009
ABGB §1017

 

Spruch:

Wer vom wahren Vertragspartner wegen Erfüllung seiner vertraglichen Leistungen in Anspruch genommen wird, kann sich nicht auf eine nichtexistierende Handelsgesellschaft, unter deren Firma der wahre Vertragspartner auch aufgetreten ist, als Vertragspartner berufen und das Forderungsrecht des wahren Vertragspartners mit dieser Begründung verneinen

OGH 27. Jänner 1981, 5 Ob 720/80 (OLG Linz 4 R 87/80; KG Steyr 1 Cg 196/79)

Text

Die klagende GesmbH wurde 1976 mit der Firma "K Ärztebedarfhandelsgesellschaft mbH" ins Handelsregister eingetragen und trägt seit 14. Feber 1980 die Firma "K Medizintechnik und Elektronik Gesellschaft mbH". Sie hat ihren Sitz in A, unterhält ein Büro im 8. Wiener Bezirk und betreibt ein Leiterplattenwerk in S. Ihr alleiniger Geschäftsführer ist Helmut F, ihr "Salesmanager" Robert H. Seit 1978 verwendet die klagende Gesellschaft im Geschäftsverkehr auf ihren Geschäftspapieren (Briefen, Fakturen, Lieferscheinen u. dgl.) im Kopf den Aufdruck "K Gesellschaft mbH und K Leiterplattenwerk Gesellschaft mbH, Büro 1080 Wien, Z-Gasse 1, Werk: S, B- Straße 14".

Als die beklagte GesmbH Printplatten benötigte, wandte sich ihr Geschäftsführer Ing. B zunächst telefonisch an den ihm schon früher bekannt gewordenen "Salesmanager" Robert H, nachdem er von anderen Bauteilherstellern erfahren hatte, daß der Genannte bei der "Firma K" tätig sei. Ing. B bestellte dann namens der beklagten Gesellschaft bei der von ihm als "K Leiterplattenwerk GesmbH" bezeichneten Gesellschaft unter der Anschrift Z- Gasse, 1080 Wien, verschiedene Printplatten und sandte dorthin an die "Firma K" auch die zur Herstellung der Platten erforderlichen Filme. Die mit den von der klagenden Gesellschaft hergestellten und ausgelieferten Printplatten der beklagten Gesellschaften zugekommenen Lieferscheine trugen den Stampiglienaufdruck: "K Leiterplattenwerk GesmbH, B-Straße 14, S", und die von der klagenden Gesellschaft gelegten Rechnungen waren mit dem oben angegebenen Aufdruck versehen.

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anwalt der beklagten Gesellschaft im Zuge der Vorbereitung einer Klageführung entdeckte, daß es keine GesmbH mit dem Firmenwortlaut "K Gesellschaft mbH" oder "K Leiterplattenwerk GesmbH" gibt, wohl aber eine solche mit dem Firmenwortlaut, den die Klägerin führt, im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien eingetragen ist, war der Geschäftsführer der beklagten Gesellschaft, Ing. B, der Meinung, der Vertragspartner der von ihm vertretenen Gesellschaft habe die Firma "K Leiterplattenwerk GesmbH" und den Sitz in S. Die klagende Gesellschaft begehrte mit der vorliegenden Klage die Verurteilung der beklagten Gesellschaft zur Zahlung von zuletzt 121 999.35 S samt Verzugszinsen und behauptete, es handle sich dabei um den noch aushaftenden Restkaufpreis für bestellungsgemäß gelieferte Printplatten.

Die beklagte Gesellschaft beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete in erster Linie ein, daß sie nicht mit der Klägerin, sondern mit einer - nicht existierenden - "K Leiterplattenwerk GesmbH" in Geschäftsverbindung gestanden sei. Diese GesmbH habe mangelhafte Printplatten geliefert und die ihr zur Verfügung gestellten Printvorlagen nicht herausgegeben, so daß infolge der Notwendigkeit zur Herstellung neuer Printvorlagen Kosten aufgelaufen seien, die in der Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise geltend gemacht werden.

Die klagende Gesellschaft hat hilfsweise behauptet, allenfalls einer - nicht existierenden - "K Leiterplattenwerk GesmbH" aus der Lieferung von Printplatten an die Beklagte entstandene Forderungen seien ihr, der Klägerin, abgetreten worden. Dieses Vorbringen wurde vom Erstgericht mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich um eine Klageänderung, die eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens herbeiführen würde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, es ermangle der Klägerin die aktive Klagelegitimation: Robert H und Helmut F seien für eine nicht existierende "K Leiterplattenwerk GesmbH" aufgetreten, so daß allfällige Ansprüche aus dem Rechtsgeschäft mit der Beklagten von diesen beiden Personen, nicht aber von einem beliebigen Dritten geltend gemacht werden könnten.

Das von der Klägerin angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und führte dazu im wesentlichen folgende Gründe an: Vor der Eintragung ins Handelsregister bestehe eine GesmbH nicht; werde vor diesem Zeitpunkt im Namen der Gesellschaft gehandelt, so seien die Handelnden zur ungeteilten Hand haftbar (§ 2 Abs. 2 GmbHG). Dieser Haftungsfall sei ein Sonderfall der Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (Art. 8 Nr. 11 EVHGB); habe der Vertragspartner gewußt oder wissen müssen, daß die GesmbH mangels Eintragung noch nicht existiere, so komme die Haftung nach der Anordnung des § 2 Abs. 2 GmbHG nicht in Betracht. Ob es zu dieser Haftung als Korrelat auch ein Recht des Handelnden in dem Sinne gebe, daß er in die Rechte der zu grundenden Gesellschaft eintreten dürfe und eigene Ansprüche aus den namens der Gesellschaft geschlossenen Rechtsgeschäften erlangen könne, könne dahingestellt bleiben, obwohl die Ablehnung eigener Ansprüche wohl "richtiger" zu sein scheine, denn die Vertretungshandlungen wirkten nicht für den Vertreter selbst, weil dieser im fremden Namen gehandelt habe und sein Wille auf Abschluß für den scheinbar Vertretenen, nicht aber auf ein Eigengeschäft gerichtet gewesen sei. Das der Gesellschaft zugedachte Geschäft würde dann erlöschen. Auch das ergänzende Vorbringen, es sei die Forderung abgetreten worden, würde im Falle seiner Zulassung der Klägerin nichts nützen, denn eine nicht existierende Gesellschaft könne keine Forderungen abtreten. Mit diesem Standpunkt der Klägerin stehe auch die Aussage ihres Geschäftsführers Helmut F in Widerspruch, seiner Meinung nach habe die Beklagte von Anbeginn erkannt, daß die Klägerin ihr realer Geschäftspartner sei. Ein Versionsanspruch der Klägerin nach § 1041 ABGB komme ebensowenig in Betracht - die Klägerin behaupte ja, daß sie selbst geleistet habe - wie ein Anspruch nach § 1431 ABGB, dessen Anwendungsvoraussetzungen von der Klägerin nicht behauptet worden seien und offenbar auch nicht zuträfen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach dem von den Vorinstanzen angenommenen Sachverhalt ist die durch ihren alleinigen Geschäftsführer Helmut F und durch ihren "Salesmanager" Robert H vertreten gewesene klagende GesmbH der beklagten Gesellschaft gegenüber nicht mit dem ihr nach der Satzung zugestandenen (damaligen) Firmenwortlaut "K Ärztebedarfhandelsgesellschaft mbH" in Erscheinung getreten, sondern teils, nämlich in ihren Geschäftsbriefen und Rechnungen, unter der Firma "K Gesellschaft mbH und K Leiterplattenwerk GesmbH" und teils, nämlich in ihren Lieferscheinen, nur unter der Firma "K Leiterplattenwerk GesmbH".

Die für die Klägerin in dieser Form gegenüber dem organschaftlichen Vertreter der beklagten Gesellschaft aufgetretenen genannten Personen haben dadurch ein Verhalten gesetzt, das nach den Regeln des geschäftlichen Verkehrs Zweifel erwecken mußte, wer nun der wahre Vertragspartner ist, eine Personengesellschaft, bestehend aus den beiden Gesellschaften "K Gesellschaft mbH" und "K Leiterplattenwerk GesmbH", oder beide Gesellschaften in rechtlicher Selbständigkeit, aber in vertraglicher Stellung als Mitverkäufer, oder - wie die Lieferscheine zeigen, die allerdings offenlassen, ob es sich hiebei nicht bloß um den Lieferanten handelt, der für den wahren Vertragspartner erfüllt - nur die - in Wahrheit nicht bestehende - "K Leiterplattenwerk GesmbH"? Aus diesem Gründe ist die subjektive (innere) Meinung des Geschäftsführers der Beklagten, der Vertragspartner habe die Firma "K Leiterplattenwerk GesmbH", eine rein willkürliche und aus den objektiven Gegebenheiten nicht zwingend veranlaßt.

Dem von den Vorinstanzen angenommenen Sachverhalt und den in den Akten erliegenden Bestellscheinen der Beklagten vom 3. Jänner 1979 zufolge hat die Beklagte sich an ihren Vertragspartner teils mit der Anschrift "Fa. K" und teils mit der Bezeichnung "K Leiterplattenwerk GesmbH" gewendet und offenkundig nicht auf Klarstellung gedrängt, wer nun wirklich ihr Vertragspartner ist bzw. wer sich als wahrer Vertragspartner hinter den angegebenen verschiedenen Firmen verbirgt. Die Angabe ihres organschaftlichen Vertreters, des Geschäftsführers Ing. B, im Zuge seiner Vernehmung als Partei in diesem Verfahren gar nicht näher überlegt bzw. überhaupt nicht daran gedacht zu haben, ob es ihm besonders auf die Vertragspartnerschaft der - nicht existierenden - "K Leiterplattenwerk GesmbH" angekommen oder gleichgültig gewesen wäre, mit einer anderen GesmbH, einer OHG oder sonst einem anderen Partner zu kontrahieren, bestätigt deshalb nur die Richtigkeit der sich bei der dargestellten Sachlage aufdrängenden Schlußfolgerung, daß es ihm bei Vertragsschluß offenbar gleichgültig gewesen ist, wer der wahre Vertragspartner der von ihm vertretenen Gesellschaft ist, zumal ein ihm in dieser Hinsicht etwa bedeutungsvoll erschienener Umstand (besondere Kreditwürdigkeit oder Leistungsfähigkeit des Partners) nicht hervorgekommen ist und auch nicht von der Beklagten behauptet wurde. Die für die Klägerin unter den dargestellten verschiedenen und mehrere Deutungsmöglichkeiten offenlassenden Firmen handelnden Vertretungspersonen durften deshalb mit Recht annehmen, die Beklagte verzichte auf die Offenlegung des wahren Vertragspartners und begnüge sich mit jenem Partner, den das Geschäft schließlich tatsächlich mit allen Rechten und Pflichten trifft, "den es also angeht". Da allgemein anerkannt wird, daß der Offenlegungsgrundsatz, der den Geschäftspartner vor unliebsamen Überraschungen über die Person desjenigen schützen soll, demgegenüber er berechtigt und verpflichtet ist (Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 25), verzichtbar ist (Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 151), kann sich die beklagte Gesellschaft nun, weil sie von dem wahren Vertragspartner auf Erfüllung ihrer - angeblich noch nicht erbrachten - vertraglichen Leistungen in Anspruch genommen wird, nicht - ausgerechnet - auf eine nicht existierende GesmbH, unter deren Firma der wahre Vertragspartner auch aufgetreten ist, als "Vertragspartner" berufen und das Forderungsrecht des wahren Partners mit dieser Begründung verneinen. Vernünftigerweise kann niemand ein schutzwürdiges Interesse daran haben, mit dem zu kontrahieren, den es gar nicht gibt.

Da sich das Gericht erster Instanz nicht mit dem Bestand der Klageforderung und den von der Beklagten erhobenen Einwendungen und Gegenforderungen befaßt hat, ist die Rechtssache noch nicht spruchreif, so daß sie unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen werden muß.

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