OGH 5Ob69/91

OGH5Ob69/9118.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Chrisine D*****, Hausfrau,

2.) Dr. Philippe D*****, Angestellter, beide *****, beide vertreten durch Dr. Udo Kaiser, Rechtsanwalt in Wien,

3.) Miroslava I*****, Hausfrau, 4.) Dipl.Ing. Peter I*****, Kaufmann, beide *****, wider die Antragsgegner 1.) Dr. Jutta S*****, Fachärztin, 2.) Dr. Hans S*****, Facharzt, beide *****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, 3.) G***** AG, *****, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses der Erst- und Zweitantragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 31. Jänner 1991, GZ 47 R 799/90-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 27. August 1990, 3 Nc 196/89-14 (idF ON 16), bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird eine neue Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Parteien sind die Miteigentümer der Liegenschaft Wien *****. Auf dieser Liegenschaft wurde auf Grund der Baubewilligung vom 7.5.1979 ein Wohnhaus mit 4 Wohnungen und einer unterirdischen Garage mit 5 Autoabstellplätzen errichtet. Die Miteigentümer sind sich einig, daß an allen vier Wohnungen Wohnungseigentum begründet werden soll; uneinig sind sie darüber, ob im Sinne des § 1 Abs 2 WEG mit der selbständigen Wohnung der Erst- und Zweitantragsteller ein Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug und mit jeder der vier Wohnungen ein Teil des Hausgartens im Wohnungseigentum stehen soll.

In dem seinerzeitigen Verfahren 5 Msch 45/85 des Bezirksgerichtes Döbling wurden die Nutzwerte gemäß § 3 Abs 1 WEG rechtskräftig in der Weise festgesetzt, daß die Gartenflächen unberücksichtigt blieben und die Autoabstellplätze als Zubehörwohnungseigentum bei den einzelnen Wohnungen, ausgenommen derjenigen der Erst- und Zweitantragsteller (Wohnung B), berücksichtigt wurden. Dem lag die unbekämpfte Feststellung zugrunde, daß die Erst- und Zweitantragsteller die ihnen gebotene Möglichkeit des "Ankaufes eines Garagenanteiles" nicht nutzten, wogegen die anderen Miteigentümer für die Errichtung der Garagenplätze eigens bezahlt hätten.

Wohnungseigentum wurde bisher nicht begründet.

Die Erst- und Zweitantragsteller begehrten nunmehr - mit Zustimmung der Dritt- und Viertantragsteller - die Erlassung einer gerichtlichen Benützungsregelung dergestalt, daß den Erst- und Zweitantragstellern die dauernde Benützung eines Garagenabstellplatzes gewährt werden möge.

Die Antragsgegner sprachen sich unter Hinweis auf die Ergebnisse des Nutzwertfestsetzungsverfahrens gegen dieses Begehren aus.

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragsteller ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die H***** Baugesellschaft mbH richtete im November 1978 an die Erst- und Zweitantragsteller ein "Kaufanbot" betreffend dieses Bauprojekt, enthaltend Grundkosten und Baukosten sowie die Zahlungsbedingungen. Darin war auch der Preis für einen unterirdischen Garagenplatz mit voraussichtlich S 170.000,-- bzw. bei Errichtung von mindestens 6 Garagen von S 160.000,-- genannt. Die Erst- und Zweitantragsteller "kauften" daraufhin das Haus, gaben jedoch nicht die Errichtung eines Garagenplatzes in Auftrag. Auch später kauften sie einen solchen nicht.

Nach der Fertigstellung des Hauses zeigten sich die Erst- und Zweitantragsteller mit der Ausführung nicht zufrieden und beantragten ein Beweissicherungsverfahren. Als in weiterer Folge die H***** BaugesmbH keine Schlußrechnung im Sinne der Ö-Norm legte, ließen die Erst- und Zweitantragsteller durch einen Architekten eine Ersatzschlußrechnung erstellen. Dieser Schlußrechnung war der Pauschalpreis des schlüsselfertigen Hauses zuzüglich der Kosten eines Garagenabstellplatzes zugrunde gelegt. Nach den Berechnungen des Architekten hätten die Erst- und Zweitantragsteller eine Überzahlung von 233.291,87 S geleistet. Diese Schlußrechnung wurde von der H***** Baugesellschaft mbH nicht anerkannt.

Die anderen Miteigentümer der Liegenschaft hatten für die Garagenplätze die von der H***** BaugesmbH begehrten Beträge entrichtet.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß zwar entgegen der Ansicht der Antragsgegner durch die Entscheidung im Nutzwertfestsetzungsverfahren die rechtsgestaltende Benützungsregelung nicht ausgeschlossen werde, doch habe diese Benützungsregelung im Rahmen des billigen Ermessens zu erfolgen. Der Umstand, daß andere Miteigentümer zur Errichtung der Garagenplätze beigetragen hätten, die Erst- und Zweitantragsteller jedoch nicht, ließe es als unbillig erscheinen, ihnen nun im Wege der Benützungsregelung dennoch die Nutzung eines solchen Garagenplatzes zu verschaffen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht stellte auf Grund der im Akt erliegenden Urkunden ergänzend fest, daß einerseits die Erst- und Zweitantragsteller, andererseits die H***** Baugesllschaft mbH Miteigentumsanteile vom ursprünglichen Alleineigentümer der Liegenschaft, der prot Firma G*****, mit Kaufverträgen je vom 15. und 20.12.1978 erwarben. Die Bauausführung erfolgte durch die H***** BaugesmbH, welche den Erst- und Zweitantragstellern bereits vor diesen Kaufverträgen das vom Erstgericht festgestellte Anbot gemacht hatte. Die weiteren Miteigentümer sind Rechtsnachfolger der H***** BaugesmbH bzw. einer anderen seinerzeitigen Miteigentümerin.

Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen der gerügten Aktenwidrigkeiten. Die Nichtdurchführung der von den Rechtsmittelwerbern für die Behauptung angebotenen Beweise, auch sie hätten - entgegen der erstgerichtlichen Feststellung - mit der H***** BaugesmbH eine Vereinbarung über den Erwerb eines Garagenplatzes getroffen und die entsprechenden Zahlungen geleistet, stelle aus folgenden Gründen keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar:

Selbst wenn man nämlich von der Antragsbehauptung ausginge, auch Erst- und Zweitantragsteller hätten einen Garagenplatz finanziert, d.h. einen diesbezüglichen Werkvertrag mit der H***** BaugesmbH geschlossen, wäre für die Rekurswerber nichts gewonnen. Die rechtliche Situation wäre demnach so, daß sämtliche Miteigentümer mit der H***** BaugesmbH Werkverträge auch in Ansehung zu schaffender Garagenplätze abgeschlossen hätten. Da diese jedoch faktisch nur den übrigen Eigentümern überlassen worden seien, wären diese Verträge in Ansehung der Erst- und Zweitantragsteller durch die Baufirma nicht erfüllt worden. Damit könne aber letzteren als Vertragspartnern gegenüber der Baufirma nur ein Anspruch auf Vertragserfüllung bzw. ein solcher auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung zustehen. Derartige Ansprüche müßten aber durch Klage gegen den in Leistungsverzug befindlichen Vertragspartner durchgesetzt werden. Eine Schadloshaltung gegenüber den übrigen Miteigentümern im Rahmen einer Benützungsregelung sei ausgeschlossen.

Rechtlich beurteilte das Rekursgericht den festgestellten Sachverhalt wie folgt:

Zwischen sämtlichen seinerzeitigen Miteigentümern und der H***** BaugesmbH seien (abgesehen vom Erwerb der Eigentumsanteile an der Liegenschaft) Werkverträge abgeschlossen worden, die sich in Ansehung der Erst- und Zweitantragsteller lediglich auf den Bau des "Hauses" bezogen hätten, wogegen die Werkverträge der übrigen Miteigentümer auch die bauliche Schaffung von Garagenplätzen zum Gegenstand gehabt hätten. Daraus folge, daß die fünf Garagenplätze durch entsprechende Aufträge der übrigen Miteigentümer finanziert und errichtet worden seien. Aus der Miteigentumsgemeinschaft allein könnten daher Ansprüche auf einen Garagenplatz im Rahmen einer Benützungsregelung für die Erst- und Zweitantragsteller nicht abgeleitet werden. Die Zuweisung eines solchen Garagenplatzes an sie, die zwangsläufig einen Eingriff in die durch die Werkverträge erworbenen Rechte der anderen Miteigentümer zur Folge hätte, könne im Benützungsregelungsverfahren nicht in Frage kommen. Ein sonstiges für ein Benützungsregelungsverfahren relevantes Vorbringen dahingehend, daß die ihnen zustehende Nutzung der Baulichkeiten ihren aus dem Miteigentumsanteil zustehenden Nutzungsmöglichkeiten nicht entspreche, sei nicht gemacht worden.

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses sei gegeben, weil zur Frage des Einflusses von Verträgen mit Dritten auf eine Benützungsregelung zwischen Miteigentümern keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsteller mit dem Antrag, die angefochtene Rekursentscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Antrag Folge gegeben werde; hilfsweise stellten die Rechtsmittelwerber einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die von den Rechtsmittelwerbern behauptete Aktenwidrigkeit (in Wahrheit der Versuch, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung zu bekämpfen) ist, wie eine Überprüfung des Aktes durch den Obersten Gerichtshof zeigte, nicht gegeben (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Zur Rechtsfrage ist - aus Zweckmäßigkeitsgründen vor Behandlung der im Revisionsrekurs gerügten Mängel des rekursgerichtlichen Verfahrens - folgendes auszuführen:

Gegenstand des Nutzwertfestsetzungsverfahrens war die Gewinnung von Zahlenwerten im Sinne des § 5 WEG zum Zweck der nachfolgenden Feststellung der Mindestanteile der Wohnungseigentümer an der Gesamtliegenschaft im Sinne des § 3 Abs 1 WEG. Dies ist etwas anderes als die rechtsgestaltende Schaffung einer Benützungsregelung zwischen (noch) schlichten Miteigentümern, wie es Gegenstand dieses Verfahrens ist. Die Rechtskraft der Entscheidung im Nutzwertfestsetzungsverfahren hindert daher - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten - nicht die sachliche Entscheidung im Benützungsregelungsverfahren.

Bindungswirkung der Entscheidung im Nutzwertfestsetzungsverfahren bestünde im Verfahren zur Benützungsregelung dann, wenn die Entscheidung des erstgenannten Verfahrens über eine Vorfrage des zweitgenannten Verfahrens rechtskräftig abgesprochen hätte. In diesem Fall wäre das Gericht im Verfahren betreffend die Benützungsregelung bei Beurteilung der Vorfrage an die zwischen den Parteien ergangene rechtskräftige Entscheidung im Nutzwertfestsetzungsverfahren gebunden. Eine solche Bindung besteht aber gleichfalls nicht, weil die der Rechtskraft fähige Entscheidung im Vorverfahren, nämlich die Festsetzung der Nutzwerte, für sich genommen keine Vorfrage im Benützungsregelungsverfahren ist. Es besteht lediglich ein gewisser Sinnzusammenhang (zu diesem Begriff Fasching, Lehrbuch2 Rz 1519) insofern, als in beiden Fällen das Verhalten der Streitteile in der Errichtungsphase des Hauses und der Garagen (Auftrag zur Garagenerrichtung, Zahlung der entsprechenden Baukosten) von Bedeutung ist. Ein solcher bloßer Sinnzusammenhang hat aber keine Bindungswirkung zur Folge.

Benützungsregelung unter Miteigentümern ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder ihrer körperlich begrenzten Teile zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder zumindest auf längere Zeit gedachten Benützung an die Teilhaber und die allfällige Festsetzung einer Entgeltleistung für eine den jeweiligen Anteil übersteigende Benützung (Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 835). Im Gesetz ist nicht ausdrücklich angeordnet, nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten die Benützungsregelung zu erfolgen hat. Nach Lehre und Rechtsprechung hat jeder Miteigentümer grundsätzlich auf eine annähernd seinem Miteigentumsanteil entsprechende Nutzung der Sache Anspruch, wenngleich auch andere Umstände (dringender persönlicher Bedarf; persönliche und familiäre Verhältnisse etc.) zu berücksichtigen sind, so daß nicht jedem Mitgenossen ein seiner Eigentumsquote entsprechender Teil der Sache zur alleinigen Benützung zugewiesen werden muß (Gamerith aaO, Rz 7 zu § 835). Es handelt sich daher auch bei der Benützungsregelung durch das Gericht im wesentlichen um eine von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung.

Diese Billigkeitserwägungen erfordern aber - wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten -, daß die auf der gemeinsamen Liegenschaft errichteten Garagenplätze denjenigen Miteigentümern zugewiesen werden, die in der Errichtungsphase nicht nur den Wunsch nach Erwerb einer Wohnung, verbunden mit ihrem (ziffernmäßig vorläufigen) Miteigentumsanteil, äußerten, sondern auch den nach einem Garagenplatz, und welche die hiefür aufgelaufenen Kosten trugen. Sollten daher die Erst- und Zweitantragsteller damals gegenüber dem Bauführer, der gleichzeitig neben den Erst- und Zweitantragstellern Miteigentümer mit anderen Anteilen an dieser Liegenschaft war, keinen Garagenplatz beansprucht und demgemäß hiefür auch nichts bezahlt haben, widerspräche es grob dem für eine Benützungsregelung maßgebenden Grundsatz der Billigkeit, ihnen bloß auf Grund der - noch dazu bloß vorläufigen - Größe der Miteigentumsanteile ein solches Benützungsrecht zuzuerkennen.

Es ist daher entscheidungswesentlich, welche Vereinbarungen die Rechtsmittelwerber mit der H***** BaugesmbH trafen, der in der Errichtungsphase des Bauwerkes (umfassend Wohnungen und unterirdische Garage) zum überwiegenden Teil die Miteigentumsanteile an dieser Liegenschaft zukamen und die im eigenen Namen und für die anderen Miteigentümer die Bauarbeiten durchzuführen hatte. Es handelt sich daher bei diesen Vereinbarungen nicht nur um einen Werkvertrag von Liegenschaftseigentümern mit einem beliebigen, außenstehenden Baumeister (= "Dritten" nach der Diktion des Rekursgerichtes), sondern um Vereinbarungen der Miteigentümer untereinander betreffend die Errichtung der Baulichkeiten, die Kostenübernahme hiefür und demgemäß die spätere Zuweisung der einzelnen Teile je nach Vereinbarung und Kostenübernahme zur alleinigen Benützung eines Miteigentümers und schließlich in dessen Wohnungseigentum. Aus dem Inhalt dieser Vereinbarung folgt, wieviele Garagenplätze den einzelnen Miteigentümern (und damit ihren Rechtsnachfolgern) zukommen.

Ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ließ das Rekursgericht die den Inhalt dieser Vereinbarungen mit der H***** BaugesmbH betreffenden Rügen von Mängeln des Verfahrens erster Instanz unerledigt, so daß die diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen derzeit keine ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellen. Der Oberste Gerichtshof kann seine Entscheidung nur auf Grund solcher Tatsachen treffen, die vom Gericht zweiter Instanz auf Grund eines mängelfreien Verfahrens dessen Entscheidung zugrunde gelegt waren.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben.

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