Spruch:
Der Teilnehmer an einem Preisausschreiben (hier Architektenwettbewerb) hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Preisvergabe an eine nicht teilnahmeberechtigte Person, wenn für ihn nach den zugrunde liegenden Bedingungen dann die konkrete Möglichkeit besteht, den Preis selbst zu erlangen.
OGH 22. September 1981, 5 Ob 638/81 (OLG Innsbruck 2 R 24/81; LG Innsbruck 10 Cg 556/80)
Text
Der Kläger ist Architekt und nahm an dem von der beklagten Verwaltungsgemeinschaft Bezirkskrankenhaus L ausgeschriebenen Wettbewerb teil. Es handelte sich um einen baukünstlerischen Wettbewerb, dessen Ziel die Erlangung von Entwürfen von Neubauten für die Erweiterung des Bezirkskrankenhauses L im Sinne des Tiroler Krankenanstaltenplanes/Ausgabe Dezember 1976 war. Die Ausschreibungsbedingungen wurden in der Wettbewerbsausschreibung der Verwaltungsgemeinschaft Bezirkskrankenhaus L festgelegt. Der Wettbewerb wurde von der Ingenieurkammer für Tirol und Vorarlberg/Sektion Architekten am 27. Juni 1979 freigegeben. Der Wettbewerb unterlag gemäß Punkt 0.03 der Wettbewerbsausschreibung für Auslober und Teilnehmer der Wettbewerbsordnung der Architekten, herausgegeben von den österreichischen Ingenieurkammern, bestätigt mit Erlaß des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 19. Juni 1953, Zl. 38 249-I/1-1953, ohne Vorbehalt.
Punkt 0.03 der Wettbewerbsausschreibung lautet weiters:
"... Die Teilnehmer unterwerfen sich durch die Teilnahme den hier niedergelegten Wettbewerbsbedingungen und dem Urteilsspruch des Preisgerichtes.
Die Beschreitung des Rechtsweges gegen die Entscheidung des Preisgerichtes ist ausgeschlossen."
Punkt 0.05 der Wettbewerbsausschreibung lautet:
"Zum Wettbewerb nicht zugelassen sind: .... c) Alle Personen, die an der Vorbereitung und Ausarbeitung der Wettbewerbsunterlagen beteiligt waren, die Vorprüfer, Preisrichter und Ersatzpreisrichter, deren Eltern, Ehegatten, Geschwister und Kinder, sowie Teilhaber, Angestellte oder dienstlich Unterstellte, aller zuvor genannten Personen."
Nach der Vorbemerkung der Wettbewerbsordnung der Architekten, die die "Grundsätze für das Verfahren bei Wettbewerben auf dem Gebiet der Baukunst" enthält, schafft die Ausschreibung eines Wettbewerbes zwischen Ausschreiber und Teilnehmer ein Vertragsverhältnis, das auf den "Grundsätzen" und der Wettbewerbsausschreibung samt den Unterlagen aufgebaut ist.
Zur Regelung des Verfahrens bei Wettbewerben auf dem Gebiet der Baukunst hat die Architektensektion der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland die folgenden "Grundsätze" aufgestellt, zu deren Befolgung die Mitglieder der Ingenieurkammern als Preisrichter und als Teilnehmer verpflichtet sind.
Der Wettbewerbsausschuß ist dazu berufen, in allen Wettbewerbsangelegenheiten besonders bei der Wahl der Wettbewerbsart, bei der Bildung des Preisgerichtes, bei der Festsetzung der Preise und anderem Rat zu erteilen. Deshalb ist seine Zuziehung schon bei der Vorbereitung der Ausschreibung empfehlenswert. Bei allen Wettbewerben ist daher ein Vermerk darüber, daß diese Zuziehung erfolgt ist, in die Ausschreibung aufzunehmen.
Die Architektensektionen bzw. die Fachgruppen der Architekten behalten sich ausdrücklich in Übereinstimmung mit den Standesvorschriften vor, ihre Mitwirkung bei Wettbewerbsausschreibungen, welche diesen "Grundsätzen" nicht entsprechen, abzulehnen und für die Beteiligung ihrer Mitglieder zu sperren.
Ausnahmen von den Bestimmungen der "Grundsätze" sind nur in besonderen Fällen und nur im Einvernehmen mit den Sektionsvorständen bzw. den Fachgruppen der Architekten möglich.
Über die am 1., 2. und 3. Juli 1980 durchgeführte Beurteilung der eingelangten Projekte wurde eine Niederschrift verfaßt. Danach stellt der Vorsitzende nach Befragung der Preisgerichtsmitglieder fest, "daß niemand von den Mitgliedern des Preisgerichtes Kenntnis von den Wettbewerbsprojekten vor Zusammentritt des Preisgerichtes hatte und daß auch keine bewußte Beziehung zu einem der Projektanten besteht."
In diesem Wettbewerb erhielt den ersten Preis Architekt Dipl.-Ing. S, den zweiten Preis die Architekten Mag. Hubert und Dipl.-Ing. Michael P und den dritten Preis Architekt Dipl.-Ing. Ernst H zuerkannt. Als Preise für die besten eingereichten Entwürfe, sofern sie den Wettbewerbsbedingungen entsprachen, waren vorgesehen ein erster Preis von 800 000 S, ein zweiter Preis von 600 000 S, ein dritter Preis von 400 000 S und drei Anerkennungspreise (Ankäufe) von je 75 000 S, von denen einer auf den Kläger entfiel.
Am Wettbewerb nahm als Preisrichter Dipl.-Ing. Adalbert K teil, der der Stiefvater des dritten Preisträgers Architekt Dipl.-Ing. Ernst H ist.
Der dritte Preisträger Dipl.-Ing. Ernst H steht in aufrechter Teilhaber- und Bürogemeinschaft mit den zweiten Preisträgern, den Architekten Mag. Hubert und Dipl.-Ing. Michael P. Mit der am 24. September 1980 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß die Architekten Hubert und Michael P sowie Architekt Dipl.-Ing. Ernst H zur Teilnahme an diesem Wettbewerb nicht berechtigt waren, die Verleihung des zweiten und dritten Preises an die Vorgenannten gegen die Wettbewerbsbestimmungen verstößt und die Zuerkennung dieser Preise nichtig ist.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.
Die Rechtspersönlichkeit der Beklagten ergebe sich aus dem Tiroler Landesgesetz vom 1. Oktober 1963, LGBl. 42, betreffend die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften zum Betrieb der allgemeinen öffentlichen Krankenanstalten ... in L. Unzulässigkeit des Rechtsweges liege nicht vor, da sich die Bestimmung des Punktes 0.03 der Wettbewerbsausschreibung nur auf das Urteil des Preisgerichtes beziehe. Der Kläger fechte jedoch nicht dieses Urteil, sondern die Ausschreibung selbst, somit die Teilnahmeberechtigung der Architekten H und P sowie die Preiszuerkennung an diese, an. Die Passivlegitimation der Beklagten sei zu bejahen. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da bei einem Durchdringen mit seinem Begehren für ihn die Möglichkeit bestunde, zu einem Preisträger zu werden. Daß eine solche Feststellung nur gegenüber der Beklagten verlangt werden könne, liege auf der Hand. Das Klagebegehren sei dennoch abzuweisen, da die zweiten und der dritte Preisträger vom Wettbewerb nicht ausgeschlossen gewesen seien. In den "Grundsätzen" (der Wettbewerbsordnung) sei die Ausschlußbestimmung weiter gefaßt, und zwar seien nicht zugelassen der Vorprüfer, die Preisrichter und Ersatzpreisrichter sowie deren Angehörige, Teilhaber und Angestellte und bei Lehrpersonen deren Assistenten. Die Wettbewerbsordnung bestimme nur die Grundsätze, nach denen die Ausschreibung zu erfolgen habe. Beim Begriff Angehörige handle es sich um einen Begriff des normalen Sprachgebrauches, der juristisch nicht eindeutig abgrenzbar und daher legistisch als unbestimmter Gesetzesausdruck zu bezeichnen sei. Durch Punkt 0.05 der Wettbewerbsausschreibung der Beklagten sei - zulässigerweise - eine Präzisierung dieses Begriffes erfolgt. Daß mit dem Begriff Kind auch Stiefkinder erfaßt seien, sei zu verneinen. Der dritte Preisträger als Stiefkind eines Preisrichters sei demnach nicht als Teilnehmer ausgeschlossen. Demzufolge seien es auch die zweiten Preisträger nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge; es stellte in Abänderung des Ersturteils fest, daß die Architekten Hubert und Michael P sowie Architekt Dipl.-Ing. Ernst H zur Teilnahme an dem Wettbewerb nicht berechtigt gewesen seien und die Verleihung des zweiten und dritten Preises an sie gegen die Wettbewerbsbestimmungen verstoße, bestätigte aber die erstgerichtliche Abweisung des weiteren Begehrens auf Feststellung, daß die Zuerkennung der Preise an die Genannten nichtig sei. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige.
Die von der Beklagten in der Berufungsmitteilung vorgebrachten Einwände gegen die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtsweges für den gegenständlichen Anspruch durch das Erstgericht seien nicht stichhältig. Die Prüfung der Frage der Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges habe ausschließlich auf der Grundlage des Klagevorbringens zu erfolgen. Ohne Einfluß sei es, was der Beklagte einwende, und ob der erhobene Anspruch berechtigt sei, es komme nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben werde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen, da es sich bei der begehrten Feststellung, daß die zweiten und der dritte Preisträger am Wettbewerb nicht teilnahmeberechtigt gewesen seien, um ein gegen die Beklagte als ausschreibende Stelle gerichtetes Begehren handle. Die Entscheidung des Preisgerichtes, für welche nach der Wettbewerbsausschreibung die Beschreitung des Rechtsweges ausgeschlossen sei, sei nicht Gegenstand des gestellten Klagebegehrens. Angefochten werde nur die Entscheidung der Beklagten über die Zulassung der genannten Architekten zum Wettbewerb. Hierüber habe nicht das Preisgericht zu entscheiden (wohl aber durch Aufzeigen einer allenfalls gegebenen "bewußten Beziehung zu einem der Projektanten", die spätestens nach Eröffnung der Verfasserkuverts erkennbar sein müßte, die Entscheidungsgrundlage zu liefern), sondern die Beklagte als ausschreibende Stelle. Damit sei vom Erstgericht aber auch zutreffend die Passivlegitimation der Beklagten bejaht worden, denn die Beklagte sei nach Punkt 0.01 der Wettbewerbsausschreibung die ausschreibende Stelle und habe in dieser Ausschreibung die Teilnahmevoraussetzungen festgelegt und u.
a. bestimmt, daß Preise und Anerkennungspreise nur an den Teilnahmeberechtigten ausgezahlt werden (Punkt 0.07 Abs. 4 der Ausschreibung). Das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung sei gleichfalls gegeben. Nach der Wettbewerbsordnung, welche die Rechtsgrundlage für die gegenständliche Ausschreibung gewesen sei, falle die einem am Wettbewerb nicht Teilnahmeberechtigten zuerkannte Auszeichnung dem nächsten in der Reihenfolge zu, sodaß für den Kläger die durchaus konkrete Möglichkeit bestehe, bei Wegfall der zweiten Preisträger und des dritten Preisträgers im Falle einer neuerlichen Entscheidung des Preisgerichtes mit einem Preis bedacht zu werden, zumal sein Projekt mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet worden sei. Die Einwendung der Beklagten, daß der Kläger auf keinen Fall einen Preis erhalten hätte, nehme in unzulässiger Weise und entgegen der Wettbewerbsausschreibung die Entscheidung des Preisgerichtes vorweg.
Bis hierher sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes sohin nicht zu beanstanden. Nicht beigetreten werden könne jedoch der Ansicht des Erstgerichtes, insoweit es die Teilnahmeberechtigung der in Frage stehenden Projektanten am gegenständlichen Wettbewerb bejahe: Kernpunkt für die rechtliche Beurteilung sei zunächst die Frage, welche rechtliche Bedeutung der unter Punkt 0.05 lit. c der Wettbewerbsausschreibung der Beklagten enthaltenen Bestimmung, wonach Eltern, Ehegatten, Geschwister und Kinder von Preisrichtern und Ersatzpreisrichtern nicht teilnahmeberechtigt seien, in bezug auf die in der Wettbewerbsordnung ("Grundsätze für das Verfahren bei Wettbewerben auf dem Gebiet der Baukunst") unter Punkt II 2.1 letzter Absatz enthaltenen Bestimmung zukomme, nach deren Inhalt alle Personen, die Angehörige von Preisrichtern und Ersatzpreisrichtern seien, zum Wettbewerb nicht zugelassen seien, denn nach der unter Punkt 0.03 ("Rechtliche Grundlage") der Wettbewerbsausschreibung enthaltenen Erklärung unterliege der gegenständliche Wettbewerb für Auslober und Teilnehmer ohne Vorbehalt der vorbeschriebenen Wettbewerbsordnung der Architekten. Der Ansicht des Erstgerichtes, daß es sich bei der in der Wettbewerbsausschreibung vorgenommenen Anführung des nicht teilnahmeberechtigten Personenkreises um eine notwendige und zulässige Präzisierung des in den "Grundsätzen" enthaltenen allgemeinen Begriffes Angehörige mit der Wirkung handle, daß der Teilnahmeausschluß nur den dort genannten Personenkreis erfasse, könne nicht beigetreten werden. Wohl sei es richtig, daß es sich beim Begriff Angehörige um einen legistisch unbestimmten Ausdruck des normalen Sprachgebrauches handle, der einer näheren Auslegung und Präzisierung bedürfe. Beim Hinweis auf Beispielsfälle in verschiedenen Rechtsnormen werde jedoch übersehen, daß der Gesetzgeber überall dort, wo er den Begriff Angehörige - richtig:
nahe Angehörige - verwende, selbst erläutere, welcher Personenkreis damit erfaßt sein solle, d. h. die Präzisierung erfolge bei der entsprechenden Norm, welche den allgemeinen Begriff Angehörige verwende (so beispielsweise §§ 31, 32 KO; § 4 AnfO; § 1409 ABGB; § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG). Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber überlasse es nicht der freien Interpretation, welcher Personenkreis im konkreten Fall unter den Begriff Angehörige falle, sondern konkretisiere diesen Kreis selbst. In allen anderen im Ersturteil und auch in der Berufung angeführten Fällen verzichte der Gesetzgeber auf den allgemeinen Begriff Angehörige und zähle den von der entsprechenden Norm erfaßten Personenkreis selbst auf. Eine Anwendung dieser Erwägungen auf die in Rede stehende Wettbewerbsordnung der Architekten und die Wettbewerbsausschreibung der Beklagten führe zu folgendem Ergebnis: In den "Grundsätzen" seien von einer Wettbewerbsteilnahme Angehörige - also nicht bloß nahe Angehörige - ausgeschlossen, ohne darzutun, welcher Personenkreis damit erfaßt sein solle. Damit werde jedoch zum Ausdruck gebracht, daß ein nach dem Sprachgebrauch möglichst weit gefaßter Personenkreis ausgeschlossen werden solle. Dies entspreche auch dem Schutzzweck der Bestimmung, sollten doch Preisrichter alles vermeiden, was die Unparteilichkeit verletzen könnte (s. Punkt III Abs. 7 der "Grundsätze"). Eine allgemeine Ermächtigung, diese weit gefaßte Ausschlußbestimmung einzuengen, sei in der Wettbewerbsordnung nicht enthalten. Daß eine solche Ausnahme im Sinne des Abs. 5 der "Vorbemerkung" der Wettbewerbsordnung im vorliegenden Fall erfolgt wäre, sei nicht behauptet worden und im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Nun habe sich aber die Beklagte nach Punkt 0.03 der Wettbewerbsausschreibung ausdrücklich und vorbehaltlos der Wettbewerbsordnung der Architekten als Rechtsgrundlage unterworfen, woraus folge, daß es sich bei dem unter Punkt 0.05 lit. c der Wettbewerbsausschreibung angeführten Kreis der nicht teilnahmeberechtigten Personen um eine demonstrative, nicht jedoch um eine einschränkend taxative Aufzählung handle und auch nicht handeln könne, da sich die Beklagte sonst selbst mit der von ihr dem Wettbewerb zugrunde gelegten Rechtsgrundlage in Widerspruch setzen würde. Dem allfälligen Einwand, daß es sich bei der Wettbewerbsausschreibung um eine Art spezieller Norm handle, durch welche die generellen Norm der Wettbewerbsordnung derogiert worden sei, sei entgegenzuhalten, daß im vorliegenden Fall die Wettbewerbsordnung, sohin die generelle Norm, ausdrücklich und vorbehaltlos der Wettbewerbsausschreibung, sohin der speziellen Norm, zugrunde gelegt worden sei. Daß bei einer bloß demonstrativen Wertung der Aufzählung des ausgeschlossenen Personenkreises in der Ausschreibung eine Rechtsunsicherheit insoweit gegeben wäre, als Projektanten nicht wüßten, ob sie teilnahmeberechtigt seien oder nicht, treffe gleichfalls nicht zu. Die Bestimmung richte sich nicht gegen teilnahmewillige Personen, sondern sei eine Schutzbestimmung zu deren Gunsten, um jede Parteilichkeit auszuschalten; wer für den Wettbewerb als Preisrichter vorgesehen sei, sei bereits der Ausschreibung zu entnehmen. Wenn sich sohin ein Architekt trotz seines Wissens, Angehöriger eines Preisrichters zu sein, zur Teilnahme entschließe, trage er das Risiko einer allenfalls fehlenden Teilnahmeberechtigung. Beim Begriff Angehöriger handle es sich um einen Ausdruck des allgemeinen Sprachgebrauches, zu dessen Verständnis es keiner speziellen Kenntnisse bedürfe, sodaß es jedermann bei entsprechender Wertverbundenheit durchaus möglich sei, ein allfälliges Mißverhältnis, bestehend zwischen der persönlichen Beziehung und dem Gebot der Unparteilichkeit, zu erkennen. Damit sei aber auch die im vorliegenden Fall in zweiter Linie zu klärende Frage, ob der Begriff Stiefkinder dem weiten Begriff des Angehörigen zuzuordnen sei oder nicht, bejahend zu beantworten. Wohl sei es richtig, daß unserem Rechtssystem ein Eltern-Stiefkind-Verhältnis ähnlich der Regelung zwischen Eltern und Kindern (§§ 137 ff. ABGB) oder Wahleltern und Wahlkindern (§§ 179 ff. ABGB) fremd sei. Dies sei jedoch nicht entscheidend, da im vorliegenden Fall maßgebend sei, ob nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem speziellen Schutzzweck der aufgestellten Norm unter den Begriff Angehörige auch Stiefkinder fielen. Dies sei zu bejahen. Ein Stiefkind sei das leibliche Kind eines der in aufrechter Ehe miteinander lebenden Ehegatten und stehe sohin - dies komme auch durch den Begriff Kind sinnfällig zum Ausdruck - auch zum anderen Ehegatten in einem Naheverhältnis, das sich nach außen hin - dem unbefangenen und unwissenden Dritten gegenüber - von einem Eltern-Kind-Verhältnis nicht abzeichne und unterscheide. Aber selbst wenn man der Rechtsansicht des Erstgerichtes insoweit folgen und in der Einschränkung des Begriffes Angehörige auf Ehegatten, Eltern, Geschwister und Kinder in der Wettbewerbsausschreibung der Beklagten eine zulässige und notwendige einengende Auslegung der Grundsatzbestimmung in der Wettbewerbsordnung der Architekten sehen wollte, könnte der weiteren Argumentation, daß mit dem Begriff Kind Stiefkinder nicht erfaßt seien, nicht beigepflichtet werden. Zu beachten sei nämlich, daß die Grundsatzbestimmung der Wettbewerbsordnung der Architekten den weiten Begriff des allgemeinen Sprachgebrauches Angehörige normiere, sodaß auch bei der Präzisierung dieser Wettbewerbsausschreibung das Wort Kind nicht plötzlich eng im Sinne des gesetzlichen Kindesbegriffes ausgelegt werden dürfe. Darüber hinaus sei bei der Auslegung der Schutzzweck der aufgestellten Norm zu beachten. Dieser bestehe im vorliegenden Fall in der Sicherung der Überparteilichkeit der Preisrichter, weshalb in analoger Anwendung der §§ 20, 21 JN über die Ausgeschlossenheit und Befangenheit der Richter auch im gegenständlichen Fall davon gesprochen werden müßte, daß ein Preisrichter, der zu einem Wettbewerbsteilnehmer in einem Stiefvater-Stiefkind-Verhältnis stehe, zur Ausübung des Richteramtes nicht befugt bzw. im konkreten Fall eine Teilnahmeberechtigung des Stiefkindes ausgeschlossen sei, zumal Stiefkinder als Verschwägerte ersten Grades durch die gleiche ethische, soziale und wirtschaftliche Interessengemeinschaft verbunden seien, die zwischen Blutsverwandten bestehe. Daraus folge sohin im vorliegenden Fall, daß Architekt Dipl.-Ing. Ernst H als Stiefkind des Preisrichters Dipl.-Ing. Adalbert K von einer Teilnahme am gegenständlichen Wettbewerb ausgeschlossen gewesen sei. Da nach der Wettbewerbsausschreibung der Beklagten auch Teilhaber eines nicht teilnahmeberechtigten Projektanten ausgeschlossen gewesen seien, Architekt Dipl.- Ing. H nach den Feststellungen des Erstgerichtes in aufrechter Teilhaberschaft und Bürogemeinschaft mit den zweiten Preisträgern Architekt Mag. Hubert und Dipl.-Ing. Michael P stehe, seien auch diese nicht teilnahmeberechtigt gewesen. Das Begehren des Klägers auf Feststellung der Nichtteilnahmeberechtigung der vorgenannten Personen und des in der Verleihung des zweiten und dritten Preises gelegenen Verstoßes gegen die Wettbewerbsbestimmungen sei daher berechtigt, weshalb der Berufung in diesem Umfang stattzugeben gewesen sei. Für ein Begehren auf Nichtigerklärung der Zuerkennung der Preise finde sich weder in der Wettbewerbsordnung noch in der Wettbewerbsausschreibung eine Rechtsgrundlage, weshalb es in diesem Punkt bei der Abweisung des Klagebegehrens zu verbleiben habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem der Berufung stattgebenden Teil. Hingegen wurden über die Revision der klagenden Partei die Urteile der Vorinstanzen dahin abgeändert, daß auch dem Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit der Zuerkennung des 2. und 3. Preises an die Architekten Hubert und Michael P sowie Architekt Dipl.-Ing. Ernst H stattgegeben wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Zur Revision der Beklagten:
Die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen beruhen auf dem einseitigen Rechtsgeschäft der Auslobung in der Sonderform des Preisausschreibens (§ 860 ABGB; Koziol - Welser[5] I, 172 f.; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 44). Sie erfahren ihre Regelung durch die Wettbewerbsausschreibung und die Wettbewerbsordnung der Architekten, der der gegenständliche Wettbewerb nach Punkt 0.03 der Wettbewerbsausschreibung ohne Vorbehalt unterliegt. Die Frage, ob die Wettbewerbsordnung der Architekten seit dem Inkrafttreten des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 71/1969, noch allgemeine Geltung beanspruchen kann, ist hier nicht zu prüfen, da jedenfalls die an dem Wettbewerb Beteiligten und damit auch die Streitteile diese Wettbewerbsordnung zur Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen machten. An diese Regelung sind Auslober (Beklagte), Preisrichter und Wettbewerbsteilnehmer (darunter der Kläger) gebunden. Die Bestimmungen der Wettbewerbsausschreibung und der Wettbewerbsordnung sind nach den §§ 914 und 915 ABGB auszulegen, die mangels besonderer Vorschriften auch für einseitige Rechtsgeschäfte gelten (Koziol - Welser[5] I, 78; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 400; 5 Ob 97/74; 3 Ob 550/80; vgl. auch SZ 27/320). Danach ist Punkt 0.03 der Wettbewerbsausschreibung, nach dem sich die Teilnehmer durch die Teilnahme an dem Wettbewerb dem Urteilsspruch des Preisgerichtes unterwerfen (ebenso Punkt V Abs. 8 der im ersten Teil der Wettbewerbsordnung der Architekten niedergelegten Grundsätze für das Verfahren bei Wettbewerben auf dem Gebiet der Baukunst) und die Beschreitung des Rechtsweges gegen die Entscheidung des Preisgerichtes ausgeschlossen ist, nicht dahin zu verstehen, daß auch den vom Kläger im gegenständlichen Prozeß erhobenen Feststellungsansprüchen die Klagbarkeit genommen werden sollte. Es kann auf sich beruhen, ob die zu Beginn der Niederschrift des Preisgerichtes aufscheinende, nach Befragung getroffene Feststellung des Vorsitzenden, daß keine bewußte Beziehung eines Preisrichters zu einem der Projektanten bestehe, und das am Ende dieser Niederschrift festgehaltene Ergebnis der Öffnung der Verfasserkuverts überhaupt einen Urteilsspruch bzw. eine Entscheidung des Preisgerichtes über die Teilnahmeberechtigung der mit Preisen bedachten Architekten darstellt. In erster Linie sollte vielmehr bloß die Beurteilung der Preiswürdigkeit der eingereichten Entwürfe und deren Reihung durch das Preisgericht der gerichtlichen Überprüfung entzogen werden. Ob das Gericht wegen Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften durch das Preisgericht, wegen zu Unrecht erfolgter Ausscheidung eines Entwurfes mangels Erfüllung der formalen Erfordernisse oder wegen schwerer Willkür bei der Bewertung und Reihung der wettbewerbsfähigen Entwürfe angerufen werden könnte (vgl. dazu Koziol - Welser[5] I, 173; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 48 f.; zu § 661 BGB, wonach die Entscheidung darüber, ob eine innerhalb der Frist erfolgte Bewerbung der Auslobung entspricht oder welche von mehreren Bewerbungen den Vorzug verdient, für die Beteiligten verbindlich ist, vgl. Soergel - Siebert, BGB[11] und Staudinger, BGB[11], je R 3 zu § 661 BGB), brauchte hier nicht näher erörtert zu werden.
Das von der Beklagten bestrittene Feststellungsinteresse des Klägers wurde von den Vorinstanzen zutreffend bejaht. Sollte sich herausstellen, daß die Architekten Hubert und Michael P sowie Dipl.- Ing. Ernst H zur Teilnahme an dem gegenständlichen Wettbewerb nicht berechtigt waren, die Verleihung des zweiten Preises an die beiden Erstgenannten und des dritten Preises an den Letztgenannten also gegen die Wettbewerbsbestimmungen verstieß, so würde daraus - wie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes aus Punkt 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Preisgerichtes (Zweiter Teil der Wettbewerbsordnung der Architekten) abzuleiten ist, wonach dann, wenn sich bei der Feststellung der Bewerber, deren Arbeiten in die engste Wahl gekommen sind, durch Eröffnung der Briefumschläge ergibt, daß ein Verfasser der ausgezeichneten Arbeiten zur Teilnahme am Wettbewerb nicht berechtigt war, die ihm zuerkannte Auszeichnung dem Nächsten in der Reihenfolge zufällt - folgen, daß die Zuerkennung dieser Preise nichtig ist, ohne daß es hiezu noch einer rechtsgestaltenden Nichtigerklärung bedürfte. Die Nichtigkeit der Preiszuerkennung ihrerseits hätte zur weiteren Folge, daß diese Preise - wenn das Preisgericht bereits weitere Bewerber gereiht hat - den Nächstgereihten zufallen oder - wenn das noch nicht geschehen ist - durch das Preisgericht (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 49) neu zu vergeben sind; letzteres ergibt die ergänzende Auslegung der Wettbewerbsbestimmungen unter Bedachtnahme auf das Wesen eines Preisausschreibens. Der Kläger, der laut Niederschrift des Preisgerichtes von den Trägern der drei Anerkennungspreise die höchste Punktezahl erhielt (34) und als erster genannt wurde, hätte im Verhältnis zur Beklagten im Falle seiner bereits erfolgten entsprechenden Reihung durch das Preisgericht einen der freigewordenen Preise erlangt und im zweitgenannten Fall einen Anspruch darauf, daß die Beklagte diese neuerliche Preisvergabe herbeiführt. Die Vorinstanzen haben der Niederschrift des Preisgerichtes zutreffend entnommen, daß das Preisgericht eine Reihung der für die drei Anerkennungspreise (Ankäufe) ausgewählten Projekte (noch) nicht vornahm. Da aber diesfalls konkrete Möglichkeiten bestehen, daß der Kläger einen der freigewordenen Preise zuerkannt bekommt, kann ihm ein rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen, die wesentliche Punkte seiner Rechtsbeziehungen zur Beklagten zu klären geeignet sind, nicht abgesprochen werden.
Sache der Beklagten war es, die entsprechenden Schritte gegenüber den Architekten Dipl.-Ing. Adalbert K, Hubert und Michael P sowie Dipl.-Ing. Ernst H zu unternehmen, um zu vermeiden, daß sie im Falle ihres Unterliegens im gegenständlichen Prozeß zu Schaden kommt. Inwieweit dies durch die Streitverkündigungen gegenüber dem Preisrichter in der Klagebeantwortung und gegenüber den zweiten Preisträgern in der Revisionsschrift geschehen ist, ist im gegenständlichen Verfahren nicht näher zu erörtern.
Die Frage schließlich, ob Architekt Dipl.-Ing. Ernst H als Stiefsohn des Preisrichters Architekt Dipl.-Ing. Adalbert K berechtigt war, an dem gegenständlichen Wettbewerb teilzunehmen, läßt sich bereits auf Grund des Punktes 0.05 lit. c der Wettbewerbsausschreibung, wonach u. a. Kinder von Preisrichtern zum Wettbewerb nicht zugelassen sind, im verneinenden Sinn lösen, sodaß es sich erübrigt, auf das Verhältnis näher einzugehen, in dem die vorgenannte Bestimmung zu der im Punkt II der Grundsätze für das Verfahren bei Wettbewerben auf dem Gebiet der Baukunst (Erster Teil der Wettbewerbsordnung der Architekten) enthaltenen Bestimmung steht, wonach u. a. Angehörige von Preisrichtern zum Wettbewerb nicht zugelassen sind. Legt man den Begriff Kind im Punkt 0.05 lit. c der Wettbewerbsausschreibung im Sinne des § 914 ABGB aus, wobei vor allem der Zweck der Regelung und die Übung des redlichen Verkehrs im Vordergrund zu stehen haben, so gelangt man nämlich zu dem Ergebnis, daß darunter auch ein Stiefkind fällt, ohne daß es darauf ankäme, ob die die Stiefkindeigenschaft begrundende Ehe noch aufrecht besteht. Die Entscheidung der Preisrichter soll von jeglichen unsachlichen Einflüssen freigehalten werden, die sich aus den persönlichen Beziehungen eines Preisrichters zu einem Wettbewerbsteilnehmer ergeben könnten. Dies erfordert eine weite Auslegung des Begriffes Kind, zumal die vergleichsweise heranzuziehenden Ausschließungsbestimmungen des § 20 Z. 2 JN (s. auch § 67 StPO) noch weitergehen (s. auch Fasching I, 202 Anm. 4 Abs. 1 zu § 20 JN). Daß es noch andere persönliche Beziehungen zwischen Preisrichtern und Wettbewerbsteilnehmern geben kann, die von Punkt 0.05 lit. c der Wettbewerbsausschreibung selbst bei weiter Auslegung nicht erfaßt sind, aber sehr wohl einen unsachlichen Einfluß auf die Entscheidung der Preisrichter üben können, spricht nicht gegen diese Auslegung. Auch sonst vermag die Beklagte gegen dieses Auslegungsergebnis nichts Stichhältiges vorzubringen. Die dazu im Schreiben der Ingenieurkammer für Tirol und Vorarlberg vom 9. September 1980 vertretene Auffassung, auf welche die Beklagte in der Klagebeantwortung Bezug nahm, vermag die Gerichte nicht zu binden.
War aber Architekt Dipl.-Ing. H als Stiefsohn des Preisrichters Architekt Dipl.-Ing. K von der Teilnahme an dem Wettbewerb ausgeschlossen, dann waren es nach Punkt 0.05 lit. c der Wettbewerbsausschreibung auch die Architekten Hubert und Michael P mit denen ihn nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes eine aufrechte Teilhaberschaft und Bürogemeinschaft verband. Wenn die Beklagte in ihrer zur Revision des Klägers erstatteten Revisionsbeantwortung bestreitet, daß im Zeitpunkt des Wettbewerbes noch eine Teilnehmerschaft und Bürogemeinschaft zwischen Architekt Dipl.-Ing. H und den Architekten Hubert und Michael P vorlag, ist dies unbeachtlich. Ihr nachteilige Feststellungen des Erstgerichtes kann die in erster Instanz siegreiche Partei nämlich nur dann auch noch in der Revision bekämpfen, wenn das Berufungsgericht diese Feststellungen nicht bereits - wie dies aber hier geschehen ist - anläßlich der Stattgebung der Berufung der in erster Instanz unterlegenen Partei überprüft und ausdrücklich befunden hat.
2. Zur Revision des Klägers:
Der Kläger wendet sich mit Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß sich für ein Begehren auf Nichtigerklärung der Zuerkennung des zweiten und des dritten Preises weder in der Wettbewerbsordnung noch in der Wettbewerbsausschreibung eine Rechtsgrundlage finde. Wie bereits im Rahmen der Behandlung der Revision der Beklagten bei Prüfung des Feststellungsinteresses des Klägers dargelegt wurde, haben die Tatsache, daß Architekt Dipl.- Ing. H der Stiefsohn des Architekten Dipl.-Ing. K ist, sowie die Teilhaberschaft und Bürogemeinschaft zwischen ersterem und den Architekten Hubert und Michael P die Nichtigkeit der Preiszuerkennung zur Folge, an deren Feststellung dem Kläger auch ein rechtliches Interesse zuzubilligen ist.
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