Spruch:
Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN setzt nicht voraus, daß alle Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand vor einem inländischen Gericht haben.
OGH 15. 11. 1983, 5 Ob 615/83 (KG Krems an der Donau 1 b R 430/82; BG Litschau C 98/81 )
Text
Mit der am 2. 9. 1981 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der drei Beklagten zur ungeteilten Hand, ihr den Betrag von 24 173.75 S sA zu zahlen. Die Beklagten hätten bei ihr als Vorstandsmitglieder der mittlerweile im Konkurs befindlichen inländischen E AG Waren im Wert von 24 173.75 S bestellt und von ihr auch geliefert erhalten. Eine Bezahlung sei jedoch nicht erfolgt. Die Beklagten hätten die Waren bestellt, obwohl ihnen bekannt gewesen sei, daß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bestellung überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Die Beklagten hätten es verabsäumt, rechtzeitig den Konkurs wegen Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit zu beantragen, und somit schuldhaft Gesetze, welche den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezweckten, verletzt. Sie hafteten daher persönlich. Mit einer auch nur teilweisen Befriedigung der Konkursgläubiger dritter Klasse sei im Konkurs über das Vermögen der E AG nicht zu rechnen. Bezüglich des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten, die ihren Wohnsitz in der Schweiz (Genf) haben, nahm die Klägerin den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN in Anspruch, da die Beklagten eine materielle Streitgenossenschaft bildeten und der Drittbeklagte seinen Wohnsitz im Sprengel des Erstgerichtes habe. Der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte erhoben in der ersten Tagsatzung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes. Im vorbereitenden Schriftsatz vom 3. 3. 1982 führten sie aus, daß § 93 Abs. 1 JN die Zuständigkeit des Erstgerichtes für sie nicht zu begrunden vermöge, weil dem zwingende zwischenstaatliche Vereinbarungen, nämlich Art. 2 Abs. 1 des österreichisch-schweizerischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages, entgegenstunden, auf Grund welcher das Erstgericht auch durch Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden könnte.
Das Erstgericht verwarf die vom Erstbeklagten und vom Zweitbeklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. In Ansehung des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten sei beim Erstgericht der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN begrundet. Es sei nicht erforderlich, daß alle Streitgenossen ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland hätten. Auch im Ausland wohnhafte Schuldner könnten als Streitgenossen eines Mitschuldners, der im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand habe (hier der Drittbeklagte), beim Gerichtsstand des letzteren belangt werden. Der Vertrag vom 16. 12. 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung beziehe sich nur auf das Vollstreckungsverfahren, nicht jedoch auf den gegenständlichen Rechtsstreit.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der vom Erstbeklagten und vom Zweitbeklagten erhobenen Einrede des Mangels der internationalen inländischen Zuständigkeit stattgegeben und die Klage, soweit sie sich gegen den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten richte, zurückgewiesen werde. "Örtliche Zuständigkeit" und "internationale Zuständigkeit" seien selbständige Prozeßvoraussetzungen, die voneinander zu unterscheiden seien; die Voraussetzungen der internationalen Zuständigkeit dürften mit denen der örtlichen Zuständigkeit nicht identifiziert werden. Die örtliche Zuständigkeit bedeute die Zugehörigkeit einer bestimmten Rechtssache zu einem bestimmten Gerichtsstand, also dem Gericht eines bestimmten Ortes (Fasching I 370; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2], 48). Die internationale Zuständigkeit - ein Begriff, der sich im Schrifttum und zum Teil auch in der Judikatur in den letzten Jahrzehnten weitestgehend durchgesetzt habe - bedeute demgegenüber die Entscheidungsbefugnis der Gerichte eines bestimmten Staates in Rechtssachen mit Auslandsbeziehung und sei Teil der Gerichtsbarkeit im innerstaatlichen Sinn, die der Staat den einzelnen Gerichten delegiere (Bajons, ZfRV 1972, 104; ähnlich Holzhammer aaO 29; Rechberger, ZfRV 1975, 23; vgl. EvBl. 1978/131 und SZ 53/99, wo der Begriff der internationalen Zuständigkeit gleichbedeutend mit "inländischer Gerichtsbarkeit" verwendet werde). Die Notwendigkeit, die beiden Prozeßvoraussetzungen voneinander zu unterscheiden, ergebe sich schon aus § 28 JN, wonach der OGH, wenn für eine bürgerliche Rechtssache zwar die inländische Gerichtsbarkeit begrundet sei, die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes aber fehlten oder nicht zu ermitteln seien, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen habe, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten habe. Voraussetzung für die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes durch den OGH sei daher das Bestehen der inländischen Gerichtsbarkeit. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob sich die Begriffe "inländische Gerichtsbarkeit" und "internationale Zuständigkeit" deckten (SZ 53/99) oder ob "inländische Gerichtsbarkeit" der Oberbegriff sei (Bajons aaO) oder ob es sich dabei um zwei verschiedene Prozeßvoraussetzungen handle (Holzhammer aaO 29). Im vorliegenden Falle sei daher vor der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes wegen der vorhandenen Auslandsbeziehung (Wohnsitz oder jedenfalls Aufenthaltsort des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten in der Schweiz) die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte zu prüfen. Entgegen der Meinung der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten biete der Vertrag vom 16. 12. 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGBl. 1962/125, keine Handhabe für die Verneinung der inländischen internationalen Zuständigkeit. Die Zuständigkeitsregeln der österreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge enthielten keine Befolgungsregeln für den Erstrichter und modifizierten die inländische Zuständigkeitsordnung in keiner Weise. Bei der Prüfung der inländischen Zuständigkeit im Inlandsprozeß stelle sich die Frage nach der innerstaatlichen Zuständigkeit in Rechtssachen mit Auslandsbeziehung auf Grund der internen Zuständigkeitsordnung, während es bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichtes für die im Inland anzuerkennende ausländische Entscheidung darum gehe, ob dieses Gericht auf Grund der zwischenstaatlich vereinbarten Zuständigkeitskriterien zur Entscheidung berufen gewesen sei (Rechberger, ZfRV 1975, 22 ff. und 124). Die Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge enthielten Beurteilungsregeln für den Richter des Zweitstaates (in dem die Entscheidung anerkannt oder vollstreckt werden solle), aber nicht Befolgungsregeln für den Richter des Erststaates (in dem die Entscheidung ergehe; vgl. Hoyer, ZfRV 1971, 121), sodaß Zuständigkeitstatbestände als Anerkennungs- oder Vollstreckungsvoraussetzung für die Abgrenzung der inländischen Jurisdiktion im Erkenntnisverfahren unbrauchbar seien (Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 26). All dies gelte auch für den österreichisch-schweizerischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, der sich, wie schon sein Titel besage, nicht mit Fragen der innerstaatlichen Zuständigkeit für die Prozeßführung, sondern lediglich mit der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen zwischen den Vertragspartnern befasse. Art. 1 dieses Vertrages beinhalte die Voraussetzungen, unter denen die in einem der beiden Staaten gefällten gerichtlichen Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche im anderen Staat anerkannt und vollstreckt werden könnten, darunter Z 1, daß die Grundsätze, die in dem Staat, wo die Entscheidung geltend gemacht werde, über die zwischenstaatliche Zuständigkeit der Gerichte bestunden, die Gerichtsbarkeit des anderen Staates nicht ausschlössen. In den Art. 2 bis 4 werde näher ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen die Gerichtsbarkeit eines der Vertragsstaaten iS des Art. 1 Z 1 des Vertrages als ausgeschlossen gelte bzw. wann dies nicht zutreffe. Nach Art. 2 gelte die Gerichtsbarkeit des Staates, wo die Entscheidung gefällt worden sei, für persönliche Ansprüche gegen einen zahlungsfähigen Schuldner insbesondere dann iS des Art. 1 Z 1 als ausgeschlossen, wenn der Schuldner zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz in dem Staat gehabt habe, in dem die Entscheidung geltend gemacht werde. Dies bedeute nicht, daß durch den Vertrag etwa die Möglichkeit der Führung eines Prozesses vor dem Gericht des Vertragspartners nach den bestehenden innerstaatlichen Zuständigkeitsbestimmungen habe ausgeschlossen werden sollen, sondern, daß in bestimmten Fällen dann, wenn die Entscheidung von einem Gericht eines der Vertragspartner gefällt worden sein sollte, diese nicht die Anerkennung und Vollstreckung im anderen Staat erlangen könne. Wenn Art. 2 Abs. 2 Z 2 sage, die Bestimmung des Art. 2 Abs. 1, nämlich jene über den Ausschluß der Gerichtsbarkeit bei Entscheidungen über persönliche Ansprüche gegen einen zahlungsunfähigen Schuldner, sei nicht anzuwenden, wenn sich der Beklagte vorbehaltslos auf den Rechtsstreit eingelassen habe, bedeute dies nur und nichts anderes, als daß bei Fehlen einer entsprechenden Einwendung im Prozeß diese im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden könne, nicht aber, daß sie die Durchführung des Prozesses und die Urteilsfällung selbst hindere (EvBl. 1971/63). Wenn daher die Einrede der Unzuständigkeit nach dem Recht des Prozeßgerichtes nicht begrundet erscheine, dürfe zwar trotzdem die Einrede der mangelnden Gerichtsbarkeit nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 des österreichisch-schweizerischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages als zulässig erhoben und zu Protokoll genommen werden, diese Einrede der mangelnden internationalen (oder zwischenstaatlichen) Zuständigkeit habe aber keine Wirkung in dem Verfahren über den Anspruch des Klägers; sie könne aber die Vollstreckung der Entscheidung im anderen Staat verhindern (Hoyer - Loewe, Staatsverträge über Rechtshilfe und Vollstreckung 237 Fußnote 7). Werde - aus der Sicht des ausländischen Gerichtes, hier der Schweiz - die österreichische internationale Zuständigkeit überschritten, reagiere der Auslandsstaat mit der Verweigerung der Anerkennung der österreichischen Entscheidung; die österreichische Gerichtsbarkeit als solche bleibe unangetastet (vgl. Bajons, ZfRV 1972, 105).
Die Prüfung der inländischen internationalen Zuständigkeit für den vorliegenden Fall habe demnach nicht nach dem österreichischschweizerischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, sondern nach den Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm, und zwar nach jenen über die örtliche Zuständigkeit, zu erfolgen. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten führe das Fehlen eines örtlichen Zuständigkeitstatbestandes grundsätzlich auch zur Verneinung der internationalen Zuständigkeit, sodaß diese nur in Ausnahmefällen bestehe (EvBl. 1978/10 und 131; EvBl. 1979/174; dazu Schwimann aaO 24 ff.; Bajons, ZfRV 1972, 109 ff.). Da ein allgemeiner Gerichtsstand des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten mangels Wohnsitzes (§ 66 JN) oder Aufenthaltes (§ 67 JN) im Inland nach dem Klagevorbringen ebensowenig in Betracht komme wie der Gerichtsstand des Vermögens (§ 99 Abs. 1 und 2 JN), sei zu prüfen, ob der von der Klägerin für den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten in Anspruch genommene Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN geeignet sei, die internationale Zuständigkeit für den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten zu begrunden. Die Rechtsprechung habe dies im Ergebnis bejaht, wenn es heiße, der Umstand, daß einer der Verpflichteten seinen allgemeinen Gerichtsstand bei einem ausländischen Gericht habe, schließe den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nicht aus (GlUNF 3330; EvBl. 1954/172) oder - in jüngerer Zeit - es komme in vermögensrechtlichen Streitigkeiten mangels eines sonstigen Gerichtsstandes zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit nur der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 JN in Betracht (EvBl. 1979/174). Im Schrifttum werde dieses Problem - soweit überblickbar - entweder kaum behandelt oder es werde der Rechtssatz der Entscheidung GlUNF 3330 unreflektiert übernommen (Neumann[4], 232, dort unrichtig als GlU 3330 zitiert; Fasching I 458 f.). Das Rekursgericht vermöge sich dieser Meinung nicht anzuschließen. Die Auffassung, der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft genüge, um die internationale Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes gegen einen Verpflichteten mit allgemeinen Gerichtsstand im Ausland, der im Inland auch kein Vermögen habe, zu begrunden, möge dem Rechtsschutzbedürfnis des Jahres 1906, in dem die Entscheidung GlUNF 3330 ergangen sei, entsprochen haben (auch heute genüge nach der Rechtsprechung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten das Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die Rechtsverfolgung im Inland, um die internationale Zuständigkeit zu bejahen: EvBl. 1978/10 und 131; EvBl. 1979/174). Die Heranziehung des § 93 JN zur Begründung der internationalen Zuständigkeit könne aber heute angesichts des Fortschrittes des internationalen Zivilverfahrensrechtes und der Ausgestaltung der internationalen Rechtsbeziehungen nicht mehr vertreten werden. Darüber hinaus hätten die Gerichtsstände des Zusammenhanges - daher auch der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN - lediglich die Funktion, eine örtliche Zuständigkeitsverschiebung zu bewirken (Pollak[2], 332; Bajons, ZfRV 1972, 113). Für verbundene Klagen gegen mehrere Beklagte müsse daher regelmäßig die internationale Zuständigkeit für jede der Klagen begrundet sein, sofern sich nicht aus der Norm Gegenteiliges ergebe. Die gemeinsame Einbringung der Klagen sei nämlich ein rein faktischer Akt, der für sich keine ausreichende Inlandsbeziehung begrunden könne, wie dies die Klageerhebung an sich ebenfalls nicht vermöge. Daher enthebe der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN nicht der gesonderten Prüfung der internationalen Zuständigkeit für jeden einzelnen Streitgenossen; diese könne durch § 93 JN nicht begrundet werden (Bajons aaO). Nicht zuletzt lasse sich diese Rechtsansicht auch aus den Materialien begrunden, aus denen sich ergebe, daß der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen, nur dann bestehe, wenn bezüglich des betroffenen Beklagten ein anderer Gerichtsstand im Inland begrundet sei. Die Bestimmung über den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (zunächst § 94 Abs. 1 JN) habe in der Regierungsvorlage und in den Anträgen des Permanenzausschusses wie folgt gelautet: "Mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand vor verschiedenen inländischen Gerichten haben, können als Streitgenossen, sofern nicht für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begrundet ist, vor jedem Gericht belangt werden, bei welchem einer der Streitgenossen, oder wenn unter denselben Haupt- und Nebenverpflichtete zu unterscheiden sind, einer der Hauptverpflichteten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat."
(Materialien zu den österreichischen Zivilprozeßgesetzen I 15 (Regierungsvorlage) und 729 (Permanenzausschuß)). Im gemeinsamen Beschluß der Konferenz zur Jurisdiktionsnorm habe die Bestimmung (nunmehr bereits § 93 Abs. 1 JN) die jetzt gültige Fassung (wenn man von dem durch Art. IV Z 18 der ersten GEN erfolgten Zusatz: "... es sei denn, daß das Gericht auch durch Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden kann" absehe) erhalten und daher wie folgt gelautet: "Mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand vor verschiedenen Gerichten haben, können als Streitgenossen, sofern nicht für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begrundet ist, vor jedem inländischen Gericht geklagt werden, bei welchem einer der Streitgenossen, oder wenn sich unter ihnen Haupt- und Nebenverpflichtete befinden, einer der Hauptverpflichteten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat."
(Materialien II 609.) Bemerkenswert sei nun, daß im gemeinsamen Bericht der Permanenzkommission des Herrenhauses und des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses hiezu ausgeführt werde, daß lediglich stilistische Verbesserungen vorgenommen worden seien (Materialien II 335 f.). Das bedeute, daß die Redaktoren auch bei der Gesetz gewordenen Fassung des § 93 Abs. 1 JN davon ausgegangen seien, daß die mehreren Personen, die als Streitgenossen beim allgemeinen Gerichtsstand eines der Verpflichteten (oder des Hauptverpflichteten) geklagt werden könnten, ihrerseits einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben müßten. Auch die Gesetzesmaterialien führten daher zu dem Ergebnis, daß der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft und damit die internationale Zuständigkeit bezüglich jener Beklagten zu verneinen sei, die im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hätten. Dies treffe im vorliegenden Fall für den Erstbeklagten und Zweitbeklagten zu. Da diese im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand und - wie bereits erwähnt - nach der Aktenlage auch kein Vermögen hätten, könnten sie auch nicht als Streitgenossen beim allgemeinen Gerichtsstand des Drittbeklagten, also beim Erstgericht, geklagt werden. Diese Parteien hätten in der ersten Tagsatzung zwar nur die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes erhoben, damit aber in Wahrheit die internationale Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes überhaupt verneint, deren Mangel im übrigen auch von Amts wegen wahrzunehmen wäre. In Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses sei daher die Klage, soweit sie sich gegen den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten richte, mangels inländischer internationaler Zuständigkeit zurückzuweisen gewesen. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge und änderte die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin ab, daß die vom Erstbeklagten und vom Zweitbeklagten erhobene Prozeßeinrede der örtlichen (und internationalen) Unzuständigkeit des Erstgerichtes verworfen werde.
Aus der Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 93 Abs. 1 JN können mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand vor verschiedenen Gerichten haben, als Streitgenossen, sofern nicht für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begrundet ist, vor jedem inländischen Gericht geklagt werden, bei welchem einer der Streitgenossen oder, wenn sich unter ihnen Haupt- und Nebenverpflichtete befinden, einer der Hauptverpflichteten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, es sei denn, daß das Gericht auch durch Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden kann. Das - nach den Klagsangaben zu beurteilende (Pollak[2], 333; Neumann[4], 231) - Vorhandensein der Voraussetzung des Gerichtsstandes der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs. 1 JN, daß es sich bei den als Streitgenossen Belangten um materielle Streitgenossen iS des § 11 Z 1 ZPO handelt (Fasching I 457; ZVR 1963/277; EvBl. 1979/174 uva.), ist nicht strittig; angesichts der Klagebehauptung, die Beklagten hätten als Vorstandsmitglieder der E AG bei der Klägerin Waren bestellt, obwohl ihnen bekannt gewesen sei, daß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bestellung überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei, kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß die Beklagten aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet sein sollen.
Die Auslegungsfrage, ob unter den im § 93 Abs. 1 JN angeführten "verschiedenen Gerichten", vor denen die als materielle Streitgenossen Belangten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, nur inländische Gerichte oder auch ausländische Gerichte zu verstehen sind, ist nach der Gesetz gewordenen Fassung der Bestimmung über den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft zu beantworten. Danach wird in dem genannten Passus ("verschiedenen Gerichten") nicht zwischen inländischen und ausländischen Gerichten unterschieden, während die Gerichte, vor denen alle Streitgenossen (nach Wahl des Klägers) geklagt werden können, als inländische Gerichte ("vor jedem inländischen Gericht") bezeichnet werden. Dies spricht für die Richtigkeit der Auffassung des OLG W in GlUNF 3330 (der OGH ließ diese Frage in seiner Entscheidung dahingestellt), die sich das genannte Gericht in EvBl. 1954/172 wieder zu eigen machte und von der offenbar auch der OGH in EvBl. 1979/174 ausgegangen ist, wonach der Umstand, daß einer der Belangten seinen allgemeinen Gerichtsstand bei einem ausländischen Gericht hat, den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nicht ausschließe. Auch Neumann und Fasching folgen dieser Entscheidung, worauf bereits das Rekursgericht hinwies (ebeso schon Horten, Die Jurisdiktionsnorm und ihr Einführungsgesetz 295). Im übrigen kennt das Gesetz auch sonst ausländische Gerichte (zB im § 38 JN) und wird von ihm auch die Möglichkeit des Bestehens eines allgemeinen Gerichtsstandes im Ausland durchaus in Betracht gezogen, wie sich beispielsweise aus den §§ 69 und 106 JN sowie aus der Bestimmung des § 56 Abs. 2 ZPO ergibt, die von zahlungsfähigen Bürgen handelt, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben. So lehrt denn auch Pollak (System[2], 304), daß der allgemeine Gerichtsstand nicht im Inland zu liegen brauche und ein Verpflichteter mit Wohnsitz in Ausland zwar einen allgemeinen Gerichtsstand im Sinne der Jurisdiktionsnorm habe, aber keinen im Inland. Die Auffassung, daß der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft vor jedem inländischen Gericht, bei welchem einer der geklagten Streitgenossen oder, wenn sich unter ihnen Haupt- und Nebenverpflichtete befinden, einer der Hauptverpflichteten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, begrundet ist, mögen die anderen Streitgenossen ihren allgemeinen Gerichtsstand auch vor einem ausländischen Gericht haben, wird auch dem Zweck der Bestimmung des § 93 Abs. 1 JN besser gerecht, dort, wo nach § 11 Z 1 ZPO eine Klage gegen Streitgenossen zulässig ist, den hiefür sonst nach der Jurisdiktionsnorm fehlenden gemeinsamen Gerichtsstand zu schaffen (vgl. Beißer in GZ 1899, 355 f.). Demgegenüber fällt das vom Rekursgericht für seine abweichende Ansicht ins Treffen geführte, aus den Gesetzesmaterialien abgeleitete Argument nicht entscheidend ins Gewicht, zumal der in diesem Sinn eindeutige Wortlaut der von der Regierungsvorlage und vom Permanenzausschuß vorgeschlagenen Bestimmung ("mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand vor verschiedenen
inländischen Gerichten haben, können als Streitgenossen ... vor
jedem Gericht belangt werden, bei welchem ... ") nicht Gesetz wurde
und die Gesetz gewordene Fassung der Bestimmung - wie zuvor gezeigt wurde - eben nicht nur stilistische Verbesserungen enthält (aM Ernst Demelius, Der neue Civilprozeß 105, wonach § 93 Abs. 1 JN das alte Recht (§ 41 JN 1852 RGBl. 261) übernehme, "ausdrücklich" bestimme, daß jeder der beklagten Streitgenossen einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben müsse und durch seine mehr ins Detail gehende Fassung eine Änderung des alten Rechtes nicht bezwecke). Der OGH gelangt daher gleich dem Erstgericht zu dem Ergebnis, daß auch für den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft vor dem Erstgericht begrundet ist, weil dem - abweichend von der Auffassung des Rekursgerichtes - der Umstand, daß die genannten Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand vor einem ausländischen Gericht haben, nicht entgegensteht. Wenn nun auch das Rekursgericht zutreffend hervorhebt, daß örtliche Zuständigkeit und internationale Zuständigkeit selbständige, voneinander zu unterscheidende Prozeßvoraussetzungen sind, so ist doch davon auszugehen, daß das Vorhandensein eines inländischen Gerichtsstandes die inländische internationale Zuständigkeit zumindest indiziert (Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 23; vgl. auch EvBl. 1983/13 mit weiteren Nachweisen; weitergehend zuletzt Matscher in JBl. 1983, 505 ff. (Zusammenfassung 516), wonach der Gesetzgeber mit der Normierung eines inländischen Gerichts die ausreichende Nahebeziehung einer Rechtssache zum Inland vorweg festgestellt hat, sowie SZ 51/34, ZfRV 1979, 277 mit Glosse von Hoyer ua., wonach bei Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes - unter Beachtung der sich aus dem Völkerrecht ergebenden Einschränkungen - auch die inländische Gerichtsbarkeit iS effektiver Entscheidungsbefugnis eines österreichischen Gerichtes grundsätzlich zu bejahen sei). Die internationale Zuständigkeit ist auch nach dieser Meinung gegeben, wenn die durch den Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses insgesamt ausreicht (Schwimann aaO; EvBl. 1983/13). Der auf Bajons, ZfRV 1972, 113, gestützten Ansicht des Rekursgerichtes, die Einbringung einer gemeinsamen Klage gegen Streitgenossen nach § 93 Abs. 1 JN sei ein rein faktischer Akt, der für sich allein eine ausreichende Inlandsbeziehung nicht herstellen könne, kann sich der OGH nicht anschließen (ablehnend auch Matscher aaO insbesondere 511 FN 48). Wie bereits dargetan, setzt der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach der genannten Gesetzesstelle eine materielle Streitgenossenschaft auf Seite der Beklagten voraus. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn sie in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet sind. In dieser sowohl faktischen als auch rechtlichen Gemeinsamkeit, die auch nicht erst durch die Belangung in einer Klage geschaffen wird, ist aber eine ausreichende Inlandsbeziehung zu erblicken. Selbst wenn man diese Auffassung nicht schlechthin teilen wollte, müßte man sie für Fälle wie den gegenständlichen gelten lassen, in dem nach den Klagebehauptungen die Beklagten als Vorstandsmitglieder einer inländischen überschuldeten und zahlungsunfähigen Aktiengesellschaft, ohne rechtzeitig den Konkurs zu beantragen, bei der im Inland ihre Geschäfte betreibenden Klägerin Waren bestellt und von dieser geliefert erhalten haben sollen (vgl. in diesem Zusammenhang die §§ 51 Abs. 1 Z 6 und 92 b JN idF der Zivilverfahrensnovelle 1983, BGBl. Nr. 135). Dafür spricht auch, daß in Fällen der auf § 159 StGB in Verbindung mit §§ 161, 309 StGB gestützten Durchgriffshaftung gegen die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Österreich ein inländischer Exekutionstitel im Wege des Privatbeteiligtenanschlusses an das gegen diese wegen § 159 StGB geführte inländische (§§ 62, 67 Abs. 2 StGB; §§ 51 ff. StPO; vgl. EvBl. 1980/8) Strafverfahren erreicht werden könnte.
Da also die örtliche und die internationale Zuständigkeit des Erstgerichtes auch hinsichtlich des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten gegeben sind, war die vom Erstbeklagten sowie Zweitbeklagten erhobene Prozeßeinrede der örtlichen (und internationalen) Unzuständigkeit des Erstgerichtes zu verwerfen.
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