OGH 5Ob612/88

OGH5Ob612/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Petrag und Dr. Schwarz als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 25. August 1987 verstorbenen, zuletzt in 8052 Graz, Gaisbergweg 6, wohnhaft gewesenen Beamten Helmut S***, infolge Revisionsrekurses der R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 2. August 1988, GZ 3 R 193/88-95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. April 1988, GZ 17 A 373/87-(richtig)84, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 3. September 1987 bestellte das Erstgericht im Hinblick darauf, daß der Erblasser nach dem Akteninhalt eine letztwillige Verfügung nicht hinterlassen hatte und auch nicht bekannt war, ob Erben vorhanden sind, J*** i.R. Karl N*** zum Verlassenschaftskurator und erließ es Edikte zur Einberufung der unbekannten Erben und der Verlassenschaftsgläubiger. Innerhalb der Ediktalfrist legte Leon V*** am 26. Februar 1988 dem Erstgericht einen von Reinhard M*** verfaßten und von diesem sowie zwei weiteren Zeugen (Ing. Rudolf K*** und Fritz B***) unterfertigten, mit 15. Februar 1987 datierten Aufsatz über eine vom Erblasser am 19. April 1987 im Zuge eines Gespräches abgegebene Erklärung vor, wonach dieser in Gegenwart von Reinhard M***, Ing. Rudolf K*** und Fritz B*** als Zeugen mündlich erklärt habe, im Falle seines Ablebens solle sein Freund Leon V*** sein Erbe sein und alles, was er besitze, erhalten (vgl. ON 63 dA). Diese Aufzeichnung vom 15. Februar 1988 wurde vom Erstgericht kundgemacht. In der Folge meldete der Verlassenschaftskurator Zweifel am Vorliegen eines mündlichen Testamentes mit dem Antrag an, sämtliche an der angeblichen mündlichen Testamentserrichtung beteiligten Personen auch unter Beiziehung der Finanzprokuratur eidlich zu vernehmen. Am 11. April 1988 beantragte die Finanzprokuratur unter Hinweis auf die Absicht, den Nachlaß oder sein Realisat als heimfällig zu beanspruchen, "gemäß § 586 ABGB" die beeidete Einvernahme derselben Zeugen und ua ihre Ladung zur Einvernahmetagsatzung, weil sie Fragen im Sinne der §§ 66 ff AußStrG vorzuschlagen habe (ON 83 da).

Mit Beschluß vom 27. April 1988 (ON 84 dA) sprach das Erstgericht aus, daß den Anträgen des Verlaßkurators und der Finanzprokuratur auf Anberaumung einer Einvernehmungstagsatzung bzw. auf Ladung des Kurators, der Prokuratur und sämtlicher Beteiligter zu dieser Tagsatzung sowie auf beeidete Einvernahme der Testamentszeugen "keine Folge gegeben" werde. Eine Vernehmung der Zeugen durch das Abhandlungsgericht entfalle, wenn ein formgerechter, wenngleich später verfaßter Aufsatz der drei Zeugen des Testamentes vorliege. Im Abhandlungsverfahren sei nicht zu prüfen, ob der Zeitpunkt der Errichtung des Aufsatzes unter dem Gesichtspunkt der Vortäuschung eines mündlichen Testamentes bedenklich sein könnte. Sollte diese Frage überhaupt auftauchen, müsse sie Gegenstand eines allfälligen Erbrechtsstreites oder einer Heimfälligkeitsklage sein. Der Finanzprokuratur fehle eine Antragslegitimation. Solange das Abhandlungsgericht eine Erbloserklärung nicht für gegeben halte, sei es ihr verwehrt, durch Anträge oder Rechtsmittel in das Verfahren einzugreifen und so auf eine für sie günstige Lösung dieser Frage einzuwirken. Bis zu einer allfälligen Übergabe des als erblos erklärten Nachlasses an die R*** die bei Ausübung des Heimfallsrechtes nicht Erbin sei, könne ihr kein materielles Interesse am Gang des Abhandlungsverfahrens zugebilligt werden. Dadurch, daß sie schon vorher dem Verfahren beigezogen worden sei, werde sie noch nicht Partei im Sinne des § 9 AußStrG.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem allein von der Finanzprokuratur erhobenen Rekurs nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß (der hinsichtlich der Abweisung der Anträge des Verlassenschaftskurators unberührt blieb) im übrigen mit der Maßgabe, daß es den Antrag der Finanzprokuratur zurückwies. Unter "jedem, dem daran gelegen ist" im Sinne des § 586 ABGB sei jeder "Interessent", also jeder zu verstehen, der ein Interesse habe, die Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen oder sie außer Zweifel zu setzen; im ersteren Fall also der gesetzliche oder in einem früheren Testament eingesetzte Erbe (SZ 54/136). Die Finanzprokuratur als Vertreterin des Heimfallsärars (das Heimfallsrecht des Staates sei kein Erbrecht) gehöre jedoch nicht zu diesem Interessentenkreis. Nach neuerer, mit der Lehre übereinstimmender Rechtsprechung komme der Finanzprokuratur keine Parteistellung im Abhandlungsverfahren zu, solange das Gericht die Voraussetzungen für eine Erbloserklärung des Nachlasses nicht für gegeben hielte. Sie sei daher nicht befugt, in das Abhandlungsverfahren einzugreifen, um die Voraussetzungen für das Heimfallsrecht des Staates zu schaffen, da die Anwendung des § 760 ABGB (wie sich aus § 130 AußStrG ergäbe) den vom Gericht anerkannten Mangel eines Erbberechtigten voraussetze und bei Fehlen dieser Voraussetzung jede Grundlage für eine Einflußnahme des Heimfallsärars auf den Gang der Verlassenschaftsabhandlung fehle (vgl. Weiß in Klang2 III 795; JBl. 1959, 280; JBl. 1956, 179; EvBl. 1974/102; EvBl. 1967/363 ua). Diesen Erwägungen vermöge die Rekurswerberin keine überzeugenden Argumente entgegenzusetzen. Im vorliegenden Fall sei im Hinblick auf das behauptete mündliche Testament vom 19. April 1987 ein Heimfallsrecht der R*** Ö*** nicht aktuell. Dieses Testament entspräche jedenfalls den äußeren Formerfordernissen des § 585 ABGB, denen schon entsprochen sei, wenn der Erblasser vor drei gleichzeitig anwesenden fähigen Testamentszeugen eine Erklärung abgegeben habe, die seinen letzten Willen darstellen könne (vgl. NZ 1981, 46; NZ 1980, 170; NZ 1961, 182). Daraus, daß dieses Testament ungültig sein könnte, könne die Rekurswerberin ein Antragsrecht im derzeitigen Stadium des Verlassenschaftsverfahrens nicht ableiten. Darüber hätte auch nicht der Außerstreitrichter zu entscheiden. Es bedürfe daher auch keiner Erörterung darüber, ob eine Parteistellung der Finanzprokuratur gegeben wäre, wenn eine Erbserklärung (im vorliegenden Fall wurde noch keine abgegeben) "nichtig" wäre. Da somit derzeit vom Fehlen eines Erbberechtigten nicht gesprochen werden könne, habe das Erstgericht zutreffend ein Interesse der Rekurswerberin am Gang des Abhandlungsverfahrens und damit ihre Antragslegitimation verneint. Die Anträge der Finanzprokuratur wären deshalb allerdings zurückzuweisen und nicht materiell zu erledigen gewesen. Die angefochtene Entscheidung sei daher mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der R*** Ö***, der unzulässig ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß eine "Maßgabebestätigung" dann ein Konformatsbeschluß ist, wenn dieser Beisatz nur einer Verdeutlichung der Entscheidung des Erstgerichtes diente, wenn damit also keine Änderung des Inhaltes der erstgerichtlichen Entscheidung und ihrer Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien und Beteiligten vorgenommen werden soll (JBl. 1949, 431; RZ 1972, 185; EFSlg. 35.029; VersRdSch 1988, 25 ua). Aus der Begründung der erstgerichtlichen Entscheidung ergibt sich eindeutig, daß das Erstgericht in Ansehung der durch die Finanzprokuratur vertretenen R*** Ö*** in ihrer Eigenschaft als allfällige Heimfallsberechtigte deren derzeitige Legitimation, in das Abhandlungsverfahren einzugreifen, und damit deren Antragslegitimation verneint hat. Da die Ablehnung der Antragslegitimation aber - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - zur Zurückweisung des Antrages zu führen hat, liegt in dem Ausspruch des Erstgerichtes, den Anträgen der Finanzprokuratur keine Folge zu geben, lediglich ein Vergreifen im Ausdruck, weshalb sich die vom Rekursgericht vorgenommene "Maßgabebestätigung) als Konformatsbeschluß darstellt. Der Revisionsrekurs ist daher nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit zulässig (§ 16 Abs.1 AußStrG). Das Rechtsmittel der Finanzprokuratur stützt sich ausdrücklich auf die Beschwerdegründe der "unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Gewicht einer offenbaren Gesetzwidrigkeit" sowie der Nichtigkeit. Keiner dieser Anfechtungsgründe ist jedoch gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur bei materiellrechtlichen, nicht aber bei Verfahrensverstößen gegeben sein (EFSlg. 44.644, 49.936, 52.762 uva), und liegt darüber hinaus nur dann vor, wenn die zu beurteilende Frage im Gesetz so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 46/98; EFSlg. 37.388, 44.642, 47.208, 52.757 ua).

Im vorliegenden Fall nimmt die Revisionsrekurswerberin unter Berufung auf § 586 ABGB das Recht in Anspruch, die Bestätigung der letztwilligen Anordnung durch die eidliche Aussage der im Aufsatz genannten Zeugen zu verlangen. Insoweit in der Verweigerung dieses Verlangens ein Verfahrensverstoß der Vorinstanzen erblickt werden könnte (§ 66 AußStrG), kommt eine offenbare Gesetzwidrigkeit - wie erwähnt - begrifflich nicht in Frage; als Formbestandteil und Wirksamkeitsvoraussetzung der letztwilligen Verfügung (vgl. Weiß in Klang2 III 325; Welser in Rummel, ABGB, Rz 4 zu §§ 575 f und Rz 8 zu §§ 583 ff) aber kann der gerügte Verstoß nicht offenbar gesetzwidrig sein, weil die in § 586 ABGB getroffene Regelung den Kreis der Berechtigten ("jeder, dem daran gelegen ist") nicht so eindeutig umschreibt, daß gesagt werden könnte, die in der angefochtenen Entscheidung vertetene Ansicht widerspräche der klaren Absicht des Gesetzgebers (vgl. EFSlg. 52.757 ua).

Die Nichtigkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes erblickt die Rechtsmittelwerberin in einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanzen. Diese hätten sich über die zwingende Verfahrensvorschrift des § 66 AußStrG und die Bestimmung des § 586 ABGB hinweggesetzt und die R*** Ö*** von dem Verfahren völlig ausgeschlossen, was einer Rechtsverweigerung gleichkäme. Auch hier kann der Revisionsrekurswerberin nicht gefolgt werden. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung von Verfahrensvoraussetzungen wie der Legitimation zur Verfahrensbeteiligung kann nicht schon deshalb als nichtig qualifiziert werden, weil diese Verfahrensfrage sachlich unrichtig gelöst worden wäre (vgl. EvBl. 1980/78; SZ 53/178, EFSlg. 52.809 ua). Nur in ganz besonders gelagerten Fällen kann einem Verfahrensverstoß im Hinblick auf seine entscheidende Bedeutung das Gewicht einer Nullität im Sinne des § 16 AußStrG beigemessen werden, insbesondere dann, wenn ein solcher Verfahrensverstoß geradezu eine Rechtsverweigerung zur Folge hätten (vgl. EFSlg. 47.265, 52.807, 52.809 ua). Ein derartiger Verfahrensverstoß ist aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die R*** Ö*** hätte nämlich die Möglichkeit, ihre Ansprüche auf Herausgabe von Nachlaßgegenständen, die Erben eingeantwortet worden sind, obwohl sie nach Ansicht der Finanzprokuratur als erblos dem Staat gebührt hätten, im Rechtsweg mit einer der Erbschaftsklage analogen "Heimfälligkeitsklage" geltend zu machen (vgl. Koziol-Welser8 II 352; Welser, aaO, Rz 8 zu § 760 und Rz 26 zu §§ 823 f; Kralik in Ehrenzweig3 338; MGAAußStrG2 E Nr. 27 zu § 130 AußStrG). Führt aber die verfahrensrechtliche Entscheidung im Ergebnis dazu, daß die Verfolgung eines materiellen Anspruches in ein Verfahren verwiesen wird, das gegenüber dem Verlassenschaftsverfahren keineswegs einen geringeren Rechtsschutz gewährt, so kann von einer drohenden Rechtsverweigerung keine Rede sein (vgl. EFSlg. 52.809). Da somit keiner der im § 16 Abs.1 AußStrG normierten Rechtsmittelgründe vorliegt, mußte der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.

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