Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 116.400 S samt 6 % Zinsen aus 113.600 S vom 22. Juni 1988 bis 28. August 1988, 4 % Zinsen aus 14.000 S seit dem 29. August 1988 und 10,25 % Zinsen aus 102.400 S seit dem 29. August 1988 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 46.296,60 S (darin 8.000 S Barauslagen und 4.858,10 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin verkaufte ihre Liegenschaft EZ 1625 KG Gablitz mit dem Haus Mitterauen 16 am 20. Juli 1981 um 1,420.000 S an Brigitte H***. Die Klägerin erhielt von der Käuferin den Teilbetrag von 570.000 S. In dem vom Notar verfaßten und von den Vertragsteilen am 5. Oktober 1981 unterschriebenen Kaufvertrag wurde der Kaufpreis für die Liegenschaft mit 800.000 S und für das Inventar mit 50.000 S angegeben. Dieser Vertrag wurde am 19.Oktober 1981 dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern angezeigt. Die Käuferin bezahlte den Kaufpreisrest nach Fälligkeit nicht. Die Klägerin wandte sich im Dezember 1981 an den beklagten Rechtsanwalt und zeigte ihm die beiden Kaufvereinbarungen. Der Beklagte versuchte, die Kaufpreisforderung von 800.000 S durchzusetzen. In der auf den Prozeß folgenden Exekution erwies sich die Forderung der Klägerin als uneinbringlich, worauf sie durch den Beklagten der Käuferin am 21. Juni 1982 den Rücktritt vom Vertrag erklärte und am 1.Juli 1982 Schadenersatzforderungen ankündigte, die am 15.Dezember 1982 mit einem die Teilzahlung von 570.000 S übersteigenden Betrag mitgeteilt wurden.
Am 4.Feber 1985 wurde gegen die Klägerin das Finanzstrafverfahren wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG eingeleitet und mit Strafverfügung vom 27.März 1985 eine Geldstrafe von 45.000 S verhängt, weil sie als abgabenpflichtige Verkäuferin anläßlich des Kaufvertrages vom 5.Oktober 1981 über die Liegenschaft EZ 1625 KG Gablitz durch unrichtige Angabe der Gegenleistung mit 850.000 S anstelle der tatsächlich vereinbarten 1,420.000 S in der Abgabenerklärung Grunderwerbsteuer hinterzogen habe.
Mit Bescheid vom 11.Jänner 1988 hat das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien gegen die Klägerin den Anspruch des Bundesschatzes auf Zahlung der Grunderwerbsteuer von 113.600 S (= 8 % der Gegenleistung von 1,420.000 S) mit dem Hinweis geltend gemacht, daß die Abgabe von der nach den zivilrechtlichen Vorschriften verpflichteten Käuferin bisher nicht bezahlt wurde, die Verkäuferin als Gesamtschuldnerin dafür hafte und die Voraussetzungen nach § 20 GrEStG nicht vorliegen. Die Berufung der Klägerin wurde von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland am 12.August 1988 als unbegründet abgelehnt. Die Klägerin nahm zur Bezahlung der Abgabenschuld Bankkredit in Anspruch und hat 2.800 S Gebühren und 10,25 % jährliche Zinsen zu zahlen.
Am 7.Juli 1988 erhob die Klägerin gegen den beklagten Rechtsanwalt die Klage. Sie begehrt an Schadenersatz 116.400 S sA. Der Beklagte habe als der von ihr mit der Rückabwicklung des Kaufes betraute Rechtsanwalt die Antragstellung nach § 20 GrEStG in der Frist versäumt und sie auch nicht darüber aufgeklärt, daß ein solcher Antrag beim Rücktritt vom Kauf notwendig ist, um die Grunderwerbsteuerpflicht der Verkäuferin abzuwenden. Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er sei von der Klägerin, die schon den Kaufpreis für das Inventar von 50.000 S und eine Teilzahlung von 570.000 S auf den mit der Käuferin vereinbarten Kaufpreis für die Liegenschaft empfangen hatte, mit der Geltendmachung der Kaufpreisrestforderung von 800.000 S beauftragt gewesen, habe ihr zur Selbstanzeige wegen der falschen Kaufpreisangabe geraten und sie belehrt, daß ohnedies die Käuferin die Grunderwerbsteuer zu tragen habe (Punkt IV des Kaufvertrages). Die Klägerin habe davon nichts wissen wollen. Er habe auftragsgemäß die Klage erhoben und das Versäumungsurteil vom 17.Feber 1982 erwirkt. Die Exekution sei erfolglos geblieben, worauf ihm die Klägerin den Auftrag erteilte, der Käuferin nach Punkt III 3 des Kaufvertrages den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, eine Klage auf Räumung des Kaufobjektes einzubringen und den die erhaltene Teilzahlung übersteigenden Schaden von 42.043,43 S geltend zu machen. Auf seinen Hinweis, der Vertragsrücktritt sei dem Finanzamt zu melden, damit die Grunderwerbsteuer rückerstattet werde, habe die Klägerin versichert, sie werde diese Angelegenheit selbst regeln. Er sei nie beauftragt worden, die Meldung beim Finanzamt vorzunehmen. Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung von 116.400 S sA an die Klägerin. Es stellte im wesentlichen noch fest:
Der Klägerin ging es beim ersten Gespräch mit dem beklagten Rechtsanwalt im Dezember 1981 darum, den Vertrag zur Auflösung zu bringen und die Käuferin aus dem Kaufobjekt zu entfernen. Sie war auf Anregung des Beklagten damit einverstanden, zunächst die Hereinbringung des Restkaufpreises zu versuchen. Es ließ sich nicht feststellen, ob der Beklagte von der Abgabenerklärung wußte, weil auf der ihm vorgelegten Originalurkunde kein Gebührenanzeigevermerk vorhanden war, und ob er ihr zur Selbstanzeige wegen des Finanzvergehens riet oder meinte, sie sei nicht geboten, weil es wahrscheinlich nicht zur Verbücherung kommen werde. Am 21. Juni 1982 besprach sich die Klägerin mit dem Beklagten und erklärte, sie trete vom Kauf zurück und verlange von der Käuferin Schadenersatz. Nicht feststellbar ist, ob der Beklagte bei dem Gespräch die Klägerin nicht nur über ihre Ersatzansprüche sondern auch darüber belehrte, daß der Vertragsrücktritt dem Finanzamt zu melden sei, um der Vorschreibung der Grunderwerbsteuer zu entgehen, und ob die Klägerin ihm erklärte, sie werde die erforderliche Meldung selbst erstatten. Das Erstgericht ließ den Beklagten für den Schaden der Klägerin einstehen, weil er aus dem Vertrag verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin über die Vorschriften des § 20 Abs 1 GrEStG zu belehren, wonach die Grunderwerbsteuer auf befristeten Antrag nicht festgesetzt werde, wenn der Erwerbsvorgang aufgrund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden. Die Frist für den Antrag sei mit dem 31. Dezember 1983 als dem Ende des auf das Jahr des den Anspruch auf Nichtfestsetzung begründenden Ereignisses folgenden Kalenderjahres abgelaufen (§ 20 Abs 1 Z 5 GrEStG 1955). Dem Beklagten sei der ihm nach § 1298 ABGB obliegende Beweis nicht gelungen, daß er für die gebotene Belehrung der Klägerin gesorgt habe oder ohne sein Verschulden an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeit verhindert worden sei. Er habe der Klägerin den Schaden (Grunderwerbsteuerbetrag und Kreditkosten) zu ersetzen.
Das Berufungsgericht hob über die Berufung des Beklagten das Urteil des Erstgerichtes auf. Es verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück und sprach den Rechtskraftvorbehalt aus. In Erledigung der Beweisrüge hielt das Berufungsgericht die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für unbedenklich und legte sie seiner Entscheidung zugrunde. Die Rechtsrüge sei berechtigt: Es sei davon auszugehen, daß die Klägerin von den Finanzbehörden nicht auf Zahlung der Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen worden wäre, wenn rechtzeitig ein Antrag iSd § 20 Abs 1 Z 2 GrEStG 1955 gestellt worden wäre. Der Antrag sei unterblieben. Die Klägerin behaupte, den Beklagten mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages beauftragt zu haben, vom Beklagten über die Notwendigkeit der Antragstellung nicht belehrt worden zu sein und auch nicht erklärt zu haben, den Antrag selbst zu stellen. Der Beklagte wieder behaupte, er habe zuletzt nur den Auftrag zur Aufhebungserklärung und Geltendmachung von Schadenersatz erhalten, nicht aber zur Antragstellung nach § 20 Abs 1 Z 2 GrEStG 1955, und habe überdies die Klägerin hinreichend darüber aufgeklärt. Das Erstgericht habe trotz dieser widerstreitenden Behauptungen nicht festgestellt, mit welchen Maßnahmen der beklagte Rechtsanwalt beauftragt wurde, als ihm die Klägerin am 21. Juni 1982 erklärte, sie trete vom Vertrag zurück und verlange Schadenersatz. Dies sei aber von entscheidender Bedeutung. Den Auftragsumfang habe die Klägerin zu beweisen. Habe der Beklagte den umfassenden Auftrag zur Rückabwicklung des Kaufvertrages erhalten, sei er nicht bloß verpflichtet gewesen, die Klägerin über die Bestimmungen des GrEStG 1955 zu belehren, sondern von sich aus als Machthaber der Klägerin den Antrag zu stellen, soweit diese Maßnahme nicht ausdrücklich von dem Mandat ausgenommen wurde, was der Beklagte beweisen müßte. Wenn die Klägerin beweisen könne, daß der Beklagte den Vertrag nicht oder schlecht erfüllt habe und ihr daraus der Schaden entstanden ist, müsse der Beklagte nach § 1298 ABGB seine Schuldlosigkeit beweisen. Der Rechtsanwalt schulde im allgemeinen nicht einen bestimmten Erfolg, sondern nur die fachgerechte Beratung und Vertretung des Klienten. Der Beweis der Nichterfüllung des Vertrages obliege der Klägerin; die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB trete dabei noch nicht ein. Die Klägerin müßte daher auch beweisen, daß der Beklagte die Aufklärung unterlassen habe. Nur bei Erbringung dieses Beweises hätte der Beklagte den Beweis der Schuldlosigkeit an der Unterlassung zu erbringen. Das Erstgericht werde im fortzusetzenden Verfahren die Frage des Auftragsumfanges zu erörtern und dazu Beweise aufzunehmen haben. Der Frage der Beweislast bei Verletzung der Sorgfalt eines Rechtsanwaltes komme erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO iVm § 519 Abs 2 ZPO zu.
Mit ihrem zugelassenen Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung strebt die Klägerin die Beseitigung des Aufhebungsbeschlusses und die Wiederherstellung des ihrem Klagebegehren stattgebenden Urteiles des Erstgerichtes an. Der Beklagte beantragt, den Aufhebungsbeschluß zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Es bedarf der vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen nicht, um abschließend in der Sache entscheiden zu können. Wer einen Rechtsanwalt betraut, darf davon ausgehen, daß dieser in besonderem Maße (§ 1299 ABGB) geeignet ist, den Auftraggeber vor Nachteilen zu schützen, und alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte zur Verwirklichung des dem Rechtsanwalt bekannten Zweckes unternehmen werde. In jedem Falle gehört es zu den Aufgaben des die Vertretung übernehmenden Rechtsanwaltes, den rechtsunkundigen Mandanten eingehend zu belehren, soweit voraussehbar ist, daß aus der Unterlassung der Belehrung dem Auftraggeber ein Schaden entstehen könnte (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 1299; SZ 34/153; SZ 58/165; NZ 1988, 200 ua). So haftet der Rechtsanwalt, der mit der Vertretung in den mit einem Liegenschaftskauf zusammenhängenden Angelegenheiten betraut war, wenn er die Erörterung der Grunderwerbsteuerpflicht unterläßt (Koziol, Haftpflichtrecht2 192; SZ 46/66). Der beklagte Rechtsanwalt, dem nach erfolgloser Exekutionsführung zur Hereinbringung des Kaufpreisrestes bekannt war, daß Forderungen gegen die Käuferin nicht ohne weiteres einbringlich sind, hatte zu bedenken, daß sie möglicherweise auch die fällige Grunderwerbsteuer nicht bezahlt hat und die klagende Verkäuferin Gefahr läuft, wegen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für diese Abgabe (§ 17 Z 4 GrEStG 1955) von der Finanzbehörde in Anspruch genommen zu werden. Er hatte daher selbst bei einem auf die schriftliche Erklärung des Rücktritts vom Vertrag beschränkten Auftrag von sich aus die Klägerin darüber aufzuklären und, wenn nicht schon feststand, daß die Käuferin die Grunderwerbsteuer bereits entrichtet hatte, alle Vorkehrungen zu treffen, die nach dem Gesetz zur Verfügung standen, um die Haftung der Klägerin für diese Abgabe abzuwenden. Er hätte also die Klägerin auch über das Erfordernis einer Antragstellung nach § 20 GrEStG 1955 zu belehren und sicherzustellen gehabt, daß dieser Antrag durch ihn gestellt oder aber von der Klägerin selbst in der noch offenen Frist angebracht wird.
Dennoch kommt es auf das vom Berufungsgericht aufgeworfene Beweislastproblem nicht an. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch, weil er als beauftragter Rechtsanwalt seinen vertraglichen Verpflichtungen unzureichend nachgekommen sei und den Vermögensnachteil der Klägerin, daß sie ohne Aussicht auf Hereinbringung bei der Käuferin die Grunderwerbsteuer zu tragen hatte, verantworten müsse. Die Beweislastverschiebung nach dem § 1298 ABGB reicht nur so weit, daß bei Verletzung einer vertraglichen (oder gesetzlichen) Verbindlichkeit der Geschädigte vom Beweis des Verschuldens des Schädigers befreit ist, diesem vielmehr der Beweis obliegt, daß er an der Erfüllung der vertragsmäßigen (oder gesetzlichen) Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei. Haftungsansatzpunkt ist aber in jedem Fall die vom Gläubiger zu beweisende Nichterfüllung oder Schlechterfüllung. Der Geschädigte hat zunächst die Pflichtverletzung und den dadurch verursachten Schaden zu beweisen, also auch die Kausalität der Pflichtwidrigkeit (Koziol-Welser8 I 421; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 332; Mayrhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, AT 343; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1298; SZ 49/66; ZfRV 1977, 301 ua).
Für die Klägerin wäre nichts gewonnen, wenn der Beweis erbracht wäre, daß der Beklagte die ihn treffenden vertraglichen Pflichten zur Vorsorge für die Antragstellung nach § 20 GrEStG 1955 verletzt hätte. Nach § 20 Abs 1 Z 2 GrEStG 1955 wird die Grunderwerbsteuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden, also etwa das Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB ausgeübt wurde. Ist die Steuer bereits festgesetzt, so ist auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern (§ 20 Abs 4 GrEStG 1955). Diese Anträge können bis zum Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist (§ 20 Abs 5 GrEStG 1955).
Daraus haben die Vorinstanzen abgeleitet, die Klägerin habe nach dem Rücktritt von dem über die Liegenschaft geschlossenen Kaufgeschäft durch einen bis zum 31. Dezember 1983 angebrachten Antrag einen bescheidmäßigen Abspruch erreichen können, daß wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges die Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt oder auf Null abgeändert wird.
Den Parteien und den Vorinstanzen ist aber entgangen, daß im maßgebenden Zeitraum auch die Vorschrift des § 20 Abs 6 GrEStG 1955 idF nach Art. I Z 7 BGBl 1969/277 dem Rechtsbestand angehörte und daher die Vorschriften des § 20 Abs 1 bis 4 GrEStG 1955 nur galten, wenn beim rückgängig gemachten Erwerbsvorgang die Steuerschuldner ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht rechtzeitig nachgekommen sind. Erst mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 1986, G 229/85-12, ist § 20 Abs 6 GrEStG BGBl. 1955/140 idF BGBl 1969/277 als verfassungswidrig aufgehoben worden (Kundmachung BGBl. 1986/552). Auf den vor dem 1. Juli 1987 verwirklichten, wenn auch rückgängig gemachten Erwerbsvorgang sind nach § 12 Abs 2 GrEStG 1987 BGBl 309 die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung gestandenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Es ändert daher nichts, daß die vom Verfassungsgerichtshof am 20. Juni 1986 aufgehobene Bestimmung des § 20 Abs 6 GrEStG 1955 aus diesem Grunde in den § 11 GrEStG 1987 nicht übernommen wurde (Czurda, Kommentar zum GrEStG 1987 Rz 18a zu § 11). Nach Art. 140 Abs 7 B-VG ist auch ein vom Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden, soferne der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.
Ob die von der Klägerin als ihren Schadenersatzanspruch begründend vorgetragene Tatsache, der Beklagte habe bei ihrer Vertretung Vorkehrungen unterlassen, um ihre Grunderwerbsteuerpflicht zu beseitigen, überhaupt ursächlich für die Verminderung ihres Vermögens war, hängt von der Rechtslage im Zeitraum der Betrauung des Beklagten mit der anwaltlichen Vertretung ab. Die Nichterhebung oder Rückvergütung der Grunderwerbsteuer setzte damals dreierlei voraus, nämlich die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges im weiteren Sinn, einen Parteienantrag und die ordnungsgemäße Anzeige des rückgängig gemachten Erwerbsvorganges (Dorazil-Schwärzler, Grunderwerbsteuergesetz2 395). Die beiden ersten Voraussetzungen waren gegeben, es fehlte aber an der dritten Voraussetzung. Ordnungsgemäß ist die Abgabenerklärung nur, wenn sie unter Einhaltung aller Bedingungen des § 18 GrEStG 1955 vorgenommen wird, also sowohl hinsichtlich der materiellen Angaben als auch hinsichtlich der Anzeigefrist dem Gesetz entspricht (Dorazil-Schwärzler, aaO 407). Das Gesetz machte die Gewährung der Begünstigung nur von der objektiven Tatsache abhängig, daß der Erwerbsvorgang seinerzeit ordnungsgemäß angezeigt wurde. Ist dies aus irgendeinem Grund nicht geschehen, dann war die Begünstigung nach dem § 20 GrEStG 1955 zu versagen (VwGH 11. Mai 1959, Slg. 2016 F). Ordnungsgemäß angezeigt ist der zur Erwerbung einer Liegenschaft führende Rechtsvorgang nur, wenn unter anderem der richtige ungekürzte Kaufpreis angezeigt wird (VwGH 10. Dezember 1968, Slg. 3825 F).
Der beklagte Rechtsanwalt, dem die Klägerin beide Kaufvereinbarungen mit dem tatsächlichen und dem zur Steuerhinterziehung mit nur 800.000 S angeführten Kaufpreis für die Liegenschaft gezeigt hatte, mußte bei voraussetzender Kenntnis der in Betracht kommenden Vorschriften des Grunderwerbsteuerrechtes davon ausgehen, daß die Abgabenerklärung, falls sie dem Finanzamt in der Frist des § 18 Abs 1 GrEStG 1955 vorgelegt wurde, was tatsächlich erfolgt war, jedenfalls nicht der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht der Steuerschuldner entsprach, womit eine der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Antragstellung nach § 20 GrEStG 1955 fehlte. Da der Beklagte mit der Errichtung des Vertrages und der Abgabenerklärung nicht befaßt war, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Klägerin mit der Angelegenheit betraut wurde, hat nicht er es zu vertreten, daß ein Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung an der Sanktion des § 20 Abs 6 GrEStG 1955 scheitern mußte.
Bei von einem Rechtsanwalt zu forderndem gesetzestreuen Verhalten hätte der Beklagte die Klägerin daher nur darüber belehren können, daß sie für die Grunderwerbsteuer hafte und keinen Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung habe, weil sie ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen war.
Es hieße die Verpflichtungen des Beklagten überspannen, wenn ihm vorgeworfen würde, er habe eine Antragstellung nach § 20 GrEStG 1955 unterlassen und nicht erkannt, daß Aussicht bestand, die entgegenstehende Vorschrift des § 20 Abs 6 GrEStG 1955 beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Einen solchen Vorwurf hat auch die Klägerin gar nicht erhoben, denn sie meinte, ihr Schadenersatzanspruch ergebe sich schon daraus, daß der Beklagte als ihr Machthaber nicht rechtzeitig für sie den Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gestellt hat. Dabei übersieht sie aber, daß nach der Gesetzeslage die Voraussetzungen für eine solche Antragstellung aus von ihr selbst zu vertretenden Umständen - sie wurde auch wegen des Finanzvergehens bestraft - fehlten.
Daran scheitert der der Klägerin obliegende Beweis, daß eine Pflichtverletzung des Beklagten ursächlich für ihre Heranziehung zur Zahlung der Grunderwerbsteuer und ihren Aufwand an Kreditkosten war. Die Sache ist daher spruchreif, allerdings nicht in dem von der Rekurswerberin angestrebten Sinne der Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz. Da § 519 Abs 2 ZPO idF ZVNov 1983 bei Spruchreife die Entscheidungsbefugnis des Berufungsgerichtes über die Berufung an den Obersten Gerichtshof devolviert, liegt kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor, wenn dem Rekurs der Klägerin gegen den Aufhebungsbeschluß infolge Spruchreife stattgegeben, aber über die Berufung des Beklagten das Urteil erster Instanz abgeändert und das Klagebegehren abgewiesen wird (Fasching, ZPR Rz 1823). Nach § 41 und § 50 ZPO hat die Klägerin dem Beklagten die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung aufgewendeten Kosten aller Instanzen zu ersetzen.
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