OGH 5Ob543/81

OGH5Ob543/8131.3.1981

SZ 54/47

Normen

AGB der österreichischen Kreditinstitute Punkt 5
ABGB §1424
AGB der österreichischen Kreditinstitute Punkt 5
ABGB §1424

 

Spruch:

Die Kreditunternehmung hat bei Barabhebungen vom Gehaltskonto eines Kunden bei Fehlen einer hinreichend deutlichen abweichenden Vereinbarung das Risiko der Fälschung der Barabhebungsquittung zu tragen

OGH 31. März 1981, 5 Ob 543/81 (HG Wien 1 R 298/80; BG für Handelssachen Wien 8 C 2076/78)

Text

Am 9. Juni 1975 eröffnete die damals 17 jährige Klägerin bei der Zweigstelle T-Straße der Beklagten, einer Bank, ein Gehaltskonto mit der Nummer 70-76797/19. Sie unterfertigte ein Unterschriftsprobenblatt, in dem es u. a. heißt: "Für mein Konto lautend auf ....... haben Sie mir die für den Geschäftsverkehr mit Ihnen maßgebenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) samt Ergänzung ausgehändigt, deren Kenntnisnahme durch die rechts unten abgegebene Unterschrift bestätigt wird." Die Kenntnisnahme der "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" bestätigte die Klägerin mit "K Sylvia", ihre Unterschriftsprobe lautet hingegen "K Silvia". Gleichzeitig unterfertigte sie auch eine Bestätigung, wonach sie die "Bedingungen für die Führung von Gehaltskonten" erhalten und zur Kenntnis genommen sowie die "Bedingungen für das Abholen von Briefen für Inhaber von Gehaltskonten" zur Kenntnis genommen habe. Irgendwelche Belehrungen über Bankbedingungen wurden der Klägerin aber nicht erteilt. In den Bedingungen für die Führung von Gehaltskonten ist folgender Passus enthalten: "Tagesauszüge und Korrespondenzen werden dem Kontoinhaber im allgemeinen nicht zugesandt, sondern für ihn zur Abholung bei der Bank gemäß den umseitig abgedruckten Bedingungen bereitgehalten." In den Bedingungen für das Abholen von Briefen für Inhaber von Gehaltskonten wird u. a. ausgeführt: "1. Alle Mitteilungen oder Sendungen, gleichgültig, ob sie im Falle einer Zusendung als einfache oder rekommandierte Post behandelt würden, gelten mit allen im Gesetz und in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" festgelegten Folgen als am Tag nach der Bereitstellung dem Kunden zugegangen, sofern er sie nicht tatsächlich schon früher erhalten hat. Als Tag der Bereitstellung gilt, ohne daß die Bank die tatsächliche Bereitstellung zu beweisen hat, der auf der Sendung vermerkte Tag bzw. in Ermangelung eines solchen Vermerkes das Datum der in der Sendung enthaltene Mitteilung. 4. Alle Schäden und Nachteile, welche dadurch entstehen, daß die Bank die Sendungen gemäß der vom Kunden erteilten Weisung bei sich zur Abholung bereithält, ohne sie ihm durch die Post zugehen zu lassen, gehen zu Lasten des Kunden."

Die Klägerin benützte ihr Konto lediglich zur Abhebung ihres monatlichen Gehaltes und kümmerte sich daher zu anderen Zeitpunkten um Kontobewegungen nicht. Sie beanspruchte keine Scheckkarte und zahlte auch nie mit Scheck.

Im April 1976 nahm die Klägerin Christine H im Auto mit. Bei dieser Gelegenheit stahl Christine H. aus der Handtasche der Klägerin eine Geldbörse, in der sich neben Bargeld auch die Kontoerinnerungskarte sowie ein abgelaufener, für das Jahr 1975 gültiger Ausweis der ÖBB und Adressen von Freundinnen befanden. Da die Klägerin mit Christine H bekannt war, erstattete sie, nachdem sie den Verlust der Geldbörse zu Hause bemerkt hatte, keine Anzeige.

Am Tag nach dem Diebstahl ging die Klägerin zu der Zweigstelle T-Straße der Beklagten und sprach dort mit dem Vorstandstellvertreter M, weil sie der Meinung war, daß die Kontoerinnerungskarte zur Abhebung berechtigte. Sie erzählte von dem Verlust der Kontoerinnerungskarte und verwies darauf, daß sich in der Geldbörse auch eine Bahnfahrkarte befunden habe. Daß die Klägerin M gegenüber von einem Bahnausweis gesprochen hätte, konnte nicht festgestellt werden. M erklärte, daß es wegen der verlorenen Kontoerinnerungskarte nicht erforderlich sei, das Konto zu sperren. Hätte er davon gehört, daß auch ein Ausweisdokument mit einer Unterschrift in Verlust geraten sei, hätte er die Sperre des Kontos verfügt.

Christine H nahm vom Konto der Klägerin mehrere Abhebungen im Gesamtbetrag von 13 500 S vor. Dabei unterschrieb sie jeweils mit "Sylvia K", obwohl die Klägerin den Zunamen immer zuerst schreibt. Ansonsten sieht die gefälschte Unterschrift der echten durchaus ähnlich, zumal die Klägerin selbst ihren Vornamen manchmal mit "i", manchmal mit "y" schreibt.

Als Christine H am 24. Juni 1976 in der Zweigstelle S-Straße der Beklagten 600 S abheben wollte, wurde sie vom Schalterbeamten gestellt und der Polizei übergeben. Noch bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 24. Juni 1976 wußte die Klägerin von den Abhebungen nichts.

Mit der am 11. Oktober 1976 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Fällung des nachstehenden Urteils: "1. a)

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 13 500 S samt 4% Zinsen seit dem Klagetag zu bezahlen. b) Die beklagte Partei hat die Möglichkeit, sich von der zu a) auferlegten Zahlungsverpflichtung durch Herstellung des Standes des Kontos Nr. 70-76797/19, wie dieses sich ohne die klagsgegenständlichen Abhebungen darstellen würde, zu befreien." In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Jänner 1979 schränkte sie ihr Zahlungsbegehren auf 7000 S samt Anhang ein, weil die weiteren Beträge von 6000 S und 500 S erst nach dem 25. Mai 1976 abgehoben worden seien, als sie bereits ihren Kontoauszug gehabt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auszugehen sei davon, daß die 17 jährige Klägerin über ihr Einkommen im Rahmen des § 151 Abs. 2 ABGB habe verfügen können. Da die Auszahlung von Gehältern über Bankkonto allgemein verbreitet sei, werde auch ein derartiger Bankvertrag von dieser gesetzlichen Ermächtigung erfaßt (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] I, 38). Die AGB, die Bedingungen für Gehaltskonten und die Bedingungen für das Abholen von Briefen seien zwischen den Streitteilen wirksam vereinbart worden. Wesentlich für die Geltung von AGB sei, daß dem Kunden erkennbar sei, der Unternehmer kontrahiere nur zu seinen AGB, und daß der Kunde die Möglichkeit habe, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Beide Voraussetzungen lägen auf Grund der Unterfertigung der Beilagen B und 2 durch die Klägerin vor, wozu noch komme, daß die AGB der Österreichischen Kreditunternehmungen in allen Bankfilialen angeschlagen seien. Eine Kreditunternehmung genüge der in Punkt 5 AGB zugesagten Prüfungspflicht hinsichtlich der Echtheit der Unterschriften im Regelfall, wenn sie sich in einer den Regeln des Massenverkehrs entsprechenden Weise davon überzeugt habe, daß die Unterschrift dem äußeren Gesamtbild nach den Eindruck der Echtheit und der Übereinstimmung mit der hinterlegten Unterschrift bewirke. Die Kreditunternehmung könne von der Echtheit der Unterschrift ausgehen (Schinnerer - Avancini a.a.O., 65). Nicht auffälliger sei es, wenn plötzlich andere Beträge als bisher, allerdings im üblichen Rahmen, abgehoben würden. Abgesehen davon, daß Kreditinstitute mit weit gespanntem Filialnetz kaum in der Lage wären, solche Unterschiede wahrzunehmen, sei es dem Bankkunden sicher auch nicht zumutbar, wenn er jedes Mal einem Verhör unterzogen werde, warum er andere Beträge abhebe als früher. Was das Verhalten des Vorstandstellvertreters der Zweigstelle T-Straße der Beklagten, M, betreffe, so müsse zunächst davon ausgegangen werden, daß der Haftungsausschluß in Punkt 33 Abs. 2 AGB zumindest für grobe Fahrlässigkeit keine Gültigkeit habe. Der Freizeichnungsklausel des Punktes 33 Abs. 2 AGB stehe die in der Einleitung abgegebene Zusage gegenüber, Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu erfüllen, soweit die Bank dazu im Einzelfall in der Lage sei. Diese Zusage gehe nicht über § 347 HGB bzw. § 1299 ABGB hinaus, sondern werde dahin ergänzt, daß dann, wenn die Bank alle üblichen organisatorischen Maßnahmen getroffen habe, die Fehlleistungen verhindern sollen, bei einer trotzdem auftretenden Fehlleistung im Einzelfall der Haftungsausschluß wirksam werde (Schinnerer - Avancini a.a.O., 248). Die bloße Erwähnung einer Bahnfahrkarte könne nicht die organisatorische Maßnahme einer Kontosperre notwendig machen. Weder eine Kontokarte allein noch eine solche in Verbindung mit einer Bahnfahrkarte ermöglichten schon eine Abhebung; wesentlich sei immer die Unterschrift. Daß sich M, nachdem er das Wort "Bahnfahrkarte" gehört hatte, nicht erkundigte, ob diese nicht ein Ausweis mit einer Unterschrift war bzw. daß er sich sonst nicht nach Dokumenten mit einer Unterschrift erkundigte, könne - wenn überhaupt schuldhaft - so doch keineswegs als grob fahrlässiges Verhalten eingestuft werden. Die Beklagte hafte also für die Abhebung vom 17. Mai 1976 nicht und habe daher auch die weiteren Abhebungen am 19. Mai und 25. Mai 1976 nicht zu vertreten, so daß auf die Bedingungen für das Abholen von Briefen nicht eingegangen werden müsse.

Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 7000 S samt 4% Zinsen seit 11. Oktober 1976 an die Klägerin. Wie sich u. a. aus § 1424 Satz 1 ABGB ergebe, seien Leistungen aus einem Vertragsverhältnis grundsätzlich nur wirksam, wenn sie an den Vertragspartner erfolgten, soweit der Vertragspartner nicht Leistungen an einen Dritten gestatte (Ehrenzweig 2 II/1, 318). Treffe daher ein Unberechtigter Verfügungen über ein Konto, so dürfe daraus nicht der Kontoinhaber belastet werden. Das gelte auch für eventuelle Zahlungen auf Kredit, wenn kein Auftrag eines Verfügungsberechtigten vorliege. Das Fälschungsrisiko trage die Bank. Etwaige buchungsmäßige Belastungen des Kontos seien nach der Aufklärung rückgängig zu machen. Die Rückbuchung habe dabei rein deklaratorischen Charakter. Sie stelle lediglich die Rechtslage klar, nach der durch die Zahlung an den Fälscher im Vermögen der Bank ein Schaden eingetreten sei, aber keine Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber. Die Rückbuchung habe mit Wirkung ex tunc zu erfolgen, so daß z.B. hinsichtlich eventueller Haben- oder Sollzinsen so vorzugehen sei, als wäre die Buchung nie erfolgt (Canaris in RGRK-HGB[3], Bankvertragsrecht, 609, 658 ff.; Hefermehl in Schlegelberger, HGB[5] IV, 453 ff.). Durch Vereinbarung könne allerdings das Fälschungsrisiko von der Bank auf den Kunden verlagert werden. Die Beklagte berufe sich für ihren Standpunkt, durch die Abhebung der Christine H sei im Vermögen der Klägerin ein Schaden eingetreten, auf Punkt 5 der vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Österreichischen Kreditunternehmungen. Auf diese AGB seien die Auslegungsbestimmungen für Verträge anzuwenden. Vor allem seien unklare Bedingungen zum Nachteil der Kreditunternehmungen auszulegen. So seien die Bank begünstigende Bestimmungen nur so weit beachtlich, als ihr Umfang deutlich zum Ausdruck komme (Schinnerer - Avancini a.a.O., 17).

Punkt 5 AGB lautet: "Diejenigen Personen, die über Konto und Depot verfügungsberechtigt bzw. zeichnungsberechtigt sein sollen, gleichgültig ob sie im eigenen Namen oder für andere tätig werden, haben bei der Kreditunternehmung ihre Unterschrift zu hinterlegen. Die Kreditunternehmung wird schriftliche Dispositionen im Rahmen der Kontoverbindung mit dem Kunden auf Grund der hinterlegten Unterschriften der Verfügungs- bzw. Zeichnungsberechtigten zulassen. Die der Kreditunternehmung bekanntgegebenen Unterschriften gelten bis zum schriftlichen Widerruf, und zwar auch dann, wenn die Verfügungs- bzw. Zeichnungsberechtigung in einem öffentlichen Register eingetragen ist und in diesem eine Änderung erfolgt und veröffentlicht wird." Aus dem zweiten Satz des Punktes 5 AGB könne abgeleitet werden, daß die Kreditunternehmung Verfügungen unbeachtet lassen dürfe, wenn der Kontoinhaber nicht entsprechend der hinterlegten Unterschrift zeichne. Telefonische, telegrafische oder fernschriftliche Dispositionen seien ohne besondere Vereinbarung daher nicht auszuführen. Aus Punkt 5 AGB ergebe sich aber nicht - jedenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit - eine Überwälzung des Fälschungsrisikos von der Kreditunternehmung auf den Kontoinhaber. Das zeige auch eine Gegenüberstellung mit den "Bedingungen für den Scheckverkehr", deren Punkt 8 laute: "Alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Schecks, Scheckvordrucken und des Vordruckes des Bestell- und Empfangsscheines trägt der Kontoinhaber. Die Bank haftet nur für nachgewiesenes Verschulden und nur in dem Maße, als es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat."

Nicht mit dieser Deutlichkeit bestimme Punkt 8 Abs. 6 AGB: "Die Kreditunternehmung haftet, soweit gesetzlich zulässig, nicht für die Folgen der Durchführung gefälschter oder verfälschter Überweisungsaufträge." Diese Freizeichnungsklausel schließe Schadenersatzverpflichtungen der Bank aus, enthalte aber keine Regel darüber, in wessen Vermögen der durch die Durchführung gefälschter oder verfälschter Überweisungsaufträge verursachte Schaden eintrete. Gefälschte Überweisungsaufträge seien aber keine rechtlich wirksamen Buchungsgrundlagen. Christine H habe jedenfalls weder unter Verwendung von Schecks über das Konto verfügt noch das Konto betreffende Überweisungsaufträge erteilt. Außerdem habe Christine H anläßlich ihrer Barabhebungen immer mit "Sylvia K" unterschrieben, obwohl die Klägerin auf dem Unterschriftsprobenblatt den Familiennamen vorangestellt und den Vornamen "Silvia" geschrieben habe. Nach dem äußeren Gesamtbild hätte die Beklagte daher Bedenken gegen die Echtheit und die Übereinstimmung mit der hinterlegten Unterschrift hegen müssen. Diese Zweifel hätten Anlaß für weitere Erkündigungen sein müssen. Aus allen diesen Gründen hätten die auf gefälschten Unterschriften beruhenden Barabhebungen der Christine H die Beklagte nicht zu einer Belastung des Gehaltskontos der Klägerin berechtigt, es sei denn aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Beklagte habe aber keinen Schadenersatzanspruch gegen die Klägerin eingewendet. Ein solcher Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin würde gemäß § 1295 ABGB ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin, das den Schaden verursacht hat, voraussetzen. Auch diesbezüglich habe die Beklagte nichts behauptet. Die Klägerin sei allerdings verpflichtet gewesen, den Verlust der Kontoerinnerungskarte und des Ausweises der Beklagten anzuzeigen (Hefermehl a.a.O., 453). Die Klägerin habe am Tag nach dem Diebstahl der Beklagten eine Anzeige erstattet. Wenn sie dabei den bereits 1975 abgelaufenen Ausweis nicht erwähnt habe, erkläre sich das aus dem Fehlen an Wissen über die bestehenden Gefahren. Diese Uninformiertheit sei für den Angestellten der Beklagten M erkennbar gewesen, zumal er die Klägerin dahin aufgeklärt habe, daß der Verlust der Kontoerinnerungskarte die Sperre des Kontos nicht erforderlich mache. Im Hinblick auf die erkennbare Unkenntnis der Klägerin von der Gefahr der Behebung durch einen Unberechtigten sei die Beklagte nach der Übung des redlichen Verkehrs zur Aufklärung verpflichtet gewesen, so daß das Verschulden der mangelnden Erkündigung und Aufklärung die Beklagte treffe. Im übrigen habe die Beklagte auch nicht behauptet, die Unterschriften wären mit Hilfe des abgelaufenen Ausweises gefälscht worden, so daß die Ursächlichkeit der Unterlassung einer vollständigen Anzeige für den eingetretenen Schaden nicht feststehe. Gemäß Punkt 10 AGB müßten Reklamationen gegen Abrechnungen und Anzeigen unverzüglich erhoben werden, widrigenfalls der Kunde seine Zustimmung erkläre. Diese Bestimmung gelte nach der Rechtsprechung aber nicht, wenn ein nicht bevollmächtigter Dritter Verfügungen über das Konto getroffen habe (SZ 9/62; Schinnerer - Avancini a.a.O., 147). Außerdem fehle es im Zusammenhang mit der Unterlassung von Reklamationen an einem schuldhaften Verhalten der Klägerin. Aus der in den Bedingungen enthaltenen Fiktion des Zuganges am Tage nach der Bereitstellung lasse sich keine Verpflichtung des Kunden gegenüber der Bank ableiten, die bereitgestellte Urkunde - im Interesse der Bank - täglich zu beheben, weil diese nach dem Zweck der Regelung gerade vermieden werden solle. Es liege daher auch kein schuldhaftes Verhalten der Klägerin darin, daß sie vorerst der Beklagten von der Unrichtigkeit der vorgenommenen Buchungen keine Anzeige gemacht habe. Gemäß Punkt 4 der Bedingungen für das Abholen von Briefen für Inhaber von Gehaltskonten gingen zu Lasten des Kunden alle Schäden und Nachteile, welche dadurch entstehen, daß die Bank die Sendungen gemäß der vom Kunden erhaltenen Weisung bei sich zur Abholung bereithält, ohne sie durch die Post zugehen zu lassen. Dies begrunde nur eine Freizeichnung der kontoführenden Bank für jene Schäden, die dem Kontoinhaber aus der Nichtzustellung von Kontoauszügen erwachsen könnten, nicht aber für Schäden, die durch betrügerische Handlungen eines Dritten entstunden, wenn diese - wie hier - im Vermögen der kontoführenden Bank eingetreten seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten mit der Maßgabe nicht Folge, daß er dem Urteil des Berufungsgerichtes folgenden Absatz beifügte: "Die beklagte Partei hat die Möglichkeit, sich von der auferlegten Zahlungsverpflichtung durch Herstellung des Standes des Kontos Nr. 70-76797/19, wie dieses sich ohne die Abhebung von 1500 S am 17. Mai 1976, 4000 S am 19. Mai 1976 und 1500 S am 25. Mai darstellen würde, zu befreien."

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß nach herrschender Auffassung bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Schutz des "schwächeren" Vertragspartners des Verwenders der AGB die Unklarheitsregel des § 915 zweiter Halbsatz ABGBzum Nachteil des Verwenders einzugreifen hat, wobei vom Verständnishorizont eines durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Kreises von Verkehrsteilnehmern auszugehen ist (zuletzt etwa 5 Ob 698/79). Geschieht dies, dann ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß der durchschnittliche Inhaber eines Gehaltskontos dem Punkt 5 AGB nicht entnehmen kann, damit werde das grundsätzlich (§ 1424 ABGB; dazu auch Koziol - Welser[5] I, 228 und 5 Ob 892/76) von der Kreditunternehmung als Schuldnerin zu tragende Fälschungsrisiko allgemein, also auch bei Barabhebungen von einem Gehaltskonto gegen Barabhebungsquittung, auf den Kontoinhaber überwälzt. Punkt 12 AGB ist, wie die Beklagte in erster Instanz selbst vorgebracht hat, auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Im übrigen hätte die Beklagte nach dem zweiten Absatz dieses Punktes nur an denjenigen zahlen dürfen, den sie nach sorgfältiger Prüfung seines Ausweises als empfangsberechtigt ansah. Daß sie von Christine H vor der Auszahlung der Beträge einen Ausweis verlangt und diesen geprüft hätte, hat die Beklagte aber nie vorgebracht; derartiges ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Aus der allgemeinen Freizeichnungsklausel des Punktes 33 Abs. 2 AGB ergibt sich die Überwälzung des Fälschungsrisikos von der Kreditunternehmung auf den Kunden gleichfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit. Trifft aber das Fälschungsrisiko die Beklagte, so hat sie es ohne Rücksicht darauf zu tragen, ob sie die Fälschung schuldhafter- oder unverschuldeterweise nicht erkannte.

Aus Punkt 10 AGB - wonach Reklamationen gegen Abrechnungen und Anzeigen (soweit es sich nicht um Auszüge über Verrechnungsperioden und Rechnungsabschlüsse und die darin festgestellten Salden sowie um Wertpapieraufstellungen handelt) unverzüglich erhoben werden müssen und der Kunde durch Unterlassung rechtzeitiger Reklamation seine Zustimmung erklärt - im Zusammenhalt mit Punkt 1 der Bedingungen für das Abholen von Briefen für Inhaber von Gehaltskonten meint die Beklagte ableiten zu können, die Klägerin habe den klagegegenständlichen Abbuchungen vom 17., 19. und 25. Mai 1976 im Gesamtbetrag von 7000 S durch die Unterlassung der unverzüglichen Reklamation ihre Zustimmung erteilt.

Dieser Argumentation ist mit dem Berufungsgericht entgegenzuhalten, daß Punkt 10 AGB nicht gilt, wenn ein nicht bevollmächtigter Dritter Verfügungen über das Konto getroffen hat (SZ 9/62 und dazu Kramer in ÖJZ 1973, 509). Wie aus der von der Beklagten selbst vorgelegten Korrespondenz mit den Klagevertretern hervorgeht, hat die Klägerin den in Rede stehenden Abbuchungen aber so rechtzeitig widersprochen, daß deren konkludente Genehmigung nach den allgemeinen Vorschriften ausscheidet. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung JBl. 1964, 147, die unbefugte Überweisungen mittels Giroauftragsformularen durch den Buchhalter eines Girokonteninhabers betraf, ist auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar; überdies ließ sie die Vorentscheidung SZ 9/62 außer acht.

Hat die Beklagte das Fälschungsrisiko mangels dessen eindeutiger Überwälzung auf die Klägerin zu tragen und liegt auch eine Genehmigung der dennoch vorgenommenen Abbuchungen durch die Klägerin nicht vor, dann wäre die Beklagte von der Rückgängigmachung (Stornierung) der entsprechenden Belastungen des Gehaltskontos der Klägerin nur dann zur Gänze oder teilweise befreit, wenn und insoweit ihr ein Schadenersatzanspruch gegen die Klägerin zustunde.

Das Verschulden der Klägerin als Voraussetzung eines derartigen Schadenersatzanspruches erblickt die Beklagte in der Revision ebenso wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren darin, daß die Klägerin

1. nicht sofort nach dem Diebstahl der kontoführenden Zweigstelle der Beklagten den Verlust ihres Bahnausweises, der ihre Unterschrift trug, mitteilte und ihr Gehaltskonto sperren ließ und 2. die für sie bereitgehaltenen Kontoauszüge nicht jeweils sogleich abholte und die Beklagte von den unbefugten Abhebungen in Kenntnis setzte.

Beide Vorwürfe halten einer Überprüfung nicht stand. Bedenkt man die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende mangelnde Bankerfahrung der damals 17 jährigen Klägerin, die sie die mit dem Verlust des (bereits abgelaufenen) Bahnausweises verbundenen Gefahren nicht erkennen ließ, einerseits und die beim Vorstandstellvertreter der kontoführenden Zweigstelle der Beklagten vorauszusetzende Berufserfahrung andererseits und berücksichtigt man auch die vom Genannten im gegenständlichen Fall zu fordernde Aufmerksamkeit und Sorgfalt - mußte er sich doch die Möglichkeit vor Augen halten, daß der Dieb, wenn er die Kontoerinnerungskarte hat und die Unterschrift der Klägerin kennt, insbesondere bei den anderen Zweigstellen der Beklagten unschwer Barabhebungen tätigen könnte -, dann gelangt man zu dem Ergebnis, daß das behauptete Verschulden der Klägerin gegenüber dem Verschulden des Vorstandstellvertreters, der eine hinreichende Aufklärung des Sachverhaltes durch entsprechende Befragung der Klägerin und deren zweckdienliche Beratung unterließ, derart in den Hintergrund tritt, daß es nicht mehr ins Gewicht fällt und zu vernachlässigen ist.

Abgesehen davon, daß Punkt 4 der Bedingungen für das Abholen von Briefen für Inhaber von Gehaltskonten - worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hinwies - nur eine Freizeichnung der kontoführenden Bank für jene Schäden, die dem Kontoinhaber aus der Nichtzustellung von Kontoauszügen erwachsen könnten, enthält, nicht aber eine solche für Schäden, die - wie hier - durch betrügerische Handlungen eines Dritten im Vermögen der kontoführenden Bank entstehen, kann der Klägerin auch nicht als Verschulden angelastet werden, daß sie die ihr Gehaltskonto betreffenden Auszüge nicht täglich, sondern nur einmal gegen Ende des Monats abholte, zumal sie auf ihrem Konto außer den Gehaltsüberweisungen und Gehaltsabhebungen keine weiteren Kontobewegungen zu erwarten hatte. Ihrem Verschulden, das darin liegt, daß sie die Beklagte nicht sogleich nach Abholung der Kontoauszüge am 25. Mai 1976 von den daraus ersichtlichen unbefugten Abhebungen in Kenntnis setzte, wodurch die weiteren Abhebungen seitens Christine H am 31. Mai und 9. Juni 1976 hätten verhindert werden können, trug die Klägerin durch die Klageeinschränkung Rechnung.

Durch die Verurteilung zu einer Geldzahlung kann sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht im Sinne der Entscheidung JBl. 1964, 147 für beschwert erachten, weil ihr die Klägerin ohnehin die Möglichkeit einräumte, sich von der Zahlungsverpflichtung durch die Herstellung des Kontostandes zu befreien, der sich ohne die klagsgegenständlichen Abbuchungen ergeben würde. Dies war allerdings im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringen.

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