Normen
KO §19
KO §20
KO §30 Abs1 Z1
KO §19
KO §20
KO §30 Abs1 Z1
Spruch:
Wenn ein Gläubiger des späteren Gemeinschuldners sich dadurch innerhalb des im § 30 Abs. 1 KO genannten Zeitraumes die Befriedigung seiner Forderung verschafft, daß er von ihm Ware kauft und mit seiner Forderung gegen die Kaufpreisforderung aufrechnet, so liegt die Gläubigerbenachteiligung nicht in der Aufrechnung allein, sondern auch im Kaufvertrag und der durch ihn geschaffenen Aufrechnungsmöglichkeit. Nur dieser Gesamtvorgang stellt die anfechtbare Rechtshandlung dar
OGH 24. März 1981, 5 Ob 537/81 (OLG Linz 3 R 144/80; KG Steyr 3 Cg 235/77)
Text
Am 24. September 1976 wurde vom Kreis- als Handelsgericht St. Pölten das Konkursverfahren über das Vermögen der Peter L GesmbH (früherer Firmenwortlaut: L und B Hubstaplerreparatur und Handelsgesellschaft m. b. H.) eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Mit der am 23. September 1977 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Fällung des Urteils, die von der beklagten Partei hinsichtlich einer Teilforderung von 1 132 813.54 S aus der Rechnung Nr. 75/75 vom 20. Dezember 1975 der klagenden Partei und einer Teilforderung von 65 000 S aus der Rechnung Nr. 29/76 vom 31. Mai 1976 der klagenden Partei durchgeführte Aufrechnung mit eigenen offenen Forderungen an die Klägerin sei gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam, die beklagte Partei sei schuldig, 1 197 813.54 S samt 4% Zinsen seit dem Klagstag ... binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution an die klagende Konkursmasse zu bezahlen.
Das Erstgericht wies das "auf sämtliche Anfechtungstatbestände nach der KO" gestützte Klagebegehren ab.
Für den Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO sei nur entscheidend, ob durch inkongruente Deckung seiner Forderung eine objektive Begünstigung des Gläubigers erfolgt sei. Da im vorliegenden Fall die Aufrechnung am 29. März 1976 und am 1. Juni 1976 gültig vereinbart worden sei, lägen die Voraussetzungen für die Annahme einer objektiven Begünstigung nicht vor. Eine im Einvernehmen mit der Gemeinschuldnerin nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vereinbarte Aufrechnung sei unanfechtbar. Zur erfolgreichen Anfechtung nach § 31 Abs. 1 Z. 2 KO hätte der Kläger beweisen müssen, daß der Beklagten zur Zeit der Aufrechnungsvereinbarung die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bekannt war oder bekannt sein mußte. Bei juristischen Personen sei die Kenntnis der Zahlungsumfähigkeit durch ein zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu fordern, bei der Beklagten als Aktiengesellschaft daher durch ein Vorstandsmitglied, allenfalls durch einen Prokuristen. Eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin durch eines der in Betracht kommenden Organe der Beklagten zur Zeit der Aufrechnungsvereinbarungen vom 29. März und 1. Juni 1976 sei aber nicht festgestellt worden. Da es Peter L verstanden habe, bei seinen Gesprächspartnern auf Seite der Beklagten den Eindruck zu erwecken, daß er über sehr viel Geld verfüge, sein Unternehmen wirtschaftlich gesund und die Auftragslage gesichert sei, sei es begreiflich, daß bis zum Bekanntwerden der Verhaftung Peter Ls keine Zweifel an der Bonität der Gemeinschuldnerin aufkamen. Auch der Umstand, daß sich die Beklagte noch am 1. Juni 1976 entschlossen habe, nicht die gesamte Forderung der Gemeinschuldnerin aufzurechnen, spreche für die Annahme, daß bei ihr von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nichts bekannt gewesen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Vollzug einer Aufrechnung vor Konkurseröffnung, die - wie hier - auch im Konkurs zulässig wäre, ist in der Regel unanfechtbar, da keine Gläubigerbenachteiligung gegeben ist, wenn nach Wiederherstellung des alten Zustandes (durch eine Anfechtung) wieder aufgerechnet werden könnte; in der Herstellung einer Aufrechnungslage innerhalb der kritischen Zeit kann aber eine nach § 30 Abs. 1 Z. 1 KO anfechtbare Begünstigung liegen (Bartsch - Pollak[3] I, 114 und 204; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 76; SZ 40/35; vgl. auch Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 328; SZ 8/329 = ZBl. 1927/194 mit Besprechung von Ehrenzweig). Konkursanfechtung und konkursrechtliches Aufrechnungsverbot stehen nämlich als Mittel, einem Konkursgläubiger eine Befriedigung nach Ausbruch der Krise zu verwehren, selbständig nebeneinander, so daß eine Anfechtbarkeit der Aufrechnung nach § 30 KO auch dann zu bejahen ist, wenn die Voraussetzungen der konkursrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung in anfechtbarer Weise hergestellt worden sind (Mentzel - Kuhn - Uhlenbruck, dKO[9],286, RN 44 b zu § 29 und 471, RN 22 zu § 55; BGHZ 58, 108, 113). Wenn ein Gläubiger des späteren Gemeinschuldners sich dadurch innerhalb der kritischen Zeit die Befriedigung seiner Forderung verschafft, daß er von diesem Ware kauft und mit seiner Forderung gegen die Kaufpreisforderung des späteren Gemeinschuldners aufrechnet, so liegt die Gläubigerbenachteiligung nicht in der Aufrechnung allein, sondern auch in dem Kaufvertrag und der durch ihn geschaffenen Aufrechnungsmöglichkeit. In einem solchen Fall stellt der Gesamtvorgang, also die Aufrechnung zusammen mit dem Kaufvertrag, durch den die Aufrechnungsmöglichkeit herbeigeführt wurde, die anfechtbare Rechtshandlung dar; die Anfechtung ist auch gegen den Kaufvertrag zu richten, damit der Anfechtungsgegner die gekaufte Ware zurückzugewähren hat und die Kaufpreisforderung vernichtet wird; bei Aufrechtbleiben des Kaufvertrages und konkursrechtlicher Zulässigkeit der Aufrechnung könnte sonst wieder aufgerechnet werden (Mentzel - Kuhn - Uhlenbruck a.a.O., 311 RNm 47 zu § 30; Jaeger, dKO[8], 475 RNm 51 zu § 30; vgl. auch Ehrenzweig a. a.O. unter 1 lit. b).
Im vorliegenden Fall beschränkte sich der Kläger auf die Anfechtung der Aufrechnung. Diese Anfechtung ist daher schon aus den soeben dargelegten Erwägungen zum Scheitern verurteilt.
Was den Anfechtungstatbestand des § 31 Abs. 1 Z. 2 KO anlangt, so haben die Vorinstanzen in tatsächlicher Beziehung unanfechtbar festgestellt, daß die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Aufrechnungen nicht kannte, wobei es auf den genauen Zeitpunkt der buchmäßigen Durchführung der Gegenverrechnung nicht ankommt. Sie haben aber auch in rechtlicher Beziehung richtig erkannt, daß der hiefür die Behauptungs- und Beweislast tragende Kläger (SZ 40/146 u. v. a., zuletzt etwa 5 Ob 750/80) nicht solche Umstände bewiesen hat, die den Schluß rechtfertigen würden, der Beklagten habe die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Aufrechnungen bekannt sein müssen. Der Kläger vermag die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen in diesem Punkt nicht zu widerlegen. Der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs. 1 Z. 2 KO ist mithin gleichfalls nicht gegeben.
Da auch keiner der übrigen Anfechtungstatbestände der Konkursordnung vorliegt, war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Unter der in TP 1 lit. a des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührentarifes für die Höhe der Eingabengebühr als maßgebend genannten jeden "weiteren 1 Mill. S" ist eine volle Million Schilling zu verstehen (Erkenntnis des VwGH, 6. November 1970, Zl. 1142/70; ebenso 5 Ob 597, 598/80). Der Beklagten gebührt an Barauslagenersatz für die Revisionsbeantwortung daher nur ein Betrag von 2400 S.
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