Spruch:
Der Revisionsrekurs wird insofern zurückgewiesen, als er sich gegen die Entscheidung über die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit richtet.
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit S 7.360,65 (einschließlich S 669,15 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs zu ersetzen.
Text
Begründung
Der klagende Weinhändler, der seine Niederlassung in Innsbruck hat, begehrt die Verurteilung der beklagten Weinkellerei-Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Passau, Bundesrepublik Deutschland, zur Zahlung von S 180.550,50 samt Zinsen als Gegenleistung für die Lieferung von Weißwein. Er behauptet, die Beklagte habe die ihr zugleich mit der Ware zugekommene Faktura mit dem Vermerk "zahlbar und klagbar in Innsbruck" unbeanstandet angenommen, so daß das angerufene Landesgericht Innsbruck für diese Rechtssache (örtlich) zuständig sei.
Die Beklagte hat rechtzeitig die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und auch jene der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit erhoben und dazu im wesentlichen vorgebracht, daß ihr die Faktura erst 3 Tage nach der Ware zugekommen sei.
Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit und mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen so:
Für den Transport der Ware sei der Kläger verantwortlich gewesen, die Erledigung der Zollformalitäten sei Aufgabe der Beklagten gewesen. Mit dem Transport der Ware habe der Kläger die Firma G*** Transport Gesellschaft mbH betraut. Die Zollabwicklung sei über Auftrag der Beklagten durch die Spedition D*** erfolgt. Der Fahrer der G*** Transport Gesellschaft mbH, dem die Fakturen und sämtliche Verzollungspapiere übergeben worden seien, sei mit der Ware zum Grenzübergang Passau-Suben gefahren. Dort befinde sich ein Büro der Spedition D***. Nach Erledigung der Zollformalitäten durch diese Spedition habe der Fahrer der G*** Transport Gesellschaft mbH die Weinladung noch am selben Tage, nämlich am 22. April 1985, in das Lager der Beklagten gebracht. Die Dokumente seien zunächst dem Zollamt Suben übergeben und von diesem am 22. April 1985 abgestempelt worden. Am selben Tag habe der Kellermeister der Beklagten eine Ausfertigung des CMR-Frachtbriefes mit der Bestätigung "Gut und Dokumente empfangen" unterfertigt, doch habe er nicht die Rechnungen des Klägers erhalten. Die Papiere seien vom Zollamt Suben zum Hauptzollamt in Passau gegangen, welches die Abfertigung der Ware zum Lager bestätigt habe. Erst mit der Rechnung der Spedition D*** vom 23. April 1985 für die Durchführung der Einfuhrverzollung seien die drei Zollquittungen und die drei Rechnungen des Klägers am 29. April 1985 bei der Beklagten eingelangt. Die Rechnungen des Klägers seien mit dem Vermerk "zahlbar und klagbar in Innsbruck" versehen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Fakturen des Klägers der Beklagten erst nach dem Erhalt der Ware zugekommen seien, denn es habe nicht ausgereicht, daß sie am Tage der Warenauslieferung in die Verfügung der von der Beklagten mit der Zollabfertigung betrauten Spedition D*** gelangt seien; es sei nämlich üblicherweise nicht Aufgabe des Spediteurs, Rechnungen auf deren inhaltliche Richtigkeit, insbesondere auf die Übereinstimmung allfälliger Klauseln mit den getroffenen Vereinbarungen, zu überprüfen. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, daß die Beklagte im konkreten Fall der Spedition D*** derartige Befugnisse übertragen habe. In Ermangelung eines inländischen Gerichtsstandes fehle es auch an den erforderlichen Anknüpfungspunkten für die inländische Gerichtsbarkeit.
Das vom Kläger angerufene Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung des Erstgerichtes derart ab, daß es beide Prozeßeinreden verwarf. Es ließ den Revisionsrekurs unter Hinweis auf die §§ 528 Abs. 2 und 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zu und begründete im übrigen seine Entscheidung folgendermaßen:
Es ergebe sich aus den Prozeßakten mit hinreichender Klarheit, daß die Rechnungen des Klägers über die Weinlieferung an die Beklagte zunächst der von der Beklagten mit der Durchführung der Verzollung betraut gewesenen Spedition D*** übergeben worden seien und die Ware erst hernach in das Lager der Beklagten transportiert worden sei. Dies sei der Beklagten derart zuzurechnen, daß ihr die Rechnungen noch vor der Ware zugekommen seien. Die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 JN seien demnach erfüllt. Für die inländische Gerichtsbarkeit seien die Voraussetzungen über § 88 Abs. 2 JN, dem freilich nur Indizwirkung zukomme, insofern gegeben, als im Geschäftssitz des Klägers im Inland, seiner inländischen Geschäftstätigkeit, dem vereinbarten Kaufpreis in inländischer Währung und dem inländischen Erfüllungsort hinreichende inländische Anknüpfungspunkte vorhanden seien.
Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, der sich seiner Anfechtungserklärung nach gegen die Verwerfung beider Prozeßeinreden wendet, bezüglich des angeblichen Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit aber jegliche Rechtsausführungen vermissen läßt, jedoch ausdrücklich begehrt, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Entscheidung erster Instanz wiederherzustellen.
In seiner Rechtsmittelgegenschrift begehrt der Kläger, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Insofern sich der Revisionsrekurs gegen die Verwerfung der Prozeßeinrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit richtet, ist er wegen des Mangels jeglicher Rechtsmittelbegründung als unwirksam zurückzuweisen.
Im übrigen ist der Revisionsrekurs zwar wegen der in Ermangelung einschlägiger Rechtsprechung als erheblich im Sinne der §§ 528 Abs. 2 und 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zu beurteilenden Rechtsfrage zulässig, aber nicht begründet.
Die beklagte Weinkellerei-Gesellschaft mbH hat mit der von ihr vereinbarungsgemäß übernommenen Durchführung der Verzollung des gekauften Weines den Spediteur D*** betraut. Da zur Ausführung dieses Auftrages der Spediteur D*** die Fakturen über den zu verzollenden Wein benötigte, war er jedenfalls im Sinne des § 54 Abs. 1 letzter Fall HGB - also sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Sachrecht, so daß keine weitere kollisionsrechtliche Prüfung erforderlich ist - zur Empfangnahme dieser Fakturen durch die beklagte Weinkellerei-Gesellschaft mbH handlungsbevollmächtigt. Mit der Übernahme dieser Fakturen durch diesen spezialhandlungsbevollmächtigten Spediteur D*** hat die beklagte Weinkellerei-Gesellschaft mbH aber die alleinige Verfügungsgewalt über diese Fakturen erlangt und damit das in § 88 Abs. 2 JN geforderte Tatbestandsmerkmal "Annahme der Faktura" verwirklicht. Es sind ihr demnach die Fakturen bereits am 22. April 1985 noch vor der Auslieferung der Ware durch den vom Kläger mit dem Transport betrauten Frächter G*** Transport Gesellschaft mbH zugekommen. Auf die Ausführungen der Beklagten im Revisionsrekurs über die Aufgaben des von ihr betrauten Verzollungsspediteurs braucht nicht eingegangen zu werden, denn es wird dabei die irrige Ansicht zugrundegelegt, es handle sich bei dem Zuständigkeitstatbestand des § 88 Abs. 2 JN um einen Vertragsgerichtsstand; in Wahrheit ist dieser Gerichtsstand allein in der positiven Anordnung des öffentlichen Rechts begründet, das freilich insofern auf das der Warenlieferung zugrundeliegende Vertragsrecht Bedacht nimmt, als es dem Fakturenempfänger die Wahrung seiner privatrechtlich begründeten Rechtsposition durch die drei vorgesehenen Abwehrmaßnahmen sichert. Es genügt nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes vollkommen, daß die Faktura vom Verkäufer einem Empfangsboten des Käufers ausgehändigt wird, so daß es auf das Vorhandensein irgend einer Vollmacht und auf deren Umfang gar nicht ankommt, um das Tatbestandsmerkmal "Annahme der Faktura" im Sinne des § 88 Abs. 2 JN zu erfüllen. Der Käufer als Fakturenempfänger hat in solchen Fällen eben dafür zu sorgen, daß die im Gesetz vorgesehenen Abwehrmaßnahmen (Beanstandung der Faktura im allgemeinen oder der Fakturengerichtsstandsklausel als vertragswidrig oder Zurückstellung der Faktura ohne Bemerkung oder Zurückweisung der fakturierten Sendung als nicht bestellt) rechtzeitig vorgenommen werden. Aus den dargelegten Erwägungen mußte dem Revisionsrekurs der Beklagten der Erfolg versagt bleiben.
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