OGH 5Ob521/88

OGH5Ob521/8819.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der erlegenden Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen die Erlagsgegner 1) Heinrich H*** und 2) Augustine H***, beide 4121 Altenfelden, Fraunschlag 6, wegen 284.582,70 S, 64.260 S und 55.887,30 S infolge Revisionsrekurses der erlegenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 27. November 1987, GZ 18 R 796, 797/87-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neufelden vom 4. November 1987, GZ 3 Nc 18/85 (3 Nc 2/86)-7, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Text

Begründung

Das Amt der oberösterreichischen Landesregierung - von der ersten Instanz als Erlegerin bezeichnet - erlegte (offensichtlich als Büro des Landeshauptmannes) für die Republik Österreich an Enteignungsentschädigung wegen Annahmeverweigerung durch die Erlagsgegner und um den Enteignungsbescheid vollziehen zu können (§ 20 Abs 4 BStG) auf Grund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides vom 4. Jänner 1983 284.582,70 S (3 Nc 18/85-1), des rechtskräftigen Enteignungsbescheides vom 28. April 1983 64.260 S (3 Nc 2/86-1) und - vom Revisionsrekurs nicht betroffen - 55.787,30 S (3 Nc 2/86-3). Diese Erläge wurden vom Bezirksgericht Neufelden angenommen, ohne daß im Erlagsverfahren die ausschließlich zur Vertretung der Republik Österreich befugte Finanzprokuratur beteiligt worden wäre. Am 20. Juni 1986 beantragten die Erlagsgegner die Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung (3 Nc 33/85 und 3 Nc 6/86 des Bezirksgerichtes Neufelden). Dennoch beantragten sie am 29. September 1987 die Ausfolgung der erlegten Beträge (3 Nc 18/85-4). Das Amt der oberösterreichischen Landesregierung sprach sich namens der Republik Österreich im Hinblick auf das Verfahren zur Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung gegen die Ausfolgung der hinterlegten Beträge aus, ging aber dabei davon aus, daß die gerichtliche Anfrage sich nur auf die hinterlegten 284.597,70 S und 55.887,30 S bezog (ON 5).

Das Erstgericht wies den Erfolglassungsantrag der Erlagsgegner unter anderem auch mit der Begründung ab, daß sich die Erlagsgegner mit der Entschädigungssumme nicht einverstanden erklären und daher in ihrem Ausfolgungsantrag eine stillschweigende Anerkennung des Erlagsgrundes nicht zu erblicken sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Landesgericht Linz dem Rekurs der Erlagsgegner bezüglich der erlegten 284.582,70 S und 64.260 S dahin Folge, daß es die Ausfolgung dieser Beträge samt der hievon abgereiften Zinsen anordnete. Grund für den Erlag sei die Nichtannahme der Entschädigungsumme durch die Erlagsgegner gewesen. Mangels Setzung einer Bedingung zur Ausfolgung durch die erlegende Partei hätte das Erstgericht ausfolgen müssen.

Nachdem der Finanzprokuratur der ihr zunächst nicht zugestellte Beschluß des Rekursgerichtes am 8. Feber 1988 zugekommen war (ON 11), erhob diese dagegen den am 17. Februar 1988, sohin rechtzeitig, zur Post gegebenen Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt werde, in eventu, dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Die Republik Österreich machte darin zunächst die Nichtbeteiligung ihrer ausschließlichen Vertretung, nämlich der Finanzprokuratur, am Erlagsverfahren geltend. Wäre die Finanzprokuratur dem Gesetz entsprechend beigezogen worden, so wäre als Erlagsgegner die Oberösterreichische Kraftwerke AG als Dienstbarkeitsberechtigte namhaft gemacht worden, sodaß schon aus diesem Grund eine Ausfolgung der Entschädigungssumme an die enteigneten früheren Grundeigentümer nicht erfolgen dürfe. Darüber hinaus enthalte der Ausfolgungsantrag nicht die Erklärung, das Empfangene als auf die Leistung geschuldet anzunehmen. Überdies sei durch den Antrag der Erlagsgegner auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung der Enteignungsbescheid hinsichtlich der Höhe der Entschädigung außer Kraft getreten und daher ein Rechtstitel für Entschädigungszahlungen und damit auch für die Ausfolgung der erlegten Beträge nicht mehr gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Zutreffend wird im Revisionsrekurs geltend gemacht, daß die Finanzprokuratur im Verfahren vor den Unterinstanzen trotz ihres ausschließlichen Rechtes, die Republik Österreich vor Gericht zu vertreten (§ 1 Abs 2 im Zusammenhang mit § 2 Abs 1 Z 1 ProkG) nicht für die Republik Österreich einschritt und die Vorinstanzen ein solches Einschreiten gesetzwidrigerweise auch nicht veranlaßten. Dies schadet aber insoweit nicht, als die bisher ergangenen Beschlüsse im Erlagsverfahren zur Sanierung des Mangels der Finanzprokuratur noch zugestellt werden können und die erlegende Partei auch zur nachträglichen Namhaftmachung weiterer Erlagsgegner berechtigt ist (SZ 27/59, 51/42). In dem derzeitigen Verfahrensstadium braucht auch nicht geprüft werden, welche Folgen die mangelnde Beteiligung der Finanzprokuratur im Erlagsverfahren für die Wirksamkeit des Erlages hat, weil eine Ausfolgung aus nachstehenden Gründen nicht erfolgen darf:

Hat der Erleger keine Bedingung für die Ausfolgung gesetzt, so ist schon durch den Erlag seine Einwilligung zur Ausfolgung an die Erlagsgegner erteilt (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 35 zu § 1425; SZ 44/149). Allerdings darf der Gläubiger den Rechtsgrund des Erlages bei seinem Ausfolgungsantrag nicht ändern; er muß diesen zumindest stillschweigend durch die bloße Stellung des Ausfolgungsantrages anerkennen (SZ 44/149; JBl 1959, 186). Da nun die Erlagsgegner durch Anrufung des Gerichtes zwecks Festsetzung der Enteignungsentschädigung das Außerkrafttreten des diese Summe festsetzenden Teiles des Enteignungsbescheides bewirkten (§ 20 Abs 3 BStG), existiert der Rechtstitel, unter dem die Republik Österreich seinerzeit die Beträge erlegte, nicht mehr. Eine Ausfolgung unter Anerkennung des Rechtsgrundes des Erlages ist daher begrifflich nicht mehr möglich. Erst durch das die Festsetzung der Entschädigung betreffende außerstreitige gerichtliche Verfahren wird über den erlegten Betrag endgültig entschieden (SZ 55/55).

Zusammenfassend gilt daher Folgendes:

Wird der vom Enteigneten nicht angenommene Entschädigungsbetrag laut Enteignungsbescheid gemäß § 20 Abs 4 BStG gerichtlich hinterlegt, ist der Ausfolgungsantrag des Antragsgegners, der in der Zwischenzeit die Entscheidung des Gerichtes gemäß § 20 Abs 3 BStG begehrte, abzuweisen, weil wegen des dadurch bewirkten Außerkrafttretens der verwaltungsbehördlichen Entscheidung der Titel für den Erlag wegfiel und folglich eine im bloßen Ausfolgungsantrag gelegene stillschweigende Anerkennung des seinerzeitigen Erlagsgrundes (= Vollzahlung der Entschädigung) begrifflich nicht mehr möglich ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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