OGH 5Ob520/95

OGH5Ob520/9527.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Sabrina S*****, geboren am 3.Februar 1983, und Carmen S*****, geboren am 1.September 1985, wohnhaft und in Obsorge bei der Mutter Judith M*****, vertreten durch Dr.Herwig Mayrhofer und Dr.Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwälte in Dornbirn, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Ing.Hans S*****, vertreten durch Dr.Gerold Hirn, Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 27. April 1995, GZ 1 R 161, 162/95-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 28.Februar 1995, GZ P 177/92-29, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der hinsichtlich seines abweisenden Teiles als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, daß der Vater Ing.Hans S***** ab 1.1.1994 folgende monatliche Unterhaltsbeträge zu leisten hat: a) für Sabrina S 5.200, b) für Carmen S 4.400.

Die bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeträge sind - abzüglich bereits geleisteter Zahlungen - binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge jeweils bis zum 5. eines jeden Monats im vorhinein zu Handen der obsorgeberechtigten Mutter Judith M***** zu bezahlen.

Das Mehrbegehren für die Zeit ab 1.1.1994 wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die beiden Kinder Sabrina und Carmen S***** entstammen der mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 22.7.1992 geschiedenen Ehe von Ing.Hans S***** und Judith M*****. Anläßlich der Scheidung verpflichtete sich der Vater mit Vergleich vom 22.7.1992 für beide Kinder ab 1.8.1992 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 3.000 zu leisten. Weiters wurde vereinbart, daß diese Unterhaltsbeträge ab Februar 1993 auf S 3.700 für Sabrina und S 3.300 für Carmen erhöht werden.

Am 1.6.1994 brachte die Mutter in Vertretung der beiden Kinder beim Erstgericht den Antrag ein, die Unterhaltsbeträge rückwirkend ab August 1992 zu erhöhen, und zwar für Sabrina von August 1992 bis einschließlich Jänner 1993 auf S 5.100, von Februar 1993 bis Mai 1994 auf S 5.700 und ab Juni 1994 auf S 5.890. Für Carmen wurde beantragt, die Unterhaltsbeträge von August 1992 bis Mai 1994 auf S 4.800 und ab 1. Juni 1994 auf S 4.960 zu erhöhen. Der Vater beziehe seit August 1992 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von zumindest S 30.000. Bei der Unterhaltsbemessung sei die Prozentsatzmethode anzuwenden.

Der Vater sprach sich gegen die beantragte Unterhaltserhöhung aus und verwies auf den bei der Scheidung geschlossenen Unterhaltsvergleich. Er habe aus einem Zwangsausgleich beträchtliche monatliche Verpflichtungen zu zahlen. Die Ausgleichsmittel seien fremdfinanziert worden. Die Anwendung der Prozentsatzmethode sei nicht angemessen. Unzulässig sei es unter den gegebenen Verhältnissen auch, eine Erhöhung für die Vergangenheit zu begehren.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Unterhaltserhöhungsbegehren für beide Kinder zur Gänze ab. Es stellte fest, daß der Vater im Jahr 1991 mit seinen beiden Unternehmen insolvent wurde und sich im Rahmen eines Ende 1991 beantragten Zwangsausgleiches verpflichtet hat, 20 % (ca. 2,000.000 S) der offenen Forderungen zu bezahlen. Der Ausgleich wurde durch Verkauf von Firmenaktiven und einer Privatliegenschaft sowie durch Privatdarlehen (S 200.000) und einen Bankkredit über S 930.000 finanziert. Für das Privatdarlehen leistet der Vater nach seinen Möglichkeiten monatliche Rückzahlungen von S 2.000. Aufgrund einer Rücksprache mit Dr.Manfred L*****, der die Mutter im Scheidungsverfahren vertreten hat, gelangte das Erstgericht zur Feststellung, daß im Zeitpunkt der Ehescheidung die finanziellen Schwierigkeiten des Vaters bekannt gewesen sind und darauf bei der Unterhaltsbemessung Bedacht genommen worden ist. Es ist damit gerechnet worden, daß bis Februar 1993 das Konkursverfahren gegen den Vater abgeschlossen sein und dieser dann mehr Geld zur Verfügung haben wird, weshalb per Februar 1993 eine Erhöhung der Unterhaltsbeträge vereinbart worden ist. Der Vater ist seit 1992 bei der Z***** GmbH beschäftigt und erzielt dort im Jahresdurchschnitt folgende Einkünfte: 1992 S 28.761,05; 1993 S 32.618,42; 1994 S

31.475.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, daß die beantragte Unterhaltserhöhung nicht gerechtfertigt sei, weil dem bei der Scheidung abgeschlossenen Unterhaltsvergleich die damaligen Einkommensverhältnisse des Vaters zugrunde gelegt worden seien und seither keine wesentlichen Änderungen in den Einkommensverhältnissen des Vaters eingetreten seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beiden Kinder teilweise Folge und verpflichtete den Vater a) für Sabrina vom 1.1. bis 31.5.1994 monatlich S 5.700 und ab 1.6.1994 monatlich S 5.890, b) für Carmen vom 1.1. bis 31.5.1994 monatlich S 4.800 und ab 1.6.1994 monatlich S

4.960 an Unterhaltsbeträgen zu bezahlen. Das Unterhaltserhöhungsbegehren für die Zeit vom 1.8.1992 bis 31.12.1993 wurde abgewiesen. Schließlich sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte im wesentlichen folgendes aus:

Das Rekursgericht habe nunmehr davon auszugehen, daß bei Abschluß des Unterhaltsvergleiches auf die Insolvenzsituation des Vaters Bedacht genommen worden sei und daß die Unterhaltsbeträge gerade im Hinblick auf diese Situation unter jenen Beträgen festgesetzt worden seien, die sich nach der Prozentsatzmethode ergeben hätten. Dies ergebe sich aus den Angaben der Mutter und jenen von Rechtsanwalt Dr.Manfred L***** (ON 25 und ON 28). Letzterer habe angegeben, daß gerechnet worden sei, das Konkursverfahren des Vaters werde bis 1993 beendet sein, er werde dann wieder mehr Geld zur Verfügung haben, weshalb vereinbart worden sei, daß die Unterhaltsbeträge für die beiden Kinder mit Februar 1993 erhöht würden. Gehe man nun davon aus, daß bei der seinerzeitigen Unterhaltsvereinbarung auf die Insolvenzsituation des Vaters Bedacht genommen worden sei, so sei es nicht gerechtfertigt, nunmehr rückwirkend und unter Mißachtung der damaligen Vergleichsgrundlage höhere Unterhaltsbeträge zu verlangen, die damals im Hinblick auf die finanziellen Schwierigkeiten des Vaters bewußt und absichtlich unter den nunmehr begehrten und sich nach der Prozentsatzmethode auch damals schon ergebenden Beträgen festgesetzt worden seien. Die Kinder müßten sich hier die Bindung an den von ihren Eltern im Hinblick auf die Insolvenzsituation des Vaters geschlossenen und in der Folge pflegschaftsgerichtlich genehmigten Unterhaltsvergleich entgegenhalten lassen, da die der Unterhaltsbemessung damals zugrunde gelegten Prämissen für den hier in Frage stehenden Zeitraum nicht in Wegfall geraten seien. Aus den Erhebungsergebnissen gehe nun allerdings nicht hervor, für welchen Zeitraum auf die Insolvenzsituation des Vaters Bedacht genommen werden sollte. Aus den Angaben von Rechtsanwalt Dr.Manfred L***** ergebe sich, daß damit gerechnet worden sei, der Vater werde ab Februar 1993 ein höheres Einkommen zur Verfügung haben und daher ab diesem Zeitpunkt höhere Unterhaltsleistungen erbringen können. Da diese Unterhaltsvereinbarung ebenfalls pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden sei, müsse jedenfalls auch noch für einen gewissen Zeitraum ab Wirksamwerden dieser höhere Unterhaltsbeträge zum Gegenstand habenden Vereinbarung eine Unterhaltserhöhung als nicht gerechtfertigt angesehen werden. Auch hier müßten sich die Kinder doch für eine angemessene Zeit gefallen lassen, daß die Eltern in einer pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vereinbarung eine unter den sich nach der Prozentsatzmethode rechnerisch ergebenden Beträgen liegende Unterhaltserhöhung vereinbart hätten. Es sei daher nicht gerechtfertigt, über die im Februar 1993 wirksam gewordene Unterhaltserhöhung hinaus nunmehr rückwirkend für das Jahr 1993 eine weitere Unterhaltserhöhung vorzunehmen. Anders verhalte es sich für die Zeit ab 1.1.1994. Für diesen Zeitraum sei davon auszugehen, daß sich die Lebensverhältnisse des Vaters seit Abschluß des Zwangsausgleiches doch einigermaßen konsolidiert hätten und es zu Lasten der Kinder nicht gerechtfertigt sei, weiterhin auf die finanziell noch nachwirkende Belastung aus dem Zwangsausgleich Bedacht zu nehmen. Aus den Angaben von Rechtsanwalt Dr.Manfred L***** könne jedenfalls nicht abgeleitet werden, daß die Eltern bei Abschluß des Vergleiches auf die Insolvenzsituation des Vaters auch für den Zeitraum ab 1993 (gemeint wohl: 1994) in besonderer Weise Bedacht nehmen wollten. Es sei daher gerechtfertigt, eine Neubemessung der Unterhaltsbeträge mit 1.1.1994 vorzunehmen. Hiebei sei auf das im Jahr 1994 erzielte Durchschnittseinkommen des Vaters abzustellen. Aufgrund der vom Rekursgericht hiezu ergänzend eingeholten Gehaltsauskunft ergebe sich für 1994 eine Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters von rund S 33.200. Bei dieser Einkommenssituation des Vaters sei eine Erhöhung der Unterhaltsbeträge ab 1.1.1994 in dem von der Mutter angestrebten Umfang angemessen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrages abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und teilweise auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß sich der Oberste Gerichtshof nur mehr mit dem Zeitraum ab 1.1.1994 zu befassen hat, weil über vorherige Zeiträume bereits rechtskräftig abgesprochen wurde.

Der Rechtsmittelwerber rügt als Nichtigkeit, daß er zur Darstellung des Dr.L***** (ON 28) nicht habe Stellung nehmen können. Es wäre ansonsten zur Feststellung gekommen, daß die Schulden, welche der Rechtsmittelwerber zur Ermöglichung des Zwangsausgleiches eingegangen sei, ihn mindestens zehn Jahre lang belasten würden.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt insoweit aber schon deshalb nicht vor, weil der Rechtsmittelwerber ohnehin seine langjährige Kreditbelastung durch Vorlage der Kreditzusage vom 8./9.10.1992 belegen konnte (ON 21, AS 131).

Was den am 22.7.1992 abgeschlossenen, pflegschaftsgerichtlich genehmigten Unterhaltsvergleich anlangt, so entspricht es der Judikatur, daß ein Kind an eine pflegschaftsbehördlich genehmigte, im Wissen der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse getroffene Vereinbarung seiner Eltern über den vom Vater zu leistenden Unterhaltsbetrag so lange gebunden ist, als dadurch sein Gesamtunterhalt nicht geschmälert wird (EFSlg 67.824 bis 67.826, 70.835 ua). Es trifft auch zu, daß die Abänderung der in einem Unterhaltsvergleich getroffenen Regelung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse voraussetzt (EFSlg 71.499 ua).

Das Rekursgericht hat nun angenommen, daß sich die Lebensverhältnisse des Vaters ab 1.1.1994 einigermaßen konsolidiert haben. Zu Recht rügt der Rechtsmittelwerber, daß es keine Beweisgrundlage dafür gibt, seine Vermögensverhältnisse hätten sich (gerade) ab 1.1.1994 verbessert. Dies bedeutet aber noch nicht, daß der Unterhaltserhöhungsantrag abzuweisen wäre; eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist nach dem Vergleichsabschluß nämlich insofern eingetreten, als es dem Rechtsmittelwerber gelungen ist, den Zwangsausgleich durch Einholung der Kreditzusage einer Bank vom 8./9.10.1992 zu finanzieren. Während er also bei Vergleichsabschluß noch durch eine Schuldenlast von ca. 8,000.000 S existentiell bedroht war, wurde er in der Folge durch die Kreditgewährung der Bank in die Lage versetzt, den Zwangsausgleich zu erfüllen und sich solcherart 80 % seiner Schulden zu entledigen; verblieben ist dem Rechtsmittelwerber aus der Insolvenz eine bei seinem Einkommen tragbare Kreditbelastung von ca. S 12.000 monatlich. Die finanziellen Schwierigkeiten, die der Anlaß waren, im Vergleich die Unterhaltsbeträge unter den nach der Prozentsatzmethode sich ergebenden Beträgen festzusetzen, sind daher zwar nicht ganz weggefallen, können aber in geordneten Bahnen bewältigt werden.

Dies bedeutet weder, daß die im Vergleich berücksichtigten finanziellen Schwierigkeiten des Rechtsmittelwerbers nunmehr überhaupt nicht zu berücksichtigen wären, noch, daß es für die ganze Kreditlaufzeit bei den im Vergleich festgelegten Ansätzen zu bleiben hätte. Vielmehr hat es zur Anpassung des Vergleiches zu kommen: Da im allgemeinen die Neubemessung des Unterhalts infolge einer Änderung der Verhältnisse nicht völlig losgelöst von der bestehenden vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze zu erfolgen hat (EFSlg 68.469 ua), ist im vorliegenden Fall auf das dem Vergleich vom 22.7.1992 zugrunde gelegte Kriterium "Insolvenzsituation des Vaters" weiterhin Bedacht zu nehmen, soweit es noch Auswirkungen hat.

Kreditrückzahlungsverpflichtungen sind bei der Unterhaltsbemessung zwar nur ausnahmsweise zu berücksichtigen, so wenn sie Kredite betreffen, die zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen bzw zur Erhaltung der Arbeitskraft des Unterhaltspflichtigen oder für existenznotwendige Bedürfnisse aufgenommen worden sind (EFSlg 73.205 f ua). Der erkennende Senat hält es angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles aber für sachgerecht, den Unterhaltsvergleich derart an die geänderten Verhältnisse anzupassen, daß die Hälfte der aus der Finanzierung des Zwangsausgleiches resultierenden Kreditbelastung als abzugsfähig anerkannt wird. Die vom Rekursgericht ermittelte Unterhaltsbemessungsgrundlage von ca. S 33.200 ist daher um ca. S 6.000 zu vermindern. Daraus ergeben sich nach der in der Praxis üblichen Berechnungsweise (vgl Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 14, 15) Unterhaltsbeträge für die beiden Kinder von S 5.200 und S 4.400 monatlich.

Der angefochtene Beschluß war daher in diesem Sinne abzuändern.

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