Spruch:
Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben.
Der Antrag des Ing.Günter S*** auf Genehmigung eines Pflichtteilsverzichtsantrages hinsichtlich seiner beiden minderjährigen Kinder Christine S***, geboren am 23.Dezember 1978 und Wolfgang S***, geboren am 20.Juni 1982, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Zwillingsbrüder Ing.Günter S*** und Ing.Wolfgang S***, beide geboren am 24.April 1935, sind die Kinder der am 31. Juli 1987 verstorbenen Pauline S***. Diese hat mit Testament vom 1.Juli 1980 ihre fünf Enkel aus den damals aufrecht bestehenden Ehen ihrer Söhne zu Erben eingesetzt. In dem Testament wird ausdrücklich betont, daß nur die Nachkommen ihrer beiden Söhne aus ihren derzeitigen Ehen mit Erika S*** (Ing.Günter) und Dagmar S*** (Ing.Wolfgang) erbberechtigt sein sollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ing.Günter S*** bereits mit seiner späteren zweiten Ehegattin Dr.Eva S*** eine Tochter, die am 23.Dezember 1978 geborene Christine S***. Dieser Verbindung entsprang auch der am 20.Juni 1982 geborene Wolfgang S***.
Mit Notariatsakt vom 12.Februar 1982 hat Ing.Günter S*** auf sein Pflichtteilsrecht gegenüber Pauline S*** verzichtet. In diesem Notariatsakt wurde ausdrücklich festgehalten, daß der Pflichtteilsverzicht auch auf die Nachkommen des Verzichtenden wirke. Am 18.Februar 1982 hat Pauline S***, ebenfalls mit Notariatsakt, den Pflichtteilsverzicht des Ing.Günter S*** angenommen.
Im Verlassenschaftsverfahren haben die im Testament genannten Enkel der Erblasserin Erbserklärungen abgegeben. Ing.Günter S*** hat den Antrag gestellt, seinen Pflichtteilsverzicht für die mj. Kinder aus seiner zweiten Ehe Christine und Wolfgang pflegschaftsbehördlich zu genehmigen. Dem hat die Mutter der beiden Kinder Dr.Eva S***, bei der sich die Kinder befinden, widersprochen.
Die Vorinstanzen haben den Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Pflichtteilsverzichtes für die beiden erwähnten Kinder mit der Begründung abgewiesen, nach § 154 Abs. 3 ABGB wäre für einen Verzicht der Kinder auf ein Pflichtteilsrecht vorerst die Zustimmung des anderen Elternteiles erforderlich. Mangels einer solchen Zustimmung käme eine Genehmigung des Verzichtes für die Minderjährigen nicht in Frage. Im übrigen würde eine solche Genehmigung auch daran scheitern, daß der Verzicht nicht im offenbaren Interesse der Minderjährigen liege.
Rechtliche Beurteilung
Der von der mj. Barbara S*** (eine der Testamentserben) gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist gemäß § 16 AußStrG nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig. Eine Nichtigkeit oder eine Aktenwidrigkeit werden nicht behauptet. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl 1975, 547, NZ 1973, 77 ua). Demnach können die im Revisionsrekurs aufgezeigten rechtspolitischen Erwägungen die Zulässigkeit eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG nicht rechtfertigen. Auszugehen ist jedoch davon, daß nach § 551 ABGB letzter Satz ein Erbverzicht, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch auf die Nachkommen wirkt. Eine gegenteilige Vereinbarung ist hier aus der Aktenlage nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut des Erbverzichtes eindeutig, daß der Verzichtende die Absicht hatte, diesen Verzicht auch auf seine Nachkommen zu erstrecken. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen widerspricht demnach einer eindeutigen gesetzlichen Bestimmung. Die Vorinstanzen führen zwar eine Reihe von Belegstellen an, die angeblich die unbedingte Gültigkeit der erwähnten Gesetzesbestimmung in Zweifel ziehen sollen (Zemen JBl 1983, 621; Hofmann-Wellendorf NZ 1984, 20 f; Eccher NZ 1982, 20 ff; Welser in Rummel Rz 4, 30 zu § 799 ABGB; SZ 55/165), doch übersehen sie hiebei, daß sämtliche dieser Belegstellen nicht den Fall des Erbsverzichtes nach § 551 ABGB, sondern den in § 805 ABGB geregelten Fall der Ausschlagung der Erbschaft zum Gegenstand haben und immer nur die Frage erörtert wurde, ob auf den Fall der Ausschlagung der Erbschaft die Bestimmung des § 551 ABGB analog anzuwenden sei. Auch nur mit dieser Frage beschäftigen sich Koziol-Welser (II8, 292, 384). Die Ausschlagung der Erbschaft kann jedoch vor dem Erbfall nicht erfolgen (Weiß in Klang2 III, 996). Demgegenüber ist der Erbverzicht die Entsagung eines künftigen Erbrechts durch formbedürftigen Vertrag zwischen dem potentiell Berechtigten und dem Erblasser, daher nur zu dessen Lebzeiten möglich (Welser in Rummel Rz 1 zu § 551 ABGB, Weiß in Klang2 III, 177 ua). Hier handelt es sich um einen Erbverzicht. Die Berufung der Entscheidung des Rekursgerichtes auf die von ihm angeführten Belegstellen ist daher verfehlt. Vielmehr wird in der Literatur (Weiß in Klang2 III, 195 f; Koziol-Welser8 II, 290, Welser in Rummel Rz 1 und 10 zu § 551, Faistenberger in Gschnitzer2 Erbrecht, 53; Eccher in Schwimann III Rz 9 zu § 551 ua) zwar stellenweise auf die rechtspolitische Problematik der Bestimmung des § 551 ABGB letzter Satz verwiesen, deren Gültigkeit jedoch nicht in Zweifel gezogen. In der Literatur findet daher die Rechtsansicht des Rekursgerichtes keine Stütze.
Das Rekursgericht vertritt allerdings auch die Rechtsansicht, zwischen der nunmehrigen Regelung des § 154 Abs. 3 ABGB und § 551 ABGB letzter Satz bestehe ein unlösbarer Widerspruch. Da § 154 Abs. 3 ABGB in seiner jetzigen Form erst 1977, demnach lange nach § 551 ABGB, Geltung erlangt hat, komme ihm ein Vorrang gegenüber der letztgenannten Bestimmung zu. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Ebenso wie jetzt § 154 Abs. 3 ABGB, sah bereits die frühere Regelung des ABGB in § 152 ein besonderes Verfahren für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen Minderjähriger vor. Diese Bestimmung war dahin auszulegen, daß außergewöhnliche Geschäfte Minderjähriger der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedurften (Wenzl-Plessl in Klang2 I/2, 88). Daran hat sich durch die geänderte Fassung des § 154 Abs. 3 ABGB nichts geändert. Es wurde nun lediglich als weitere Voraussetzung für die Erteilung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung die Zustimmung des anderen Elternteiles gefordert. Demnach hat die Änderung des § 154 Abs. 3 ABGB keine für die Auslegung des § 551 ABGB letzter Satz entscheidende Änderung gebracht. Dazu kommt, daß § 154 Abs. 3 ABGB nur die Voraussetzungen der Rechtswirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen Minderjähriger regelt. Er kommt daher nur dort zum Tragen, wo eine solche rechtsgeschäftliche Erklärung überhaupt erforderlich ist. Aus § 551 ABGB letzter Satz ist aber klar zu entnehmen, daß das Gesetz den Nachkommen eines allenfalls in Zukunft Erbberechtigten kein eigenes Erbrecht oder Anspruchsrecht zubilligt. Vielmehr kann jedermann mit Wirkung für seine Nachkommen (ein Unterschied zwischen Großjährigen und Minderjährigen wird mit Gesetz nicht gemacht) verzichten. Die Wirkung dieses Verzichtes ist von der Zustimmung der im § 551 ABGB ohne Differenzierung genannten Nachkommen unabhängig. Es ergibt sich also aus dem Gesetzestext eindeutig, daß die volle Wirkung des Erbverzichtes eines Großjährigen der Zustimmung der Nachkommen und daher auch der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung für minderjährige Nachkommen des Verzichtenden nicht bedarf. Dies entspricht auch dem Zweck der erwähnten Bestimmung, die die Auszahlung des Erbteiles ermöglichen soll. Eine solche Auszahlung wird aber unmöglich, wenn man mit späteren Ansprüchen von Nachkommen des Verzichtenden rechnen müßte. Wird daher eine gerichtliche Entscheidung zu dieser Frage gefällt, so verstößt dies gegen eine eindeutige Gesetzesbestimmung, was eine offenbare Gesetzwidrigkeit begründet. Die Bestimmung des § 551 ABGB letzter Satz schließt zwar allfällige Pflichtteilsansprüche der Nachkommen des Verzichtenden nicht grundsätzlich aus, doch handelt es sich hiebei um nur ausnahmsweise entstehende Rechte, die im Streitfall nur mittels der Pflichtteilsklage durchgesetzt werden können (Welser in Rummel Rz 6 zu § 551 ABGB ua). Im Verlassenschaftsverfahren käme eine Berücksichtigung nur in Frage, wenn eindeutige Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sich der Verzicht nicht auch auf die Nachkommen des Verzichtenden erstrecken soll. Dies muß hier nach dem eindeutigen Wortlaut der Verzichtserklärung verneint werden.
Es ergibt sich sohin, daß die Rechtsansicht der Vorinstanzen offenbar gesetzwidrig ist. Der Einschreiterin, als erbserklärter Testamentserbin, muß ein Rechtsschutzinteresse an dem Aufgreifen dieses Umstandes zugebilligt werden, weil gemäß § 162 AußStrG und § 904 ABGB die Einbeziehung bestimmter Personen als Noterben in das Abhandlungsverfahren mit Nachteilen für sie verbunden sein kann. Allerdings konnte dies nur zu einer Behebung der vorinstanzlichen Entscheidungen führen, weil im Rahmen des § 551 ABGB die Einholung einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung für die Nachkommen des Verzichtenden nicht erforderlich ist. Der Antrag auf Erteilung dieser Genehmigung war daher zurückzuweisen.
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