OGH 5Ob50/93

OGH5Ob50/9315.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Stadt W*****, ***** W*****, S*****platz 1, vertreten durch W. OAR. Manfred Mayer, betreffend Eintragungen in der EZ ***** des Grundbuches ***** W*****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 9. Dezember 1992, GZ R 1012/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 30.September 1992, TZ 4013/92, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 30.September 1992 hat das Erstgericht das Begehren der Antragstellerin abgewiesen, auf Grund des Baurechtsvertrages vom 8. Juli 1991 in der EZ ***** des Grundbuches ***** W***** das Eintragungsgesuch anzumerken, das Aufforderungsverfahren gemäß § 13 Abs 2 BauRG durchzuführen und das Baurecht unter gleichzeitiger Eröffnung einer Baurechtseinlage für das Österreichische Rote Kreuz, Landesverband O*****, einzuverleiben. Begründet wurde dies damit, daß die in der Grundbuchsurkunde vorgesehene Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsauflösung mit § 4 Abs 1 BauRG unvereinbar sei. Die hiefür maßgeblichen Vertragspunkte lauten wie folgt:

" 3.

1. Die Bestellung dieses Baurechts erfolgt zum Zwecke der Errichtung einer Einsatzzentrale der Bezirksstelle W***** des Österreichischen Roten Kreuzes, zur Durchführung der im O.Ö. Rettungsgesetz 1988 angeführten und in der Satzung festgelegten Aufgaben.

2. Die Errichtung anderer Bauwerke als solche, die zur Durchführung oben erwähnter Aufgaben notwendig oder nützlich sind, ist dem Bauberechtigten nicht gestattet.

3. Eine allfällige Veräußerung oder Belastung des durch diesen Vertrag eingeräumten Baurechtes durch das Österreichische Rote Kreuz bedarf der schriftlichen Zustimmung der Stadt W*****.

9.

Eine vorzeitige Auflösung des Vertrages ist möglich, wenn

1. das Österreichische Rote Kreuz gegen Punkt 3. verstößt,

2. das Österreichische Rote Kreuz trotz schriftlicher Mahnung mit der Bezahlung des Bauzinses mehr als zwei aufeinanderfolgende Jahre im Verzug ist,

3. eine Vertragspartei gegen die Bestimmungen dieses Vertrages verstößt,

4. über das Vermögen eines Vertragspartners das Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet wird."

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus:

Es treffe zu, daß Punkt 9. des gegenständlichen Baurechtsvertrages keine auflösende Bedingung im eigentlichen Sinn enthält, weil dies nach § 696 ABGB voraussetzen würde, daß das zugedachte Recht bei Eintritt der Bedingung verloren geht, also die Rechtswirkungen eines Geschäftes wieder aufhören, wenn und sobald ein ungewisses Ereignis eintritt (vgl. Koziol-Welser9 I, 158). Hier sei bloß vorgesehen, daß bei Eintritt der im Punkt 9. genannten Ereignisse eine vorzeitige Auflösung des Vertrages möglich ist.

Es bestehe aber in der Lehre Einigkeit darüber, daß die Bestimmung des § 4 Abs 1 BauRG auf Grund ihres Zwecks, die Kreditgrundlage des Bauberechtigten zu sichern, analog auch auf einen unbestimmten Endtermin zu übertragen sei und dem Grundeigentümer auch keine Rücktritts- oder Kündigungsrechte vorbehalten werden dürfen (F. Bydlinski, Das Recht der Superädifikate, 8; Ehrenzweig, System**2 I/2, 377; Klang in Klang**2 V, 144; Feil Baurechtsgesetz, 22 u.a.). Eine gesetzlich geregelte Ausnahme bestehe für den Fall des Verzuges in der Bezahlung des Bauzinses für zwei aufeinanderfolgende Jahre. Da ferner auch der Baurechtsvertrag wie jedes Dauerschuldverhältnis bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung aus wichtigem Grund jederzeit aufgelöst werden könne (Bydlinski a.a.O., m.w.N.), müsse es als zulässig erachtet werden, wenn die Vertragsteile im Baurechtsvertrag eine solche vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund ausdrücklich vorsehen und die konkret angeführten Ereignisse für den Grundeigentümer eine Fortsetzung des Baurechtsvertrages auch tatsächlich als unzumutbar erscheinen lassen. Diese Voraussetzung liege jedoch in Ansehung der unter Punkt 9.1. und 9.3. des Baurechtsvertrages vereinbarten Auflösungsgründe (Veräußerung oder Belastung des Baurechts durch den Bauberechtigten ohne Zustimmung des Grundeigentümers und Verstoß einer Vertragspartei gegen die Bestimmungen des Baurechtsvertrages) nicht vor:

Vor allem müsse es mit dem Wesen des Baurechts als unvereinbar angesehen werden, wenn dessen Belastung oder Veräußerung von der Zustimmung des Grundeigentümers abhängig gemacht wird und eine Verletzung dieser Verpflichtung seitens des Bauberechtigten den Grundeigentümer zur Auflösung des Baurechtsvertrages berechtigen soll, da einerseits § 1 Abs 1 BauRG das Baurecht als veräußerliches Recht definiert und andererseits das Verbot von Resolutivbedingungen in § 4 Abs 1 BauRG bezweckt, das Baurecht als taugliches Kreditobjekt abzusichern, dessen Dauer nicht von unvorhersehbaren Umständen abhängig sein soll (SZ 19/101). Dieser Zweck des Baurechtsgesetzes könne nicht erreicht werden, wenn dem Bauberechtigten ohne Zustimmung des Eigentümers eine Belastung des Baurechtes verwehrt ist bzw. im Fall einer konsenslosen Begründung von Pfandrechten am Baurecht die Auflösung des Baurechtsvertrages durch den Grundeigentümer droht. Umso weniger könne in einem Baurechtsvertrag wirksam vereinbart werden, daß dem Grundeigentümer bei jedwedem Verstoß des Bauberechtigten gegen die Bestimmungen des Baurechtsvertrages ein Auflösungsrecht zustehen soll.

Nicht zu beanstanden sei dagegen, daß der Baurechtsvertrag eine Auflösungsmöglichkeit für den Fall vorsieht, daß der Bauberechtigte das überlassene Grundstück nicht der vorgesehenen Zweckwidmung (Errichtung einer Ersatzzentrale zur Durchführung der im OÖ Rettungsgesetz angeführten und in der Satzung festgelegten Aufgaben) zuführt, da darin zweifellos ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auflösung des Baurechtsvertrags zu erblicken wäre.

Wenngleich im konkreten Fall der Wunsch des Eigentümers, eine Veräußerung des Baurechtes durch den Bauberechtigten zu unterbinden, durchaus verständlich erscheine, könne der Grundsatz der freien Veräußerlichkeit des Baurechtes im Sinne des § 1 Abs 1 BauRG nicht einfach dadurch umgangen werden, daß für den Fall einer Veräußerung ohne Zustimmung des Grundeigentümers (etwa an eine vergleichbare Institution) dieser zur Vertragsauflösung berechtigt wäre. Damit müsse aber auch die Vereinbarung dieses Auflösungsgrundes als unzulässig, weil mit dem Wesen des Baurechtes unvereinbar, beurteilt werden.

Zusammenfassend könne es nach dem Zweck der Bedingungsfeindlichkeit des Baurechtes für die Frage der Zulässigkeit von Vertragsbestimmungen keinen relevanten Unterschied machen, ob bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses das Baurecht eo ipso erlischt oder der Grundeigentümer bloß berechtigt sein soll, die Auflösung des Baurechtsvertrages zu begehren. Schließlich sei der Grundbuchsrichter auch berechtigt, das Ansuchen bzw. den konkreten Baurechtsvertrag auf seine Vereinbarkeit mit dem Baurechtsgesetz zu untersuchen und bei Vorliegen einer unerlaubten Bedingung im Sinne des § 4 Abs 1 BauRG die Verbücherung des Baurechts abzulehnen (Feil a.a.O.; Klang a. a.O.). Da die unter Punkt 9.1. und 9.3. des Baurechtsvertrages vereinbarten Auflösungsgründe mit dem Wesen des Baurechtes unvereinbar seien bzw. die gleiche Wirkung wie eine jedenfalls unzulässige Resolutivbedingung hätten, habe das Erstgericht die Verbücherung des Baurechtes zu Recht abgelehnt und kein Verfahren nach §§ 13 f BauRG eingeleitet.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß zur Frage einer analogen Anwendung des § 4 Abs 1 BauRG auf vereinbarte Auflösungsgründe keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs beharrt die Antragstellerin auf dem Rechtsstandpunkt, daß § 4 Abs 1 BauRG der im konkreten Fall vereinbarten Möglichkeit einer Vertragsauflösung nicht entgegenstehe. Auch das Rekursgericht anerkenne die Auflösbarkeit eines jeden Dauerschuldverhältnisses - also auch eines Baurechtsvertrages - aus wichtigen Gründen, übersehe jedoch, daß es nicht Sache des Grundbuchsgerichtes sein könne, in die Privatautonomie der Parteien einzugreifen und selbst zu beurteilen, ob ein von ihnen als wichtig erachteter Auflösungsgrund tatsächlich diese Qualifikation besitzt. Entscheidend sei daher allein, daß keine unzulässige Resolutivbedingung vereinbart wurde. Im Ergebnis laufe die Vereinbarung, den Baurechtsvertrag aus wichtigen Gründen vorzeitig auflösen zu können, auf nichts anderes als die ohnehin bestehende Möglichkeit hinaus, das Vertragsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Die vorgesehene Veräußerungsbeschränkung könne schließlich der Begründung des Baurechts nicht entgegenstehen, weil auch andere dingliche Rechte - etwa das Eigentum - trotz Beschränkung durch ein Veräußerungsverbot einverleibungsfähig bleiben und durch eine allenfalls erschwerte Belastungsmöglichkeit nicht ihre Eignung als Kreditsicherungsgrundlage verlieren. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Bewilligung des Eintragungsgesuches abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligt werden, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint. Demnach hat das Grundbuchsgericht vor der Verbücherung eines Baurechts auch zu prüfen, ob im Baurechtsvertrag entgegen der Vorschrift des § 4 BauRG eine das Baurecht beschränkende auflösende Bedingung enthalten ist (SZ 19/101). Enthält er eine solche Bedingung, ist die Eintragung zu verweigern. Es kann nur im streitigen Rechtsweg entschieden werden, ob die unerlaubte Klausel den ganzen Vertrag ungültig macht oder ob sie als nicht beigesetzt anzusehen ist (Klang in Klang**2 V, 145).

Das in § 4 BauRG normierte Verbot einer auflösenden Bedingung des Baurechts dient einerseits dem Schutz der Gläubiger (deren Rechte zusätzlich noch durch § 8 BauRG gesichert sind), andererseits aber auch (und zwar sogar in erster Linie) dem Bauberechtigten, der in die Lage versetzt werden soll, das Bauwerk unabhängig von der Willkür und der wirtschaftlichen Lage des Grundeigentümers so lange zu behalten, daß er es ausnützen und sein Anlagekapital amortisieren kann (Forchheimer, Das Baurecht, 48 und 84 in FN 21). Diesem Gesetzeszweck entsprechend darf die Dauer des Baurechts auch nicht durch den Vorbehalt einer Kündigungsmöglichkeit im ungewissen bleiben (vgl. Klang aaO, 144; F. Bydlinski, Das Recht der Superädifikate, 8; Loinger, Fremde Nutzungsrechte an gemeindeeigenen Grundstücken und deren Beendigung, ÖGZ 1987/4, 5). Das Erlöschen des Baurechts kann kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 4 Abs 2 BauRG überhaupt nur für den Fall vereinbart werden, daß der Bauzins für wenigstens zwei aufeinanderfolgende Jahre rückständig bleibt (Klang aaO, 144; F. Bydlinski aaO). Daher ist dies auch der einzige Grund, der für die Vereinbarung einer (außerordentlichen) Kündigungsmöglichkeit im Baurechtsvertrag in Frage kommt (vgl. SZ 63/3). Andere Interessen des Grundeigentümers, etwa die vertragsgemäße Errichtung und Nutzung des Gebäudes, können eine Verwirkungs- oder Kündigungsklausel nicht gültig machen (vgl. Klang aaO, 145).

Jede andere Auslegung des § 4 BauRG würde dazu führen, daß das Grundbuchsgericht die in einem Baurechtsvertrag vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG daraufhin zu untersuchen hätte, ob die vereinbarten Kündigungsgründe das Gewicht des in § 4 Abs 2 BauRG normierten Erlöschungsgrundes erreichen. Eine solche Beurteilung ist jedoch, da sie alle Aspekte des konkreten Rechtsverhältnisses einbeziehen müßte, nur dem Streitrichter möglich. Das auf F. Bydlinski (aaO) gestützte Argument der Antragstellerin, jedes Dauerschuldverhältnis - also auch ein Baurechtsvertrag - könne aus wichtigen Gründen aufgelöst werden, besagt daher nicht, daß die Gültigkeit eines Baurechtsvertrages gar nicht in Frage steht, solange sich die in ihm vorgesehene Kündigungsmöglichkeit auf wichtige Gründe beschränkt. Auch wenn die außerordentliche Kündigung eines Baurechtsvertrages damit zu rechtfertigen wäre, daß für den Schutz der Hypothekargläubiger (und anderer dinglich Berechtigter) ohnehin in § 8 BauRG vorgesorgt ist und die dem Baurechtsinhaber durch § 4 BauRG zugedachte besondere Bestandsgarantie bei Wegfall seiner Schutzwürdigkeit - etwa durch grob vertragswidriges Verhalten - nicht immer aufrecht erhalten werden kann, könnte doch immer erst an Hand der konkreten Umstände des Falles - notwendigerweise durch den Streitrichter - beurteilt werden, ob ein die Bestandsgarantie des § 4 BauRG beseitigender wichtiger Auflösungsgrund vorliegt. Jede in einem Baurechtsvertrag vereinbarte, über den Tatbestand des § 4 Abs 2 BauRG hinausgehende Kündigungsmöglichkeit ist zunächst einmal als unzulässig zu betrachten und verhindert damit die Verbücherung des Baurechts.

Die gegenteilige Rechtsansicht der Antragstellerin läßt sich auch nicht mit dem Argument begründen, durch die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit werde eigentlich nur eine Art der - jedenfalls zulässigen - einvernehmlichen Auflösung des Baurechtsvertrages festgeschrieben. Anders als die einvernehmliche Beendigung des Vertragsverhältnisses, die den Baurechtsinhaber freiwillig und vor allem auch losgelöst vom Druck der wirtschaftlichen und sozialen Kontrahierungsbedingungen auf den besonderen Schutz des § 4 BauRG verzichten läßt, überläßt es nämlich eine von vorne herein vereinbarte Kündigungsmöglichkeit der Entscheidung des Grundeigentümers, den Baurechtsvertrag einseitig - also letztlich nach Willkür - zu beenden. Damit wäre genau jener Zustand hergestellt, den der Gesetzgeber durch das Verbot eines auflösend bedingten Baurechts vermeiden wollte.

Zuzustimmen ist der Antragstellerin lediglich darin, daß Veräußerungsbeschränkungen kein Eintragungshindernis für das Baurecht bilden, sofern ein Zuwiderhandeln des Baurechtsinhabers nicht die Rechtsfolge einer Auflösung des Vertragsverhältnisses - sei es automatisch oder im Wege der Kündigung - auslöst. Am Vorliegen der aufgezeigten Abweisungsgründe ändert dies jedoch nichts.

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