OGH 5Ob503/86

OGH5Ob503/8618.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Herta K***, 2. Ernst B*** und 3. Albert B***, alle

Kaufleute, Dreihackengasse 14, 8020 Graz, alle vertreten durch Dr. Harold Schmid und Dr. Kurt Klein, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Adolf R*** Aktiengesellschaft, Türkengasse 25, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 891.789,90 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 25.Oktober 1985, GZ 3 R 343,344/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Juli 1985, GZ 5 C 273/84-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig,der beklagten Partei die mit S 21.770,97 (darin S 1.761,- Umsatzsteuer und S 2.400,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind zu gleichen Teilen Eigentümer der Liegenschaft EZ 2507 in der Katastralgemeinde V Gries mit dem Haus Dreihackengasse 14 in 8021 Graz. Sie vermieteten der Beklagten zu geschäftlichen Zwecken Büro- und Lagerräume mit einer Fläche von rund 660 m 2 gegen Entrichtung eines wertgesicherten Bestandzinses von monatlich S 13.200,- ab dem 1.11.1976 bis zum 31.10.1986. Die Vermieter räumten der Mieterin das Recht ein, im Hofraum des Bestandobjektes auf der Liegenschaft Parkplätze für drei Personenkraftwagen zur Verfügung zu stellen. Mit Ausnahme eigener Lastkraftwagen der Mieterin dürften auf den Parkplätzen oder der übrigen Hoffläche keine Lastkraftwagen abgestellt werden. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 8.10.1976 ist festgehalten: "Die Zufahrt zur Verladerampe, Einfahrt Elisabethinergasse, ist jederzeit gestattet, und werden die nötigen Torschlüssel zur Verfügung gestellt". Diese Zufahrtsmöglichkeit zur Verladerampe der Mieterin wurde als wesentliche Bestimmung des Mietvertrages angesehen. Am 30.5.1980 forderte Karl B*** die Beklagte unter

Androhung der Einbringung der Unterlassungsklage auf, das Betreten und Befahren der auf seinem Grundstück 476/1 stehenden Laderampe und der Zufahrt über sein Grundstück 477/1 zu unterlassen, nachdem er schon am 14.9.1979 durch seinen Rechtsanwalt darauf hingewiesen hatte, daß seine Grundstücke unrechtmäßig benützt würden. Karl B*** erhob am 14.7.1980 gegen die Beklagte zum AZ 28 C 678/80 (= 28 C 1108/82 = 28 C 4/84) die Klage auf Unterlassung des Begehens und des Befahrens mit Kraftfahrzeugen seines Grundstückes 477/1 in der EZ 2563 der Katastralgemeinde V Gries. Die Beklagte forderte die Kläger am 7.8.1980 auf, ihre Zufahrtsrechte zu sichern, weil sonst das Bestandobjekt für die Beklagte wertlos sei und setzte eine Frist bis zum 20.8.1980. Der Vertreter der Kläger sicherte am 1.9.1980 der Beklagten zu, die Zufahrtsrechte zu garantieren, die Kläger könnten jedoch nicht mehr tun, als die Beklagte in dem Rechtsstreit wegen Unterlassung zu unterstützen. Am 5.11.1980 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, sie hätten nichts vorgebracht, das die Zufahrtsrechte zur Laderampe über die dem Karl B*** gehörenden Grundflächen sichern könne. Karl B*** bestehe auf seinem Untersagungsrecht, so daß die Beklagte den Bestandvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufhebe und bis 31.12.1980 räumen werde. Die Kläger wandten ein, die Klagsführung durch Karl B*** sei ungerechtfertigt, und widersprachen einer Aufhebung des Mietvertrages mit dem 31.12.1980. Die Beklagte antwortete, sie könne es wegen der Unsicherheit des Bestandes der Zufahrtsrechte zur Laderampe nicht darauf ankommen lassen, plötzlich ohne Zufahrt dazustehen. Die Beklagte übersandte am 30.12.1980 die Schlüssel zum Bestandobjekt und bezahlte den vereinbarten Bestandzins nur bis zum 31.12.1980. Als die Kläger der Beklagten am 9.1.1981 Mietzins für das Jahr 1981 vorschrieben, erwiderte die Beklagte, das Bestandverhältnis sei nicht mehr aufrecht. Die Kläger verwendeten seither das Bestandobjekt teilweise zur Lagerung von Gebinden.

In dem Rechtsstreit wegen Unterlassung traten die Kläger der Beklagten als Nebenintervenienten bei. Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz gab mit dem Urteil vom 8.4.1982, GZ 28 C 678/80-16, dem Unterlassungsbegehren des Karl B*** statt. Infolge der Berufung der Nebenintevenienten wurde das Urteil mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 17.9.1982, GZ 4 R 294/82-20, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Auch das im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil vom 15.6.1983, GZ 28 C 1108/82-29, das dem Unterlassungsbegehren erneut stattgab, wurde infolge der Berufung der Nebenintervenienten vom Berufungsgericht mit dem Beschluß vom 28.11.1983, GZ 4 R 394/83-37, aufgehoben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen. Im dritten Rechtsgang wurde der Prozeß am 14.6.1984 durch einen gerichtlichen Vergleich zwischen Karl B*** und den Nebenintervenienten - die Beklagte hatte sich an dem Rechtsstreit nicht mehr beteiligt - beendet. Karl B*** räumte in dem Vergleich den Klägern die Benützung seiner Grundstücke 476/1 und 477/1 in der EZ 2563 der Katastralgemeinde V Gries "bis zum Ende des Bestandvertrages mit der Beklagten am 31.10.1986 gegen Bezahlung eines jährlichen Anerkennungszinses von S 2.000,- ab dem 1.1.1985 (und der seit 1971 aufgelaufenen anteiligen Kanalbenützungs- und Müllabfuhrgebühren und Zahlung der Prozeßkosten des Karl B*** und der Beklagten) zum Begehen und Befahren von der Elisabethinergasse her ein.

Schon am 29.6.1984 erhoben die Kläger gegen die Beklagte die auf Zahlung von zunächst S 150.000,- s.A., später S 891.789,90 s.A., gerichtete Klage. Der Bestandvertrag mit der Beklagten sei auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen worden. Die Beklagte habe den Vertrag ohne wichtigen Grund zum 31.12.1980 aufgelöst und habe den Klägern Schadenersatz zu leisten. Den Klägern stehe der offene Mietzins vom 1.1.1981 bis zum 31.10.1986 von S 891.789,90 zu. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Für sie sei die Zufahrt zur Verladerampe durch die Einfahrt von der Elisabethinergasse eine wesentliche Geschäftsgrundlage gewesen, ohne die ihr Güterumschlag nicht möglich gewesen wäre. Da die Kläger die von der Beklagten geforderte Erklärung nicht abgeben konnten, daß das Zufahrtsrecht während der ganzen Bestanddauer ausgeübt werden könne und der Nachbar Karl B*** seine Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend machte, sei das Bestandobjekt zum bedungenen Gebrauch untauglich gewesen. Die Beklagte wendete auch Verschweigung und Verjährung aller Rechte der Klägerin ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, die Beklagte habe den Klägern als Gesamtgläubigerin S 891.789,90 s.A. zu leisten. Das Berufungsgericht bestätigte.

Die Vorinstanzen beurteilten den eingangs dargelegten Sachverhalt rechtlich übereinstimmend dahin, daß die Benützung der Zufahrt zur Verladerampe für den reibungslosen Geschäftsbetrieb der Beklagten im Bestandobjekt notwendig und ihre Rücktritterklärung gerechtfertigt war, weil die Kläger die Rechte der Beklagten zur Benützung der Rampe und der Zufahrt nicht sicherten. Über den 31.12.1980 hinaus stehe der Klägerin keine Forderung gegen die Beklagte zu. Das Berufungsgericht fügte noch bei, daß ein Anspruch auf Schadenresatz nach § 1489 ABGB verjährt wäre, weil die Verjährungsfrist von drei Jahren jedenfalls mit dem 1.1.1981 begonnen hätte, so daß ein Schaden aus einer Vertragsverletzung nicht mehr geltend gemacht werden könnte. In Wahrheit hätten die Kläger aber Ansprüche auf Zinszahlung aus dem Bestandvertrag erhoben, weil sie die Auflösungserklärung der Beklagten nicht für berechtigt hielten. Die Beklagte sei aber berechtigt gewesen, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag abzustehen, wenn der Bestandgegenstand ohne ihre Schuld in einen Zustand geriet, der ihn zum bedungenen Gebrauch unbrauchbar machte, gleich ob der Mangel aus Verschulden der Bestandgeber oder durch einen Zufall eintrat. Die Kläger hätten der Beklagten die Zufahrt zur Verladerampe über die Einfahrt von der Elisabethinergasse her jederzeit gestattet, die Beklagte habe dies als wesentlichen Punkt des Mietvertrages betrachtet und die Zufahrt zur Rampe sei für den ordentlichen Geschäftsbetrieb der Beklagten bedeutsam gewesen. Wenn die Kläger nach der Erhebung der Unterlassungsklage des Eigentümers der Nachbarliegenschaft nichts weiter unternahmen, als zu erklären, sie könnten nur die Beklagte im Prozeß unterstützen, habe dies die Beklagte zur Auflösung des Bestandverhältnisses nach § 1117 ABGB berechtigt, weil schon die Gefahr der Betriebsstörung diese Erklärung rechtfertigte und der Beklagten nicht zuzumuten war, den Ausgang des Rechtsstreits abzuwarten. Erst durch den gerichtlichen Vergleich vom 14.6.1984, GZ 28 C 4/84-42, sei den Klägern vom Eigentümer die Zufahrt befristet gestattet worden. Es sei daher der bedungene Gebrauch des Bestandobjektes nicht jederzeit gewährleistet gewesen. Der Bestandvertrag sei mit dem Zugang der Erklärung der Beklagten vom 5.11.1980 aufgelöst. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für die Zeit nach Aufhebung des Bestandvertrages und Räumung der Liegenschaft.

Mit ihrer Revision aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung streben die Kläger die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen in die Stattgebung ihres Zahlungsbegehrens an. Die Beklagte beantragt, der Revision ihrer Gegner nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß einem auf Schadenersatz wegen Verletzung vertraglicher Pflichten gegründeten Anspruch der Kläger schon die Berechtigung des Verjährungseinwandes der Beklagten entgegensteht. Die Kläger kommen auf diesen Rechtsgrund in ihrer Revision auch nicht mehr zurück. Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Kläger aber nicht ausschließlich Schadenersatzansprüche erhoben sondern in Zusammenhang mit ihrem Tatsachenvorbringen, die Beklagte habe für ihre Auflösungserklärung vom 5.11.1980 keinen "wichtigen Grund" gehabt, den "offenen Mietzins" für die Zeit vom 1.1.1981 bis 31.10.1986 verlangt. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen auch geprüft, ob der Bestandvertrag vor dem 1.1.1981 wirksam aufgelöst wurde. Ohne Rechtsirrtum sind sie dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagte als Mieterin berechtigt aus einem wichtigen Grund vorzeitig von dem Vertrag zurückgetreten ist und nicht gebunden war, bis zum Ablauf der Bestandzeit zu dem Mietvertrag zu stehen. Daß die von den Klägern ausdrücklich zugesicherte Zufahrt zur Verladerampe von der Elisabethinergasse für den Geschäftsbetrieb der Beklagten, die das Objekt im Rahmen ihres Unternehmens zu Büro- und Lagerzwecken anmietete, bedeutsam und wesentlich war, ist nicht nur im Tatsachenbereich festgestellt, es ergibt sich dies auch von selbst. Wenn die Kläger im Mietvertrag der Beklagten die "Zufahrt jederzeit gestatteten", obwohl sie wissen konnten, daß dazu das Befahren eines nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstückes erforderlich und keine sichere Rechtsgrundlage für das Bestehen einer Dienstbarkeit vorhanden war, wäre es ihre Pflicht gewesen, unverzüglich nach der Untersagung durch den Grundeigentümer alles vorzukehren, daß die Zufahrt zur Verladerampe für die Beklagte abgesichert ist. Die Beklagte hatte auf Grund der Zusicherung im Bestandvertrag gegenüber den Klägern Anspruch auf eine unbehinderte und gesicherte Zufahrtsmöglichkeit und mußte sich, wenn die Kläger außerstande waren, sogleich nach der Aufforderung der Beklagten eindeutig nachzuweisen, daß die Ansprüche des Karl B*** rechtswidrig erhoben wurden, nicht darauf einlassen, in das Eigentum des Grundnachbarn allenfalls widerrechtlich einzugreifen und zu versuchen, seine Unterlassungsansprüche im Prozeß abzuwehren. Soweit die Kläger meinen, es könne nicht jeder ungerechtfertigte Angriff Dritter einen Auflösungsgrund abgeben, verkennen sie, daß sie ohne ausreichende Absicherung Zusagen machten und erst nach fast vier Jahren Prozeßdauer ein Vergleich zutandekam, der kurzfristig das Zufahrtsrecht erwirkte, aber mit wesentlichen Gegenleistungen der Kläger verbunden war.

Zur Auflösung des Mietvertrages vor Ablauf der vereinbarten Mietdauer von zehn Jahren war die Beklagte jedenfalls berechtigt, wenn durch die Erhebung der Unterlassungsklage der Beklagten eine Beeinträchtigung oder Behinderung in der Abwicklung ihrer Geschäftstätigkeit zu besorgen war und die unverzüglich um Abhilfe ersuchten Kläger außerstande waren, in angemessener Zeit für die Beseitigung dieser Gefahr vorzusorgen. Insoweit war durch den Rechtsmangel, daß die Zufahrt über fremden Grund nicht ausreichend abgesichert war, obgleich die Kläger dafür Gewähr leisteten, die Tauglichkeit des Bestandobjektes zum bedungenen Gebrauch erheblich beeinträchtigt und die durch das positiv-rechtlich bestimmte Rechtsinstitut der Vertragsauflösung nach § 1117 ABGB, der die Geschäftsgrundlage berücksichtigt, mögliche Beendigung des Mietverhältnisses zulässig (Würth in Rummel, ABGB, Rdz.3 zu § 1117; MietSlg.33.191; MietSlg.36.179; ImmZ 1978, 170). Es stand der Beklagten der im § 1117 ABGB umschriebene wichtige Grund für die vorzeitige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses zur Verfügung und ihre Erklärung, der eine Aufforderung zur Beseitigung der Mängel und eine erfolglos gebliebene Fristsetzung vorangegangen war, bewirkte die Beendigung des Bestandverhältnisses (Derbolav in Korinek-Krejci, HBzMRG, 437; MietSlg.32.205 u.a.).

Zu Recht sind die Vorinstanzen zur Abweisung des auf die Fortdauer des Bestandverhältnisses über den 31.12.1980 hinaus gegründeten Begehrens auf Bezahlung von Bestandzins gelangt. Der Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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