OGH 5Ob503/84

OGH5Ob503/8427.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Dieter Graf, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Doris H*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Rechtsanwältin in Liezen, wegen 17.456 S sA (Revisionsstreitwert 15.305,85 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 27. September 1983, GZ R 595/83‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Rottenmann vom 29. April 1983, GZ C 128/82 ‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00503.840.1127.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass das Klagemehrbegehren von 2.150,15 S sA abgewiesen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.696,37 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 40 S an Barauslagen und 196,77 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.800,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 480 S an Barauslagen und 171,90 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund von Zeitungsannoncen sandte die damals 35 Jahre alte Beklagte im September 1981 an den Europäischen Partnerring, die klagende Partei, einen sogenannten Informationskupon, in dem sie um Information über die Möglichkeit, ihren Wunschpartner durch die Klägerin kennenzulernen, ersuchte. In der Folge kam es zwischen der Beklagten und Renate P*****, einer Vertreterin der Klägerin, nach vorausgegangenen Telefonaten am 3. 10. 1981 zu einer Besprechung in der Wohnung der Beklagten. Nach einer ausführlichen Information durch Renate P***** unterschrieb die Beklagte einen „Dienstleistungsvertrag“, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

Die Dienstleistungen bestehen in der Herstellung der gewünschten gesellschaftlichen Kontakte. Die Unkostenpauschale für die festgelegte „Dienstleistung“ beträgt insgesamt 16.488 S; dieser Betrag ist durch im Vertrag festgelegte Raten zu bezahlen. Falls bei Teilzahlungsraten der Kreditantrag an die Bank, aus welchem Grunde auch immer, nicht angenommen, nicht weitergeleitet oder rückgebucht wird, muss die gesetzliche Mehrwertsteuer des offenen Zinsenbetrags nachverrechnet werden. Dem Dienstleistungsvertrag sind Geschäftsbedingungen angeschlossen. Der mit „Rücktrittsrecht“ überschriebene Punkt 8.) dieser Bedingungen lautet: Dem Auftraggeber steht ein Rücktrittsrecht entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu. Nach diesem Text wird auf eine nach dem Ende der Geschäftsbedingungen abgedruckte Fußnote hingewiesen, in der der Wortlaut des § 3 Abs 1 bis 3 des Konsumentenschutzgesetzes wiedergegeben ist. Die Beklagte unterfertigte am selben Tag (3. 10. 1981) unter Mitwirkung der Renate P***** einen an die Raiffeisenkasse M***** gerichteten Kreditantrag, in welchem sie unter Hinweis darauf, dass sie mit der klagenden Partei einen „Dienstleistungsvertrag“ abgeschlossen habe, die Einräumung eines Kredits in der Höhe von 16.488 S und ratenweise Rückzahlung – unter denselben wie im „Dienstleistungsvertrag“ vereinbarten Modalidäten – beantragte. Der Kreditbetrag sei auf das Konto der klagenden Partei zu überweisen. Mit dem an die Beklagte gerichteten Schreiben der Raiffeisenkasse M***** vom 27. 10. 1981 erklärte diese unter Hinweis auf den ihr von der Kläger überreichten, von der Beklagten unterfertigten Kreditvertrag ihre Bereitschaft zur Einräumung des beantragten Kredits. In dem Schreiben wurde auf die Möglichkeit des Rücktritts vom Kreditvertrag innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Erhalt dieses Schreibens hingewiesen. Mit dem am 3. 11. 1981 zur Post gegebenen Schreiben erklärte die Beklagte (durch ihren Vertreter) gegenüber der Raiffeisenkasse den Rücktritt vom Kreditvertrag und mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag an die Klägerin den Rücktritt vom „Dienstleistungsvertrag“. Die Beklagte hat in der Folge keine Leistungen der Klägerin in Anspruch genommen.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten nach Einschränkung des Klagebegehrens die Bezahlung von 17.456 S sA. Trotz Fälligkeit und Mahnung hafte dieser der Klägerin aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen „Dienstleistungsvertrag“ zustehende Betrag unberichtigt aus.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei von Renate P***** überrumpelt worden. Durch die Einsendung des „Informationskupons“ habe sie lediglich ihr Interesse an einer unverbindlichen Information bekundet und dadurch keinesfalls das Geschäft angebahnt. Da die Rücktrittsbelehrung auf der letzten Seite des „Dienstleistungsvertrages“, auf der sich auch die Unterschriften befänden, nicht aufscheine, sei den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes nicht Genüge getan worden. Es könne auch von der „Aushändigung“ einer Urkunde keine Rede sein. Schließlich handle es sich im vorliegenden Fall um ein gleichgestelltes Geschäft im Sinne des § 17 Konsumentenschutzgesetz und hätten die Parteien den gleichen wirtschaftlichen Zweck wie bei einem Abzahlungsgeschäft verfolgt. Durch die faktische Geschäftsverbindung der Klägerin mit dem Bankinstitut und die Vorlage von entsprechenden Formularen an den Vertragspartner sei für diesen jedenfalls das Zustandekommen des Darlehensvertrags Geschäftsgrundlage für den „Dienstleistungsvertrag“. „Dienstleistungsvertrag“ und Darlehensvertrag seien daher als Einheit anzusehen und habe daher die Rücktrittsfrist im vorliegenden Fall erst mit der Übergabe der Darlehensannahme an die Beklagte zu laufen begonnen. Der von ihr erklärte Rücktritt sei daher rechtzeitig erfolgt und damit rechtswirksam.

Das Erstgericht sprach der Klägerin den Betrag von 15.305,85 S sA (ohne ausdrückliche Abweisung des Klagemehrbegehrens) zu.

Bei der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass das vorliegende Rechtsgeschäft anhand der Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes zu beurteilen sei. Die Beklagte habe die vom Gesetz eingeräumte Rücktrittsfrist versäumt, weil der „Dienstleistungsvertrag“ am 3. 10. 1981 geschlossen, der Rücktritt aber erst am 3. 11. 1981 erklärt worden sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der allein von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil, das hinsichtlich der Abweisung eines Klagebegehrens von 2.150,15 S sA in Rechtskraft erwachsen war, dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies, wobei es die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig erklärte.

Das Berufungsgericht nahm eine teilweise Beweiswiederholung vor und traf die – bereits bei der Wiedergabe des Sachverhalts berücksichtigte – zusätzliche Feststellung, dass der Antrag auf Kreditgewährung an die Raiffeisenkasse M***** über die klagende Partei eingereicht worden ist.

Ausgehend von dieser erweiterten Sachverhaltsgrundlage erachtete das Berufungsgericht die Rechtsrüge der Beklagten als berechtigt. Es bestehe kein Zweifel, dass auf das von den Parteien geschlossene Rechtsgeschäft die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes anzuwenden seien. Der Beklagten sei daher als Verbraucher im Sinne dieses Gesetzes grundsätzlich ein Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG zugestanden. Dieser Rücktritt könne bis zum Zustandekommen des Vertrags oder danach binnen einer Woche erklärt werden; die Frist beginne mit der Ausfolgung einer Urkunde, die zumindest den Namen und die Anschrift des Unternehmens sowie eine Belehrung über das Rücktrittsrecht enthalte, an den Verbraucher, frühestens jedoch mit dem Zustandekommen des Vertrags zu laufen. Im vorliegenden Fall sei die Frage zu beantworten, ob die Rücktrittsfrist für die Beklagte bereits mit der Übergabe des Dienstleistungsvertrags (3. 10. 1981) zu laufen begonnen habe oder der Dienstleistungsvertrag und das Finanzierungsgeschäft eine wirtschaftliche Einheit bildeten und daher die Frist erst mit dem Einlagen des Schreibens des Finanzierers (zwischen 27. 10. und 3. 11. 1981) zu laufen begonnen habe. Das Berufungsgericht vertrat dabei die Auffassung, dass die Frist erst nach erfolgter Kreditbewilligung, also nach dem 27. 10. 1981 habe in Lauf gesetzt werden können und die am 3. 11. 1981 ausgesprochene Rücktrittserklärung daher rechtzeitig gewesen sei. In der Literatur würden zur Frage der Drittfinanzierung im Zusammenhang mit Geschäften, die an Hand des Konsumentenschutzgesetzes zu beurteilen seien, zwei Fälle unterschieden: In einem Fall nehme der Vertreter des Unternehmens nur Kaufanträge entgegen und verpflichte den Käufer, ein Kreditinstitut zum Abschluss des notwendigen Darlehensvertrags aufzusuchen. Im zweiten Falle sammle der Vertreter aber auch neben dem Kaufantrag den Kreditantrag des Kunden mit ein. Während im ersten Falle Zweifel obwalteten, ob Kauf‑ und Kreditvertrag eine wirtschaftliche Einheit darstellten, herrsche im zweiten Fall wenigstens unter namhaften Autoren die einhellige Auffassung, dass die Rücktrittsfrist nach § 3 KSchG immer erst mit der Übergabe der Kauf‑ und der Darlehensannahme an den Käufer zu laufen beginne. Der hier zu beurteilende Rechtsstreit gehöre der zweiten Fallgruppe an. Der Kreditantrag sei über die Klägerin beim Finanzierungsinstitut eingereicht worden. Da auch Renate P***** erklärt habe, der Kreditantrag sei mit ihrer Hilfe abgefasst worden, schließe sich das Berufungsgericht der dargelegten Rechtsauffassung an. Daraus folge aber, dass die Wochenfrist des § 3 Abs 1 KSchG eingehalten worden sei. Sei der Rücktritt aber wirksam erklärt worden, dann seien die gegenseitigen Ansprüche auf Vertragserfüllung erloschen und beide Seiten hätten die empfangenen Leistungen einander zurückzustellen. Damit erweise sich aber das Klagebegehren als unberechtigt.

Gegen dieses Urteil des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, dieses Urteil im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.

Die Beklagte beantragte, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Klägerin zieht in ihrer Revision die Anwendbarkeit der Bestimmungen des KSchG auf den vorliegenden Fall sowie das Rücktrittsrecht der Beklagten nach § 3 KSchG an sich nicht in Zweifel. Sie wendet sich aber mit Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die ihr zustehende Rücktrittsfrist gewahrt. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass der von der Beklagten der Klägerin gegenüber erklärte Rücktritt nur dann als rechtzeitig erfolgt angesehen werden kann, wenn der Lauf der Wochenfrist des § 3 KSchG nicht schon durch den Abschluss des Vertrags zwischen den Streitteilen, sondern erst durch das Einlangen der Annahme des Kreditantrags der Beklagten durch die Raiffeisenkasse M***** ausgelöst wurde. Voraussetzung für diese Annahme wäre allerdings das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen dem Vertrag der Streitteile miteinander und dem Kreditvertrag der Beklagten mit der genannten Raiffeisenkasse. Eine wirtschaftliche Einheit dieser Verträge kann jedoch – entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz – hier nicht angenommen werden. Denn der als „Dienstleistungsvertrag“ überschriebenen Vereinbarung der Parteien ist zu entnehmen, dass die Beklagte das als „Dienstleistungsgebühr“ bezeichnete Entgelt nicht in einem Betrag, sondern in Teilleistungen zu bezahlen gehabt hätte; es wurde auch ausdrücklich auf den Fall Bedacht genommen, dass der Kreditantrag der Beklagten von der Klägerin nicht weitergeleitet oder von der Bank nicht angenommen würde. Da auch dann, wenn der Kreditvertrag nicht zustandekommen sollte, keine Änderung der Modalitäten für die Bezahlung des Entgelts der Beklagten vereinbart war und die Beklagte lediglich verpflichtet gewesen wäre, die mangels Abschlusses eines Kreditvertrags anfallende Mehrwertsteuer vom offenen Zinsenbetrag nachzuentrichten, ist der Revisionswerberin zuzustimmen, dass in der wirtschaftlichen Belastung der Beklagten bei Bestehen einer unmittelbaren Zahlungspflicht der Beklagten der Klägerin gegenüber im Vergleich zu jener bei Finanzierung des Entgelts im Kreditweg kein wesentlicher Unterschied besteht. Unter diesen Umständen kann trotz der festgestellten Mitwirkung der Mitarbeiterin der Klägerin am Zustandekommen des Kreditvertrags von einer wirtschaftlichen Einheit des „Dienstleistungsvertrages“ mit dem Finanzierungsgeschäft keine Rede sein. Bilden aber der von den Streitteilen miteinander abgeschlossene Vertrag und der Kreditvertrag keine wirtschaftliche Einheit, so können die Verträge keine Auswirkungen aufeinander haben und sind sie hinsichtlich ihrer Wirkungen unabhängig voneinander zu beurteilen (vgl Koziol‑Welser 6 I 265; 8 Ob 512/83). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass das Recht der Beklagten, von beiden Verträgen nach § 3 KSchG zurückzutreten, getrennt voneinander zu beurteilen ist und dementsprechend der mit Schreiben vom 3. 11. 1981 erklärte Rücktritt vom „Dienstleistungsvertrag“ bereits nach Ablauf der durch den Abschluss dieses Vertrags ausgelösten Rücktrittsfrist von einer Woche erfolgte und damit ungeachtet des Rücktritts vom Kreditvertrag nicht mehr wirksam geworden ist. Das Berufungsgericht ist daher zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertrag erloschen wären und die damit notwendig werdende Rückabwicklung des Vertrags die Abweisung des Klagebegehrens zur Folge hätte.

Da der der Klägerin vom Erstgericht unter Bedachtnahme auf die infolge der Erfüllungsverweigerung der Beklagten eingetretene, gemäß § 273 ZPO ausgemessene Ersparnis der Klägerin zugesprochene Betrag der Höhe nach unbekämpft blieb, musste das erstinstanzliche Urteil in Stattgebung der Revision wiederhergestellt werden, dies allerdings mit der Maßgabe, dass die in erster Instanz unterbliebene ausdrückliche Abweisung des Klagemehrbegehrens spruchgemäß nachzuholen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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