OGH 5Ob502/89

OGH5Ob502/8924.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Maria R***, Hausfrau, 1170 Wien, Ortliebgasse 2, 2. Berta S***, Hausfrau, 7444 Unterloisdorf, 3. Theresia T***, Gastwirtin,

7444 Mannersdorf, 4. Maria K***, Gastwirtin, 7444 Unterloisdorf, und 5. Johann P***, Pensionist, 7444 Mannersdorf, alle vertreten durch Dkfm. Dr. Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ioan Constantin G***, Str. 7. November, Lugoj, Kreis Timis, Rumänien, vertreten durch Dr. Fritz Hanacik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ungültigkeit eines Testamentes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. September 1988, GZ 14 R 151/88-70, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. März 1988, GZ 2 Cg 7/87-66, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird, soweit es die Feststellung des Erbrechtes der Kläger zu je 1/5 des Nachlasses an dem in Österreich befindlichen unbeweglichen Vermögen zum Gegenstand hat, in klageabweisendem Sinn abgeändert.

Die Verfahrenskosten aller Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Beim Bezirksgericht Hernals ist zu 1 A 389/79 das Verlassenschaftsverfahren nach der am 26. August 1978 in Rumänien verstorbenen rumänischen Staatsbürgerin Elisabeth A***, geborene K***, anhängig. Die Kläger, Nichten und Neffen der Erblasserin, gaben auf Grund des eigenhändigen Testamentes derselben vom 12. Juli 1978 zum in Österreich befindlichen Nachlaß zu je 1/5 unbedingte Erbserklärungen ab, wogegen der Beklagte auf Grund des notariellen Testamentes der Erblasserin vom 21. Juli 1978 bedingte Erbserklärung zum Ganzen Nachlaß abgab. Das Verlassenschaftsgericht wies mit rechtskräftigen Beschluß vom 30. Jänner 1980 den österreichischen Erben die Klägerrolle zu. Mit rechtskräftigen Beschluß vom 27. November 1980 leitete es hinsichtlich des in Österreich befindlichen beweglichen Vermögens der Erblasserin das Ausfolgungsverfahren ein.

Mit fristgerecht erhobener Klage bekämpften die Kläger die Gültigkeit des Testamentes vom 21. Juli 1978 mit der Behauptung mangelnder Überlegung und Ernstlichkeit der Erblasserin sowie eines ihr unterlaufenen wesentlichen Irrtums und stellten das Begehren, es werde die Ungültigkeit dieser letztwilligen Verfügung festgestellt, soweit darin bei der Einsetzung des Beklagten zum Universalerben nicht das in Österreich befindliche bewegliche und unbewegliche Vermögen ausgenommen wurde. Darüber hinaus möge das Erbrecht der Kläger zu je 1/5 an dem in Österreich befindlichen beweglichen und unbeweglichen Vermögen der Erblasserin festgestellt werden. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der Behauptung, es liege entgegen den Behauptungen der Klage ein gültiges, vom letzten Willen der Erblasserin umfaßtes Testament zu seinen Gunsten vor. In dem Schriftsatz, der den Antrag auf Fortsetzung des zum Zwecke von Vergleichsverhandlungen ruhenden Verfahrens enthielt, wies der Beklagte auf die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens sowie auf die Verjährungsbestimmungen hin. Dieser Schriftsatz wurde in der mündlichen Streitverhandlung niemals vorgetragen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte fest, daß die Erblasserin bei Unterfertigung des Testaments vom 21. Juli 1978 (zu Gunsten des Beklagten) nicht die Absicht hatte, dem Beklagten auch ihr in Österreich gelegenes Vermögen zu vermachen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, beide letztwilligen Verfügungen seien (gemäß Art. 1 des Haager Testamentsübereinkommens, BGBl. 1963/295) sowohl für den rumänischen als auch für den österreichischen Rechtsbereich gültig, die letztwillige Verfügung vom 21. Juli 1978 jedoch nur in dem Umfang, als es dem Willen der Erblasserin entspricht, also nicht bezüglich ihres in Österreich befindlichen Vermögens. Der Verjährungseinwand sei nicht gerechtfertigt, weil der Fortsetzungsantrag bereits 2 Monate nach Ablauf der 3-monatigen Ruhensfrist (wenn auch durch die beklagte Partei) gestellt worden sei, wobei der Klagevertreter bereits vorher einen Fortsetzungsantrag angekündigt habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und wies das Klagebegehren soweit es sich auf das in Österreich gelegene bewegliche Vermögen der Erblasserin bezieht, ab. Es erachtete, abgesehen vom Problemkreis der Verjährung, wozu das Berufungsgericht selbst ergänzende Feststellungen traf, das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei und die Beweiswürdigung der ersten Instanz für unbedenklich.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:

Aus § 28 Abs 1 IPRG und § 30 IPRG sowie den Art. 1 und 6 des Haager Testamentsübereinkommens ergebe sich, daß die Gültigkeit des von den Klägern angefochtenen Testaments vom 21. Juli 1978 sowohl hinsichtlich der Einhaltung der Formvorschriften als auch hinsichtlich des darin zum Ausdruck gebrachten Testierwillens nach rumänischen Recht zu beurteilen sei. Nach Art. 961 des rumänischen Codul Civil (CC) könnten Willensmängel zur Anfechtung des Testaments führen. Dabei seien die Regeln des allgemeinen Vermögensrechtes über Irrtum, arglistige Täuschung und Zwang (Art. 953 bis 961 CC) anzuwenden. Zu berücksichtigen seien alle irrtümlichen Vorstellungen und Erwartungen, sofern sie für den Erblasser maßgebend und bestimmend waren, die Verfügung so zu treffen, wie er sie traf. Bei der Auslegung sei die Absicht des Verfügenden und nicht der buchstäbliche Sinn der Worte zu beachten (Art. 977 CC). Aus dem Wortlaut des Testaments vom 12. Juli 1978 im Zusammenhang mit dem festgestellten Testierwillen folge daher, daß die Erblasserin in diesem Testament lediglich das in Rumänien befindliche Vermögen dem Sohn ihrer Pflegerin, dem Beklagten, überlassen wollte. Eine derartige Erbeinsetzung und Vermächtnisbestimmungen sei nach rumänischen Recht möglich.

Da aber der Erbrechtsklage nur Wirkung für das Verlassenschaftsverfahren zukomme, müsse sich ihr Begehren an dessen Umfang halten. Gegenstand der Abhandlung in Österreich sei aber nur das in Österreich befindliche unbewegliche Vermögen der Erblasserin, sodaß das Klagebegehren auch nur hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens für gerechtfertigt erkannt werden könne (bezüglich des beweglichen Vermögens liege ja bereits der oben genannte Ausfolgungsbeschluß vor).

Das Berufungsgericht verneinte den Eintritt der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung der eingebrachten Klage. Zum zulässigen Inhalt der Erbrechtsklage vertrag das Gericht zweiter Instanz die Ansicht, zutreffend sei jener Teil der Judikatur, der nicht nur ein Begehren auf Ungültigkeit des Erbrechtstitels für zulässig ansehe, sondern auch die positive Feststellung des Erbrechtes der Kläger.

Demgemäß bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des in Österreich gelegenen unbeweglichen Vermögens, änderte es aber hinsichtlich des in Österreich gelegenen beweglichen Vermögens in klageabweisendem Sinn ab. Ausgehend vom Verhältnis der Einheitwerte der in Österreich gelegenen Grundstücke zu dem in Österreich befindlichen Sparguthaben von etwa 2 : 1 sprach es den Klägern gemäß § 43 Abs 2 ZPO - nach Quotenaufrechnung - 1/3 ihrer Kosten zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des von der Bestätigung betroffenen Teiles des Streitgegenstandes S 60.000,-

übersteige, der Wert des von der Abänderung betroffenen Teiles insgesamt S 15.000,-, nicht jedoch hinsichtlich jedes einzelnen Klägers. Insgesamt übersteige der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschied, nicht S 300.000,-. Es begründete den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision damit, daß zu den in der Rechtsrüge behandelten Fragen teils keine gesicherte Rechtsprechung, teils eine widersprechende Rechtsprechung vorliege. Gegen den der Klage stattgebenden, also bestätigenden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes erhob der Beklagte Revision wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es in gänzlich klageabweisendem Sinn abzuändern. Die Kläger begehren, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt. Gemäß § 503 Abs 2 ZPO kann eine nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässige Revision nur darauf gestützt werden, daß das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechtes beruht, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 zukommt. Die Geltendmachung des Revisionsgrundes der Aktenwidrigkeit ist daher von vornherein ausgeschlossen.

Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist bezüglich der Verjährung und bezüglich des Gegenstandes der Erbrechtsklage ausgeführt.

a) Zur Verjährungsfrage:

Der Einwand der Verjährung wurde vom Beklagten nicht wirksam erhoben, weil der Inhalt des Schriftsatzes ON 21, in welchem der Beklagte "sich erlaubte, auf die Verjährungsbestimmungen hinzuweisen", niemals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde. Mangels wirksamer Erhebung der Verjährungseinwendung ist daher auf das diesbezügliche Vorbringen in der Revision nicht weiter einzugehen.

b) Zum Inhalt der Erbrechtklage:

Nach neuerer und bereits ständig gewordener Rechtsprechung (JBl 1984, 36; SZ 56/180; SZ 58/187 ua; zuletzt 5 Ob 630/88) ist im Erbrechtsstreit nur festzustellen, ob der Erbrechtstitel, auf den der Beklagte seine Erbserklärung stützte, schwächer ist als der in der Erbserklärung des Klägers genannte Titel, nicht aber ob der Kläger erbberechtigt ist. Dieser Rechtsprechung hat sich auf die neuere Lehre angeschlossen (Fasching Kommentar III 31; Welser in Rummel, ABGB, Rdz 24 zu §§ 799 und 800). Davon abzugehen bieten die Ausführungen des Berufungsgerichtes schon im Hinblick auf die Vorschrift des § 126 AußStrG, wonach die Erbrechtklage nur der Bestreitung des Erbrechtes des Beklagten diene, nicht aber der Feststellung des Erbrechtes des Klägers, keinen Anlaß. Es ist Sache des Verlassenschaftsgerichtes, die sich aus der Feststellung der Ungültigkeit des in Anspruch genommenen Erbrechtstitels ergebenden Schlußfolgerungen für die Erbberechtigung bestimmter Personen zu ziehen.

Da die übrigen Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes vom Obersten Gerichtshof gebilligt werden, war der Revision nur insoweit Folge zu geben, als der auf Feststellung des Erbrechtes der Kläger gerichtete Teil ihres Klagebegehrens ebenfalls abzuweisen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, bezüglich der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO. Eine angemessene Gewichtung des abgewiesenen Begehrens der Kläger auf Feststellung ihrer Erbquoten zusätzlich zu der vom Berufungsgericht zutreffend vorgenommenen Gegenüberstellung von Obsiegens- und Unterliegensquote führt zur Kostenaufhebung.

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