OGH 5Ob49/15i

OGH5Ob49/15i24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers G***** S*****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, wegen Grundbuchseintragungen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 20. November 2014, AZ 2 R 258/14i, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00049.15I.0324.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die 1924 geborene Eigentümerin bevollmächtigte ‑ notariell beglaubigt ‑ am 2. 8. 2013 ihren Sohn mit dem Verkauf der gegenständlichen Liegenschaft. Am 28. 1. 2014 wurde über die Eigentümerin ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet, in dem am 19. 2. 2014 ein einstweiliger Sachwalter bestellt wurde. Am 17. 7. 2014 wurde wegen festgestellter Demenz der Betroffenen endgültig ein Sachwalter bestellt. Am 10. 6. 2014 schlossen die Eigentümerin, vertreten durch ihren Sohn, und der Antragsteller den Kaufvertrag über die Liegenschaft.

Der Antragsteller begehrte die Einverleibung seines Eigentumsrechts sowie andere Grundbuchseintragungen.

Die Vorinstanzen wiesen das Grundbuchsgesuch ab.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Das Grundbuchsgericht darf nach § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten (hier: Eigentümerin) bestehen. Dazu zählen auch Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (vgl 5 Ob 195/08z mwN).

1.1 Solche Bedenken können sowohl durch amtliches als auch privates Wissen des Grundbuchsrichters ausgelöst werden, sofern die Überprüfung des Eintragungshindernisses objektiv möglich ist (RIS‑Justiz RS0060632). Entsprechende Verdachtsmomente sind auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn sie sich nicht (nur) auf eine Eintragung im Grundbuch, sondern auch auf den Inhalt von Pflegschaftsakten stützen, der objektiv überprüfbar ist (RIS‑Justiz RS0060632 [T1]; RS0107975 [T7]). Nach der Rechtsprechung indiziert die Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters für einen Beteiligten eine Beschränkung seiner Handlungsfähigkeit, die (maximal) ein Jahr vor dem Bestellungsakt bereits bestanden hat, sofern nicht sogar konkrete Hinweise auf einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit vorliegen (vgl RIS‑Justiz RS0107975).

1.2 Dieser einjährige Zeitrahmen wurde hier nicht überschritten. Dass jener Notar, der die Vollmachterteilung beglaubigte, möglicherweise keine Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Vollmachtgeberin hatte, schließt Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG nicht zwingend aus (RIS‑Justiz RS0060632 [T2]; RS0107975 [T9]). Anhaltspunkte für eine schlagartig erst vor der Begutachtung im Sachwalterschaftsverfahren aufgetretene senile Demenz fehlen.

2. Die Anwendbarkeit von Art 6 EMRK, dessen Abs 3 der Antragsteller verletzt sieht, im Grundbuchsverfahren ist umstritten. Kodek (in Kodek , Grundbuchsrecht 1.01 § 75 GBG Rz 1) verneint sie mit dem Argument, dass im Grundbuchsverfahren in der Regel gar kein „Streit“ iSd Art 6 EMRK vorliege. Adamovich (Grundbuch und Verfassung, NZ 1992, 38) und Bittner (Neuere Entwicklungen im Grundbuchsrecht, NZ 2012/79, 226 ff) ordnen subjektive Rechte im Zusammenhang mit dem Grundbuchsrecht den „civil rights“ iSd Art 6 EMRK zu und befürworten dessen Anwendung, ohne auf das Erfordernis eines „Streits“ einzugehen. Eine Auseinandersetzung zu dieser Thematik erübrigt sich allerdings ohnehin:

2.1 Das Grundbuchsverfahren ist nach Rechtsprechung und Lehre ein reines Urkundenverfahren, in dem in der Regel nur der Grundbuchstand und die vorgelegten Urkunden zu beachten sind (RIS‑Justiz RS0081755 [T4]; RS0040040 [T2]; Kodek aaO § 94 GBG Rz 2; Rassi , Grundbuchsrecht² Rz 358).

2.2 Das Eintragungshindernis der „gegründeten Bedenken“ gegen die Verfügungsfähigkeit eines Beteiligten weicht von dieser Regel nur insoweit ab, als auch andere ‑ immer aber einer objektiven Überprüfung zugängliche ‑ Quellen berücksichtigt werden können. Dennoch bleibt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Grundbuchsgericht auch in diesem Fall eine Beweisaufnahme durch Zeugen oder Sachverständige verwehrt (Nachweise bei Kodek aaO § 94 GBG Rz 51). Für das Recht eines Antragstellers, sich zu diesen Bedenken zu äußern und die Aufnahme solcher Beweise zu fordern, bietet das einseitige Grundbuchsverfahren in erster Instanz keinen Raum. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann sich sogar der Antragsgegner nicht auf das in diesem Verfahrenstadium nicht gewährte rechtliche Gehör berufen, weil ihm die Löschungsklage offen steht (RIS‑Justiz RS0116902 [T2]). Einem Antragsteller, dessen Einverleibungsgesuch wegen objektiv begründeter Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Liegenschaftseigentümers und Verkäufers abgewiesen wurde, bleibt die Möglichkeit, seinen Anspruch auf Erfüllung eines seiner Auffassung nach dennoch gültigen Kaufvertrags im streitigen Zivilverfahren durchzusetzen.

2.3 Einen Anwendungsfall von Art 1 1. ZP zur EMRK zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf, schützt dieser doch keinen erst im streitigen Verfahren zu klärenden Anspruch des Erwerbers einer Liegenschaft auf Erfüllung des Kaufvertrags mit einer Person, deren Handlungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach der innerstaatlichen Rechtsprechung zu bezweifeln ist (vgl Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 25 Rz 3 mwN).

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