OGH 5Ob478/97y

OGH5Ob478/97y27.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Ilyas A*****, vertreten durch Dr.Günter Schneider, Funktionär der Mieterinteressensgemeinschaft Österreichs, Taborstraße 44, 1020 Wien, wider die Antragsgegner 1.) Dr.Hans G***** und 2.) Dr.Hans G***** Gesellschaft mbH, beide *****, beide vertreten durch Dr.Erich Kafka und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30.September 1997, GZ 40 R 543/97t-24, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 1.Juli 1997, GZ 7 Msch 33/96f-20, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - die Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses für die von ihm gemietete Wohnung in Wien 8, ***** und die Refundierung der Überschreitungsbeträge für den Zeitraum vom 7.4.1994 (Schreibfehler - gemeint nach dem Vorbringen vor der Schlichtungsstelle offenbar 7.4.1993) bis 31.10.1994.

Die Vermietung der genannten Wohnung sei durch die Zweitantragsgegnerin, die das Fremdenbeherbergungsgewerbe betreibt, namens des Erstantragsgegners als Hauseigentümer erfolgt. Sollte ein Untermietvertrag des Antragstellers vorliegen, so handle es sich bei dem zwischen den Antragsgegnern abgeschlossenen Hauptmietvertrag um ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 2 Abs 3 MRG.

Die Antragsgegner begehrten die Abweisung des Antrages des Antragstellers mit der Begründung, die Vermietung sei im Rahmen des Betriebes einer Fremdenpension erfolgt, sodaß das Mietrechtgesetz auf dieses Mietverhältnis nicht anzuwenden sei.

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erstantragsgegner, der Eigentümer des Hauses ist, in dem das vom Antragsteller gemietete Bestandobjekt liegt, betrieb auf Grund der Konzessionsurkunde vom 25.5.1973 das Gast- und Schankgewerbe in der Betriebsform einer Fremdenpension mit den Berechtigungen nach § 16 GewO, Standort *****gasse 2. Im Jahre 1981 wurde über sein Ansuchen die Ausübung dieses Gewerbes mit der weiteren Betriebsstätte in *****gasse 10, Tür Nr.25, 29, 32 und 37 bewilligt. Im Jahre 1992 gründete der Erstantragsgegner mit seiner Ehegattin die Zweitantragsgegnerin, wobei ausschließlicher Unternehmenszweck dieser Gesellschaft mbH die Betreibung eines Beherbergungsbetriebes auf Grundlage der Konzession des Erstantragsgegners ist.

Der Erstantragsgegner schloß mit der Zweitantragsgegnerin hinsichtlich der vor ihm genannten Wohnungen im Hause *****gasse 10 Mietverträge ab.

Üblicherweise werden die Wohnungen voll möbliert und ausgestattet mit Geschirr, Fernseher mit Kabel-TV-Anschluß, Geschirrspüler und Bettwäsche vermietet und einmal wöchentlich vom Personal gereinigt sowie die Bettwäsche gewechselt. Bei Vermietung werden die Wohnungen auch mit Bade- bzw Handtüchern, einer kleinen Seife, Papierhausschuhen, Schuhputztüchern etc. ausgestattet.

Der Gas- und Stromverbrauch wird üblicherweise hochgerechnet und mit monatlich S 800,- bis S 1.000,- veranschlagt. Der Mietzins beträgt monatlich S 9.500,- bis S 11.500,- inklusive Mehrwertsteuer, Strom, Heizung, Bade- und Bettwäsche sowie Bedienung.

Wenn über Wunsch der Gäste Bedienungsleistungen gestrichen werden, so kann der Mietzins auch niedriger sein.

Zur Anwerbung von Gästen bedient sich die Zweitantragsgegnerin gelegentlich verschiedener Makler, wobei klargestellt wird, daß es sich um einen Beherbergungsbetrieb handelt.

Im Jahre 1993 erhielt der Antragsteller über das Inserat einer Maklerfirma Kenntnis von Wohnungen in der *****gasse und unterschrieb am 5.3.1993 ein Vertragsanbot betreffend eine Wohnung in der *****gasse 2. Mit dem Ausfüllen dieses Anbotes hatten die Antragsgegner nichts zu tun. Als in der Folge der Antragsteller zur Ehegattin des Erstantragsgegners kam, wurde klargestellt, daß es sich um die Vermietung im Rahmen eines Beherbergungsbetriebes handle und ihm ein Formular mit der Bezeichnung "Gastaufnahmevertrag" vorgelegt. Da der Antragsteller die Wohnungsmiete möglichst niedrig halten wollte, wurde vereinbart, daß die Serviceleistungen fallen. Demgemäß wurde im Formular der Text "Strom, Heizung, Bad- und Bettwäsche, Bedienung (einmal wöchentlich) gestrichen und ein Mietzins von S 7.500,- inklusive Mehrwertsteuer vereinbart. Das Appartement wurde für zwei Personen plus zwei Kinder gemietet. Im Gastaufnahmevertrag wurde entsprechend dem Wunsch des Antragstellers der Vermerk "ab 1. April bis zirka ein Jahr mit Verlängerung" angebracht. Die Einjahresbefristung diente als Anhaltspunkt. Die Gäste können nämlich nach den Bedingungen der Zweitantragsgegnerin jederzeit von einem Tag auf den anderen ausziehen. Eine Zusicherung seitens der Ehegattin des Erstantragsgegners, daß es sich bei dem gegenständlichen Vertrag nicht um einen Gastaufnahmevertrag, sondern um einen gewöhnlichen Hauptmietvertrag handle, wurde nicht gemacht.

An der Gegensprechanlage des Hauses stand auch bei der Tür Nr.37 der Hinweis "Pension", was dem Antragsteller auch aufgefallen ist.

Als es während der Dauer des Mietverhältnisses des Antragstellers im Apartement Nr.37 zu einem Wasserschaden kam, wurde dem Antragsteller die Zeit der Nichtbenützbarkeit das Apartement Nr.32 zur Verfügung gestellt.

Vor Ablauf des ersten Jahres kam der Antragsteller zum Erstantragsgegner und ersuchte um Verlängerung des Mietvertrages. Von diesem wurde klargestellt, daß dies kein Problem sei und daß der am 7.3.1993 abgeschlossene Gastaufnahmevertrag weitergelte.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß wegen der Vermietung im Rahmen der von der Zweitantragsgegnerin betriebenen Fremdenpension das Mietrechtsgesetz gemäß § 1 Abs 2 Z 2 MRG auf das gegenständliche Mietverhältnis keine Anwendung finde.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht billigte auf Grund der unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes dessen Rechtsansicht. Der Hauptmietvertrag sei keineswegs nur zur Untervermietung, sondern (zumindest auch) zur Führung eines Pensionsbetriebes abgeschlossen worden. Sogar der Antragsteller räume in seiner Beweisrüge ein, daß es durchaus auch echte Pensionsgäste mit bestimmten Serviceleistungen gegeben habe.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses (§ 528 Abs 1 ZPO) seien nicht gegeben.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Unterinstanzen in antragsstattgebendem Sinn abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner machen die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses geltend und begehren (für den Fall seiner Zulässigkeit) ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei Anwendung des § 2 Abs 3 MRG auf den Einzelfall - wie noch ausgeführt werden wird - die Rechtslage verkannte.

Rechtliche Beurteilung

b) Zur Sachentscheidung:

Entscheidungswesentlich ist in dieser Rechtssache die im Rahmen der Vorfragenbeurteilung (s Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 13 zu § 2 MRG) zu beantwortende Frage, ob zwischen dem Antragsteller und dem Erstantragsgegner ein den Bstimmungen des MRG unterliegendes Hauptmietverhältnis als Folge der Verwirklichung des in § 2 Abs 3 MRG geregelten Umgehungstatbestandes besteht. Dies ist - ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen - aus folgenden Gründen zu bejahen:

Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, so kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, die Anerkennung als Hauptmieter begehren (§ 2 Abs 3 Satz 1 MRG). Durch das 3.WÄG, in Kraft getreten am 1.3.1994, wurde dieser Bestimmung ein zweiter Satz des Inhaltes angefügt, wonach bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine solche Umgehungshandlung es dem Antragsgegner obliegt, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen. Schon nach der Rechtsprechung vor dem 3.WÄG (s Würth/Zingher, aaO, Rz 15 zu § 2 MRG mwN, insbes MietSlg 47.191 und 46.215) reicht es aus, wenn die konkreten äußeren Umstände Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Umgehungsabsicht bieten. Ob ein Hauptmietvertrag unter festgestellten konkreten Umständen nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter zwecks Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechten geschlossen wurde, ist dann im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu entscheiden (MietSlg 46.215, 47.191).

Umgehungshandlungen können in allen rechtsgeschäftlichen Formen vorgenommen werden, daher auch dadurch, daß Bestandobjekte unter dem Deckmantel der Zugehörigkeit zu einem Beherbergungsbetrieb "vermietet" werden.

Die indizierte Umgehungsabsicht wird sich vor allem darauf richten, durch die Untervermietung einen den sonst zulässigen Mietzins übersteigenden Mietzins zu erzielen und/oder den Kündigungsschutz auszuschalten (Würth/ Zingher, aaO, Rz 17 mwN).

Im Zusammenhang mit der sogenannten Sanierungshauptmiete, die unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme eines Umgehungsgeschäftes ausschließt, wurde es als Indiz für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes angesehen, wenn der vom Hauptmieter eingehobene Untermietzins derart an die Hauseigentümter zurückfließt, daß diese im Ergebnis mehr als den sonst zulässigen Mietzins erhalten bzw wenn in einem solchen Fall die als Hauptmieter auftretende GmbH vom Liegenschaftseigentümer beherrscht wird (Fenyvesch in WoBl 1988, 55 [59]; MietSlg 47.187).

Gleiche Grundsätze haben auch dann zu gelten, wenn zu beurteilen ist, ob die Vermietung einer Wohnung durch die vom Erstantragsgegner als Hauseigentümer beherrschte Zweitantragsgegnerin an einen Untermieter (hier: Antragsteller) erfolgt, wobei es dabei vor allem auf die im Einzelfall gegebene Ausgestaltung einer Beteiligung ankommt. In der hier zu beurteilenden Rechtssache betreibt die Zweitantragsgegnerin ein Beherbergungsgewerbe auf einer anderen, gleichfalls dem Erstantragsgegner gehörenden Liegenschaft. Der Erstantragsgegner brachte in diesen Betrieb die in einem anderen Haus freiwerdenden Wohnungen, darunter auch die später vom Antragsteller gemietete Wohnung, ein und erzielte dabei im Falle schlichter Vermietung (ohne Serviceleistungen) über den Umweg über die Zweitantragsgegnerin einen weit höheren als den sonst zulässigen Mietzins, weil die Einnahmen der Zweitantragsgegnerin zum Großteil an den Erstantragsgegner, darüber hinaus an dessen Ehegattin fließen.

Da im Einzelfall die Umgehungsabsicht iSd § 2 Abs 3 MRG nicht schon bei Abschluß des Hauptmietvertrages vorliegen muß, sondern auch noch danach, spätestens im Zeitpunkt der Untervermietung gefaßt werden kann (Würth/Zingher, aaO, Rz 15; MietSlg 47.189 ua), ist die Umgehungsabsicht umsomehr indiziert, wenn der Liegenschaftseigentümer die in einem anderen Objekt freiwerdenden Wohnungen in eine von ihm beherrschte Gesellschaft einbringt, welche das Fremdenbeherbergungsgewerbe betreibt, und so die Voraussetzungen dafür schafft, daß bei entsprechender Gelegenheit bloß Untermietverträge abgeschlossen werden. Letzteres ist bei dem mit dem Antragsteller abgeschlossenen Vertrag geschehen, weist er doch - abgesehen von der letztlich nicht maßgebenden Bezeichnung - alle typischen Merkmale eines bloßen Bestandvertrages auf.

Demnach ist der Antragsteller als Hauptmieter des verfahrensgegenständlichen Objektes anzusehen, weil von diesem der im übrigen nicht widerlegte Anscheinsbeweis iSd § 2 Abs 3 Satz 2 MRG erbracht wurde. Daraus folgt, daß der gem § 37 Abs 1 Z 8 MRG geltend gemachte Anspruch des Antragstellers auf seine Berechtigung im Verfahren nach § 37 Abs 3 MRG zu prüfen ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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