OGH 5Ob47/16x

OGH5Ob47/16x25.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. T***** GmbH & Co KG, *****, 2. Mag. A***** S*****, beide vertreten durch Mag. Stephan Moser, öffentlicher Notar in Neumarkt am Wallersee, wegen Ersichtlichmachung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels (§ 32 Abs 8 WEG 2002) ob der Liegenschaft EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. Jänner 2016, AZ 53 R 241/15w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 7. Mai 2015, TZ 3864/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00047.16X.0825.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Antragsteller (inzwischen bücherlich einverleibte Wohnungseigentümer) begehrten aufgrund des Kaufvertrags vom 3. 4. 2014, des Wohnungseigentumsvertrags vom 11. 3. 2015 und weiterer näher bezeichneter Urkunden ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** neben der Einverleibung des Wohnungseigentums insbesondere auch die Ersichtlichmachung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels nach § 32 Abs 8 WEG 2002 gemäß dem Punkt 4. des Wohnungseigentumsvertrags vom 11. 3. 2015.

Der Wohnungseigentumsvertrag vom 11. 3. 2015 wurde namens beider Antragstellerinnen von einer mit Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 hiezu bevollmächtigten Notariatsangestellten abgeschlossen. In diesem Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 haben die Antragstellerinnen im Vertragspunkt 21. folgende Vollmacht erteilt:

„Die Vertragsparteien bevollmächtigen […] und zwar jede für sich allein, in ihrem Namen einen Nachtrag zu diesem Kaufvertrag sowie einen Wohnungseigentumsvertrag, auch beides gemeinsam in einer Urkunde, abzuschließen, in welchem Nachtrag dieser Kaufvertrag in seinem Punkt 2. Kaufgegenstand, insbesondere hinsichtlich der von der kaufenden Partei endgültig zu erwerbenden Anteile, präzisiert wird und in welchem Wohnungseigentumsvertrag sich die kaufende Partei, die Verkäuferin sowie allfällige weitere Käufer der im gegenständlichen Bauvorhaben zu errichtenden Wohnungseigentumseinheiten wechsel-seitig das Wohnungseigentum einräumen. Die jeweils Bevollmächtigte ist befugt, die näheren Bestimmungen dieses Nachtrages zum Kaufvertrag sowie des Wohnungseigentumsvertrages nach eigenem Gutdünken festzulegen. Die jeweils Bevollmächtigte ist weiters ermächtigt, für die Vertragsparteien sämtliche im Zusammenhang mit diesem Kaufvertrag, dem Nachtrag zum Kaufvertrag sowie dem Wohnungseigentumsvertrag stehenden Erklärungen einschließlich Einverleibungs-bewilligungen abzugeben, Urkunden beglaubigt oder in Notariatsaktsform zu unterfertigen, Vertragsergänzungen und -korrekturen vorzunehmen, dies jedoch nur soweit zur grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages erforderlich. Dies gilt insbesondere auch für Nachträge/Änderungen/Unterfertigungen von Pfand-bestellungsurkunden. Diese Vollmacht kann bis zur Verbücherung dieses Kaufvertrages samt Nachtrag und Wohnungseigentumsvertrag nicht widerrufen werden, gilt ausdrücklich auch über den Tod der kaufenden Partei hinaus und ermächtigt insbesondere auch zur Doppelvertretung.“

Das Erstgericht wies – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich – den Antrag auf Ersichtlichmachung ab. Dem Grundbuchgericht sei der formal wirksame Abschluss der Vereinbarung iSd § 32 Abs 2 WEG 2002 durch eine beweiswirkende Urkunde nachzuweisen. Der Wohnungseigentumsvertrag sei nur von einer Notariatsangestellten aufgrund einer im Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 erteilten Bevollmächtigung beglaubigt unterfertigt worden. Diese Vollmacht berechtige jedoch nicht zum Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 32 WEG 2002.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerinnen nicht Folge. Unter § 94 Abs 1 Z 2 GBG seien auch gegründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen zu subsumieren, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigte. Soweit die Gefahr einer Interessenkollision drohe, sei nämlich die Doppelvertretung ebenso wie das Selbstkontrahieren im engeren Sinn unzulässig, sodass der Machthaber insoweit ohne Vertretungsmacht handle. Die im Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 von den beiden Antragstellern erteilte Vollmacht ermächtige lediglich dazu, einen Nachtrag zum Kaufvertrag und einen Wohnungseigentumsvertrag abzuschließen. Ein abweichender Aufteilungsschlüssel sei kein typischer Inhalt eines Wohnungseigentumsvertrags, sondern eine besondere, unabhängig von der Begründung von Wohnungseigentum zu treffende Vereinbarung unter Wohnungseigentümern, die schriftlich von sämtlichen Wohnungseigentümern abgeschlossen werden müsse. Es bestehe auch die Gefahr einer Interessenkollision, wenn die von allen Vertragsparteien im Kaufvertrag bevollmächtigte Notariatsangestellte mit sich selbst einen von § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Aufteilungsschlüssel für alle Wohnungseigentümer vereinbare.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die zu lösende Rechtsfrage, inwiefern die Notariatsangestellte aufgrund einer in der Praxis immer wieder so gehandhabten Vollmacht aller Vertragsparteien in Form des Selbstkontrahierens als Ergänzung zum Kaufvertrag einen abweichenden Aufteilungsschlüssel vereinbaren dürfe, erfülle die Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diese dahingehend abzuändern, dass der Antrag zur Gänze bewilligt und die Ersichtlichmachung des abweichenden Aufteilungsschlüssels gemäß § 32 Abs 8 WEG 2002 eingetragen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts ab, der iSd § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

1. Nach § 32 Abs 2 WEG 2002 können sämtliche Wohnungseigentümer (ua) einen vom Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile nach § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Aufteilungsschlüssel festlegen. Solche Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Abweichende Aufteilungsschlüssel sind gemäß § 32 Abs 8 WEG 2002 bei Festsetzung durch das Gericht von Amts wegen, sonst, sofern die Unterschrift auch nur eines Wohnungseigentümers öffentlich beglaubigt ist, auf Antrag dieses oder eines anderen Wohnungseigentümers im Grundbuch ersichtlich zu machen.

2. Die grundbücherliche Ersichtlichmachung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels hat keine konstitutive Wirkung, sondern nur Warnfunktion. Dieser Zweck der Ersichtlichmachung als Warnhinweis für künftige Erwerber erfordert keine substanzielle Prüfung des Vereinbarungsinhalts durch das Grundbuchsgericht. Diesem ist zum Zweck der Ersichtlichmachung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels daher nur der formal wirksame Abschluss einer Vereinbarung iSd § 32 Abs 2 WEG 2002 durch beweiswirkende Urkunden nachzuweisen (5 Ob 162/12b = RIS‑Justiz RS0128560 [für die Vereinbarung abweichender Abrechnungs‑ und Abstimmungseinheiten]).

3.1 Die beweiswirkenden Urkunden für das Vorliegen einer Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels sind hier die die Eintragungsgrundlagen bildenden Verträge, der Wohnungseigentumsvertrag vom 11. 3. 2015 und der Kaufvertrag vom 3. 4. 2014. Jene Regelung, welche die Antragstellerinnen als Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels in Anspruch nehmen, ist in Punkt 4. des Wohnungseigentumsvertrags vom 3. 4. 2014 enthalten. Der Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 enthält die Bevollmächtigung zum Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags namens der Antragstellerinnen.

3.2 Das Grundbuchsgericht darf ein Grundbuchsgesuch nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG zudem dann nicht bewilligen, wenn begründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht desjenigen besteht, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RIS‑Justiz RS0060604). Den Wohnungseigentumsvertrag hat hier eine mit Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 bevollmächtigte Notariatsangestellter abgeschlossen. Das Rekursgericht hat deren Vertretungsmacht zum Abschluss einer Vereinbarung iSd § 32 Abs 2 WEG 2002 im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass eine solche Vereinbarung weder notwendiger noch typischer Inhalt eines Wohnungseigentumsvertrags sei und auch die Gefahr einer Interessenkollision bestehe.

3.3 Besondere grundbuchsrechtliche Erforder-nisse für Verfügungsvollmachten bestehen nach § 31 Abs 6 GBG nur für Einverleibungen gegen einen Machtgeber. Für andere Eintragungen, etwa Ersichtlichmachungen, gelten diese ebenso wenig wie für Eintragungen zugunsten des Machtgebers (Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht § 31 GBG Rz 54). Für das Grundbuchsverfahren wird allerdings judiziert, dass das Selbstkontrahieren wegen der durch die prinzipiell nicht auszuschließende Interessenkollision bestehenden Gefährdung der Interessen des Machthabers nur ausnahmsweise keine Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG erweckt. Liegt dem äußeren Anschein nach eine unzulässige Doppelvertretung vor, darf das Grundbuchsgericht eine den Machtgeber belastende Eintragung demach nur bewilligen, wenn der urkundliche Nachweis seiner Zustimmung vorliegt (RIS‑Justiz RS0060604 [T4]). Die im Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 erteilte Vollmacht ermächtigt die Machthaberinnen aber in diesem Sinne ausdrücklich auch zur Doppelvertretung.

3.4 Ist der Umfang einer Vollmacht nicht vom Gesetz zwingend vorgegeben, so sind das Bestehen und die Reichweite einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht durch Auslegung der vom Machtgeber abgegebenen Erklärung nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 914 f und 1027 ff ABGB zu ermitteln (1 Ob 269/01t = RIS‑Justiz RS0017892 [T2]; Strasser in Rummel, ABGB3 § 1033 ABGB Rz 3; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1017 ABGB Rz 8, § 1029 ABGB Rz 1; Bydlinski in KBB4, § 1017 ABGB Rz 2). Das Grundbuchsgericht ist dabei freilich im Wesentlichen auf die wörtliche und grammatikalische Auslegung beschränkt (vgl 5 Ob 204/03s). Die durch Auslegung zu ermittelnde Frage des Umfangs einer Vollmacht stellt damit regelmäßig keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung dar. Die Ansicht der Vorinstanzen ist auch keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Der Wortlaut der Vollmacht im Kaufvertrag vom 3. 4. 2014 ist ungeachtet der Formulierung, die Vollmachtnehmer seien ermächtigt, „die näheren Bestimmungen des Wohnungseigentumsvertrages nach eigenem Gutdünken festzulegen“, keineswegs dahin eindeutig, dass die Vollmacht auch die Befugnis zur Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels umfasst. Diese Zweifelsfrage kann im Grundbuchsverfahren auch nicht abschließend geklärt werden (RIS‑Justiz RS0060573; RS0060878).

4. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG ist der Revisionsrekurs somit unzulässig und zurückzuweisen.

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