Normen
Kautionsschutzgesetz §1
Kautionsschutzgesetz §1
Spruch:
Bürgschaft eines Dienstnehmers für Sozialversicherungsschulden des Dienstgebers ist zulässig.
Entscheidung vom 5. März 1969, 5 Ob 42/69.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Mit Vereinbarung vom 11. November 1963 trat der Beklagte, ein Angestellter der protokollierten Firma Anton Sch., den Rückständen dieser Firma an Sozialversicherungsbeiträgen hinsichtlich der Konten Sg. 5025 und K 10.929 in der damaligen Höhe von 92.492.67 S als Bürge und Zahler bei und verpflichtete sich, diesen Rückstand in Monatsraten a 1000 S zu bezahlen. Außerdem verpflichtete er sich, gleichfalls als Bürge und Zahler, pünktlich jene Beiträge zu bezahlen, die ab Oktober 1963 auf diesen Konten vorgeschrieben werden. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen wurde Terminverlust vereinbart. Der Beklagte sollte aus seinen Verpflichtungen erst dann entlassen werden, wenn sowohl die alten Beiträge als auch die neuen Vorschreibungen zur Gänze bezahlt waren. Dieser Passus wurde in einer Zusatzvereinbarung vom 27. Juli 1964 dahin präzisiert und ergänzt, daß die Bürgschaftserklärung des Beklagten bis zur "Glattstellung" der beiden Konten aufrecht bleibt.
Das Erstgericht gab der diese Bürgschaftsverpflichtung geltend machenden Klage mit dem Betrag von 68.960.28 S s. A. statt. Es stellte noch folgenden Sachverhalt fest:
Zwar sei das eine Konto am 24. Juli 1964, das andere am 21. Juli 1965 buchmäßig glattgestellt gewesen, doch hätten in beiden Zeitpunkten erhebliche Beitragsrückstände bestanden, die nur noch nicht auf den Konten aufschienen. In der Zeit vom November 1963 (Bürgschaftserklärung) bis Mai 1967 seien somit beide Konten niemals wirklich glattgestellt gewesen. Ab Mai 1967 sei dies unbestrittenermaßen nicht der Fall gewesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht folgendes aus:
Die Bürgschaft des Beklagten sei nicht erloschen, weil die beiden Konten niemals glattgestellt waren. Die Bürgschaftserklärung sei aber auch nicht nach § 1 Kautionsschutzgesetz nichtig, weil dieses Gesetz bloß das Verhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer betreffe und die Nichtigkeit gewisser Vereinbarungen zwischen diesen normiere. Daraus ergebe sich aber keine Nichtigkeit einer Bürgschaft, die ein Dienstnehmer zu Gunsten seines Dienstgebers übernehme. Die Bürgschaftsverpflichtung sei ferner auch nicht deshalb sittenwidrig, weil sie der Höhe nach nicht beschränkt war, da ihr mit der Glattstellung der beiden Konten ein Endtermin gesetzt war. Der Geltendmachung der Bürgschaftsverpflichtung stehe schließlich auch nicht entgegen, daß gegen die Firma Anton Sch. Zwangsversteigerung geführt werde; daß diese bereits zur gänzlichen oder teilweisen Tilgung der Schuld geführt habe, sei nicht behauptet worden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat von Amts wegen die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges geprüft und ist zu der zutreffenden Ansicht gelangt, daß die klagende Partei zwar gegenüber Dienstgebern als Beitragsschuldnern selbst vollstreckbare Rückstandsausweise ausstellen und die aushaftenden Beiträge im Verwaltungsweg hereinbringen könne, daß ihr aber ein derartiges Recht gegenüber Personen, die sich für die Bezahlung von Beiträgen oder Beitragsrückständen verbürgen, nicht zustehe, weshalb hiefür der Rechtsweg offenstehen müsse. Diese Ansicht steht mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang (SZ. XXXVIII 109).
Zutreffend haben beide Vorinstanzen die Anwendbarkeit des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 229/1937, betreffend Kautionen, Darlehen und Geschäftseinlagen von Dienstnehmern, verneint. Wie schon der Titel des Gesetzes besagt, wird darin bestimmt, wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form Dienstgeber von ihren Dienstnehmern Kautionen, Darlehen oder Geschäftseinlagen verlangen dürfen und wie sie damit verfahren müssen. Das Gesetz bezweckt, die Dienstnehmer vor einer mißbräuchlichen Verwendung der von ihnen bestellten Kautionen durch die Dienstgeber zu schützen und ihnen deren Rückzahlung bei Beendigung des Dienstverhältnisses zu sichern (Klang in JBl. 1937 S. 354 f. und Maier in Anwaltszeitung 1937 S. 345 f.). Wohl sieht § 1 (1) lit. c des Gesetzes auch Bürgschaften als Form der Kautionsbestellung vor und § 4 erklärt Rechtsgeschäfte, die den Bestimmungen des § 1 widersprechen, für nichtig. Hierunter sind aber Bürgschaften dritter Personen zu verstehen, die diese übernehmen, um allfällige Schadenersatzansprüche des Dienstgebers gegen den Dienstnehmer zu sichern. Bürgschaftserklärungen eines Dienstnehmers zugunsten irgend welcher Verpflichtungen seines Dienstgebers fallen nicht unter das Kautionsschutzgesetz. Aber auch die Bestimmung des § 3 des Gesetzes, wonach der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages nicht davon abhängig machen darf, daß der Dienstnehmer ihm ein Darlehen gewährt oder sich mit einer Geldeinlage am Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt, kommt nicht zur Anwendung, da der Beklagte derartiges gar nicht behauptet hat.
Unberechtigt ist auch der Revisionseinwand, die Bürgschaftserklärung sei deswegen sittenwidrig, weil sie zur Zeit ihrer Abgabe nicht einmal der Höhe nach bestimmbar war. Diese Ausführungen können sich nur auf die künftigen Fälligkeiten und nicht auf die bei Abgabe der Bürgschaftserklärung bereits bestehenden Rückstände beziehen. Nach Lehre und Rechtsprechung ist jedoch eine Bürgschaft für künftige Verbindlichkeiten zulässig (Ohmeyer - Klang im Komm[2] VI S. 214, Ohmeyer, Die Schriftform der Bürgschaftserklärung, in JBl. 1927 S. 178, sowie die Entscheidungen JBl. 1932 S. 381, 7 Ob 534/56, 6 Ob 22/62, 6 Ob 68/65 und 5 Ob 43/67). Daß die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge, für die sich der Beklagte verbürgte, ziffernmäßig nicht feststand, macht die Bürgschaft nicht ungültig, weil ihr Umfang durch den Beschäftigtenstand und die sich daraus ergebenden Beitragsverpflichtungen der Firma Anton Sch. abgegrenzt war und ihre Höhe sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergab. Der Oberste Gerichtshof hat in einem gleichgelagerten Fall mit Urteil vom 15. März 1967, 5 Ob 43/67, ausgeführt, daß sich die Beiträge, für die der Beklagte die Haftung übernahm, auf Grund der Vorschriften der §§ 44 ff. ASVG. ergeben (vgl. Legat - Grabner, Sozialversicherungsrecht S. 30 ff., Dragaschnig - Schäfer, Die Krankenversicherung und die allgemeinen Bestimmungen nach dem ASVG.[4] S. 38 ff.), die Höhe der Verzugszinsen durch § 59 ASVG. geregelt ist und die weiteren Nebengebühren sich aus § 64 ASVG. ergeben.
Von einer unbestimmten, gegen die guten Sitten verstoßenden Zukunftsbürgschaft kann somit auch hier keine Rede sein.
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