OGH 5Ob404/58

OGH5Ob404/583.12.1958

SZ 31/149

Normen

ABGB §1295
AO §19
AO §20
WechselG Art17
WechselG Art21
ABGB §1295
AO §19
AO §20
WechselG Art17
WechselG Art21

 

Spruch:

Macht der Gläubiger von der gesetzlichen Möglichkeit, während des Ausgleichsverfahrens gerichtlich oder außergerichtlich die Aufrechnung zu erklären, keinen Gebrauch, so kann er nach Beendigung des Ausgleiches nur mehr mit der Ausgleichsquote seiner Forderung aufrechnen.

Zum Schadenersatzanspruch des Gefälligkeitsakzeptanten gegen den Vertragspartner, der den Wechsel nicht rechtzeitig einlöst.

Entscheidung vom 3. Dezember 1958, 5 Ob 404/58.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger behauptet, daß ihm der Beklagte für gelieferte Waren 75.860 S 99 g schulde. Er habe diese Forderung im Ausgleich des Beklagten zu Sa 8/57 des Kreisgerichtes St. Pölten am 14. August 1957 angemeldet, doch sei die Forderung vom Beklagten und vom Ausgleichsverwalter bestritten worden. Der Kläger begehrt die Fällung des Urteils, der Beklagte sei schuldig, den genannten Betrag nach Maßgabe des zu Sa 8/57 vom Beklagten mit seinen Gläubigern abgeschlossenen Ausgleichs zu zahlen.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein, er habe dem Kläger in der Zeit von September 1956 bis Jänner 1957 insgesamt 13 Blankowechsel für die in Aussicht genommenen Bestellungen übergeben. Diese Wechsel seien gemäß der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung vom Kläger bei Absendung der jeweiligen Lieferung auf den Rechnungsbetrag, jedoch nicht höher als je 8000 S, mit einem Fälligkeitsdatum von drei Monaten nach Lieferung auszufüllen gewesen. Dem Kläger sei das Recht zugestanden, sich sodann durch Eskomptierung der Wechsel den vom Beklagten geschuldeten Betrag sofort zu beschaffen. Er habe jedoch entgegen dieser Vereinbarung die Wechsel auf beliebige Beträge ausgestellt, ohne Waren zu liefern, sie sodann bei der C.-Bank in L., der A.-Sparkasse in L. und der Ö.-Bank in L. eskomptieren lassen und insgesamt 167.000 S erhalten. Der Ausgleich über das Vermögen des Klägers sei am 23. Juli 1957 bestätigt worden. Der Beklagte sei von den Kreditinstituten als Akzeptant zur Zahlung herangezogen worden. Der Klagebetrag setze sich aus einer Warenschuld von 70.752 S 46 g und einem Zinsenbetrag von 4608 S 53 g zusammen. Da der Beklagte am 19. Dezember und 8. Mai (es fehlt hier die Angabe der Jahreszahl) Wechsel mit je 15.000 S, also zusammen 30.000 S, eingelöst habe und auch noch vor Ausleichseröffnung (hier fehlt die Angabe, welches Ausgleichsverfahren gemeint ist) a conto der Wechselverbindlichkeiten an die genannten Kreditinstitute 9500 S gezahlt habe, ergebe sich ein Saldo von 31.252 S 46 g, der jedoch durch Eskomptierung der Blankowechsel bereits getilgt sei. Jedenfalls sei der Kläger um den Betrag von 135.747 S 54 g (das sind 167.000 S abzüglich 31.252 S 46 g) gegenüber dem Beklagten bereichert. Der gleiche Betrag stehe dem Beklagten wegen des vereinbarungswidrigen, dolosen Verhaltens des Klägers aus dem Titel des Schadenersatzes zu. Der Beklagte wendete daher aufrechnungsweise eine Forderung von 135.747 S 54 g ein.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß die Forderung des Klägers aus Warenlieferungen nach Maßgabe des vom Beklagten zu Sa 8/57 abgeschlossenen Ausgleichs dem Gründe nach zu Recht, dagegen die eingewendete Gegenforderung des Beklagten nicht zu Recht bestehe. Es stellte fest, daß die Wechsel dem Kläger nicht zur Bezahlung von Warenverbindlichkeiten, sondern zur Beschaffung von Kredit, also als Finanzwechsel, übergeben wurden. Da der Schuldner durch den gerichtlich bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit werde, seinen Gläubigern und den Rückgriffsberechtigten den Ausfall nachträglich zu ersetzen (§ 53 Abs. 1 und 2 AO.), habe der Kläger durch die Zahlung der Ausgleichsquote die volle Schuld erfüllt. Der Beklagte könne daher seine eigenen Zahlungen oder Zahlungsverpflichtungen aus den Wechseln dem Kläger gegenüber nicht geltend machen. Es bestehe sonach die Forderung des Klägers zu Recht, die des Beklagten jedoch nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt zurück. Da der Beklagte selbst eine Forderung des Klägers mit 31.252 S 46 g errechnet habe, könne von dem Bestehen einer ziffernmäßig noch nicht genau ermittelten Forderung des Klägers für gelieferte Waren ausgegangen werden. Der Beklagte rüge mit Recht, daß das Erstgericht nicht untersucht habe, ob dem Beklagten die eingewendete Gegenforderung aus dem Titel der Bereicherung oder des Schadenersatzes zustehe.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorausgeschickt sei, daß die Partei, die durch ein Rechtsmittel die Aufhebung des Ersturteiles erwirkt hat, den Aufhebungsbeschluß nur insoweit bekämpfen kann, als sie die rechtliche Beurteilung anficht, von der das Berufungsgericht ausgeht (SZ. XXIII 159, ebenso 7 Ob 158/57, 5 Ob 230/58, 2 Ob 603/57 und 2 Ob 866/54). Soweit daher der Beklagte Mängel des Berufungsverfahrens aufzuzeigen versucht, vermag er damit eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht zu erwirken.

Geht man von der Behauptung des Klägers aus, der die Feststellung des Erstgerichtes entspricht, daß die vom Beklagten dem Kläger hingegebenen Blankoakzepte Gefälligkeitsakzepte sind, dann war der Kläger verpflichtet, die Wechsel von den Kreditinstituten, denen er sie zum Eskompt gegeben hatte, rechtzeitig, das heißt vor Inanspruchnahme des Beklagten als Akzeptanten, einzulösen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, sorgt er also bei Fälligkeit des Wechsels nicht für die Tilgung der Wechselforderung oder sonst für die Freistellung des Akzeptanten, dann hat der Akzeptant gegenüber seinem Vertragspartner aus der Gefälligkeitsabrede einen Schadenersatzanspruch (siehe Baumbach - Hefermehl, WG. u. ScheckG.,

5. Aufl. S. 110 f. Anm. 11 zu Art. 17; Stranz, WG., 14. Aufl. S. 130 Anm. 38 zu Art. 17 und S. 187 Anm. 5 zu Art. 28). Die Nichterfüllung der erwähnten Vertragsverpflichtung seitens desjenigen, zu dessen Gunsten das Gefälligkeitsakzept gegeben wurde, ist die schadenstiftende Unterlassung, aus der dem Akzeptanten der Vermögensschaden erwächst. Der Schaden ist eingetreten, sobald dem Wechselinhaber Ansprüche aus dem Gefälligkeitsakzept gegenüber dem Akzeptanten zustehen. Der Schaden liegt schon in dem Bestand der Schuld gegenüber dem Wechselinhaber. Es bildet keine Voraussetzung für die Entstehung des Schadenersatzanspruches, daß der Akzeptant die Wechselschuld bezahlt hat oder daß sie bei ihm einbringlich ist (siehe SZ. X 320, GlU. 9654 und in letzter Zeit 1 Ob 37/56). Der aus der Gefälligkeitsabrede Begünstigte vermag den Schadenersatzanspruch des Akzeptanten nicht durch den Schuldlosigkeitsbeweis (§ 1298 ABGB.) abzuwenden, weil in der Gefälligkeitsabrede die vertragliche Verpflichtung zur Schadloshaltung des Akzeptanten bei nicht rechtzeitiger Freistellung von der wechselmäßig Haftung eingeschlossen ist. Feststellungen über ein Verschulden des Klägers am Unterbleiben der Freistellung des Beklagten haben daher zu entfallen.

Die Aufrechnungserklärung wurde vom Beklagten in der am 20. Februar 1958 bei Gericht eingelangten, dem Vertreter des Klägers am 24. Februar 1958 zugestellten Klagebeantwortung abgegeben. Sie ist also erst nach dem bereits am 23. Juli 1957 vom Ausgleichsgericht bestätigten Ausgleich des Klägers erfolgt. Es ist daher die Frage zu beantworten, ob der Ausgleichsgläubiger (Beklagter) nach geschlossenem Ausgleich seine Forderung ohne Beschränkung durch den Ausgleich (des Klägers), also in der Höhe des ganzen noch aushaftenden Betrages, mit einer Forderung des Ausgleichsschuldners (Klägers) aufrechnen kann. Die deutsche Judikatur (RGZ. 80, 409 ff.) und auch ein Teil der deutschen Literatur (s. Jaeger, KO., 8. Aufl. bei §§ 53, 54) bejahen diese Frage. Der Oberste Gerichtshof setzt sich mit dieser Rechtsansicht auseinander, weil die Bestimmungen der §§ 19 und 20 AO. und KO. mit den hier in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 53 und 54 Abs. 1 der deutschen KO. sinngemäß gleichlauten und daher der Beklagte, wenn man der Ansicht der zitierten Entscheidung des Reichsgerichtes folgt, in der Lage wäre, den erlittenen Schaden unbeschränkt durch die Wirkungen der Bestätigung des Ausgleichs des Klägers (§ 53 AO.) mit der Kaufpreisforderung des Klägers aus den Warenlieferungen aufzurechnen, sofern der Forderung des Beklagten kein Aufrechnungshindernis aus den Bestimmungen der §§ 19 und 20 AO. entgegenstunde. Der Oberste Gerichtshof vermag sich jedoch dieser Auffassung nicht anzuschließen. Die im § 20 AO. enthaltenen Beschränkungen der Aufrechnungsmöglichkeit sind nach Bestätigung des Ausgleichs nicht mehr anwendbar. Mit der Bestätigung des Ausgleichs treten vielmehr die Wirkungen des § 53 AO. gegenüber allen Gläubigern ein, sofern nicht das Gesetz selbst einzelne von ihnen, wie etwa in den Absätzen 1 und 2 des § 46 AO., von diesen Wirkungen ausnimmt. Nun sind die Aufrechnungserechtigten in die Ausnahmsbestimmungen bezüglich der im Abs. 3 § 46 AO. festgelegten Gleichbehandlung der Gläubiger nicht aufgenommen. Daraus ist zu entnehmen, daß der Gläubiger, wenn er während des Ausgleichsverfahrens von der ihm durch das Gesetz gegebenen Möglichkeit (§§ 19 und 20 AO.), sei es gerichtlich, sei es außergerichtlich die Aufrechnung zu erklären, keinen Gebrauch macht, nach Bestätigung des Ausgleichs nur mehr mit der Ausgleichsquote seiner Forderung aufrechnen kann. Die Aufrechnungsmöglichkeit als solche wird allerdings durch die Ausgleichsbestätigung nicht berührt (s. Bartsch - Pollak, Kommentar zur Ausgleichsordnung, bei § 53 Anm. 6). Da die Aufrechnungsbeschränkungen des § 20 AO. nach Bestätigung des Ausgleichsverfahrens nicht mehr gelten (s. Bartsch a. a. O. bei § 20 Anm. 29 S. 217; Lehmann, Kommentar zur AO., 2. Aufl. S. 111) und der Beklagte die Aufrechnungserklärung nach der Aktenlage erst nach Ausgleichsbestätigung abgegeben hat, kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit seine Schadenersatzforderungen vor oder nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen des Klägers entstanden sind und ob den Inhabern der Gefälligkeitswechsel bereits vor Fälligkeit der Wechselforderungen ein Anspruch gegenüber dem Beklagten und damit diesem eine Schadenersatzforderung aus der Gefälligkeitsabrede gegenüber dem Kläger zugestanden ist. Jedenfalls waren alle Wechselforderungen zur Zeit der Erhebung der Aufrechnungseinrede in diesem Prozesse bereits fällig, wie sich aus dem unbestrittenen Sachverhalt der Klagebeantwortung ergibt, demzufolge die Fälligkeiten zwischen dem 18. Februar 1957 und dem 4. Mai 1957, also zwischen der Ausgleichseröffnung über das Vermögen des Klägers (11. Februar 1957) und der Bestätigung dieses Ausgleichs (23. Juli 1957), liegen. Daß der Kläger dafür Sorge getragen hat, daß der Beklagte aus diesen Wechseln, die nach der Feststellung des Erstgerichtes sogenannte Finanzwechsel sind, nicht in Anspruch genommen werde, behauptet er nicht. Es ist daher spätestens mit der Fälligkeit der einzelnen Wechselforderungen dem Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe dieser Forderungen entstanden. Da jedoch der Beklagte den eskomptierenden Kreditinstituten, falls in seinem Ausgleichsverfahren ein Ausgleich zustandegekommen und vom Ausgleichsgericht bestätigt worden ist, nur mit der Ausgleichsquote haftet, verringert sich der Schaden des Beklagten auf die Quote der noch nicht berichtigten Forderungsteile (§ 53 AO.). Leistungen des Beklagten vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens (maßgebend ist gemäß § 7 KO. der Tag des Ediktanschlages) sind dagegen bei der Errechnung der Schadenshöhe zur Gänze zu berücksichtigen.

Die Wechselinhaber waren berechtigt, gegen den Beklagten als Verpflichteten aus den Blankoakzepten den ganzen Betrag der zur Zeit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens noch ausständigen Forderungen geltend zu machen (§ 18 Abs. 1 AO.; über die Wirkung der Zahlungen des Ausstellers, das ist hier der Kläger, s. die Ausführungen zu Art. 17 WG. bei Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 106).

Der Schaden des Beklagten besteht daher in dem Betrage, den er bis zur Ausgleichseröffnung auf die Wechselforderungen der eskomptierenden Kreditinstitute bezahlt hat, zuzüglich der von ihm bei Bestätigung des Ausgleichs zu zahlenden Quote der noch ausständigen Forderungen. Von der auf diese Weise gefundenen Gesamtschadenssumme gebührt ihm im Hinblick auf § 53 AO. die vom Kläger gemäß seinem Ausgleich zu leistende Quote.

Da Feststellungen über Zeitpunkt und Höhe der von den Parteien auf die Wechselforderungen geleisteten Zahlungen fehlen, ist die Sache schon aus diesem Gründe hinsichtlich der eingewendeten Gegenforderung nicht spruchreif. Das Erstgericht wird nunmehr die hierüber angebotenen Beweise abzuführen und vor allem auch die Ausgleichsakten beizuschaffen haben.

Die obigen Erwägungen gehen entsprechend den Feststellungen des Erstgerichtes von der Annahme aus, daß die vom Beklagten in seiner Klagebeantwortung angeführten Wechsel sogenannte Gefälligkeitswechsel sind. Nun behauptet aber der Beklagte, auch Wechsel am 19. Dezember (soll wohl heißen 1956) und 8. Mai (offenbar 1957) über je 15.000 S eingelöst zu haben. Er rechnet sodann einen Betrag von 30.000 S von den um die Zinsen verringerten Klageforderungen ab. Handelt es sich bei diesen Wechseln um sogenannte Warenwechsel, dann ist die Grundforderung des Klägers gegen den Beklagten, also hier die Kaufpreisforderung aus den Warenlieferungen, so weit getilgt, wie der Bezogene (Beklagte) die Wechsel eingelöst hat (Baumbach - Hefermehl a. a. O. S. 27 Pkt. C und S. 29 Pkt. D a). Bei Warenwechseln kann insofern eine Schadenersatzforderung des Akzeptanten eines Blankowechsels gegen den Aussteller gegeben sein, als die Ausfüllung des Wechsels nicht der getroffenen Vereinbarung entspricht, also zum Beispiel soweit die Wechselsumme die Forderung des Ausstellers aus dem Grundgeschäft überschreitet. Der auf die abredewidrige Ausfüllung des Wechsels gegrundete Schadenersatzanspruch richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 1295 ff. ABGB.

Da der Beklagte Tilgung der Klageforderung behauptet, ist es notwendig, die Höhe der Klageforderungen festzustellen und sodann die Zahlungen festzuhalten, die der Beklagte auf diese Forderungen durch die Einlösung von Warenwechseln geleistet hat. Erst dann kann beurteilt werden, ob dem Kläger überhaupt eine Forderung zusteht und der Klageanspruch dem Gründe nach gegeben ist.

Worin ein Bereicherungsanspruch des Beklagten bestehen soll, ist unklar, denn ein Ausfall, den der Beklagte im Hinblick auf die Ausgleichswirkungen erleidet, vermag einen solchen Anspruch nicht zu rechtfertigen.

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