OGH 5Ob355/97k

OGH5Ob355/97k2.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Pimmer, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr.Manfred S*****, vertreten durch Waneck & Kunze Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wider die Antragsgegner 1. R***** AG, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, 2. A***** AG, ***** vertreten durch Dr.Haimo Puschner, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 3, 6, 37 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18.März 1997, GZ 39 R 98/97v, 39 R 99/97s-65, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.November 1996, GZ 54 Msch 87/94k-53, und der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18.Dezember 1996, GZ 54 Msch 87/94k-58, aufgehoben wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revisionsrekursbeantwortung der Erstantragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin zu lauten hat:

"Die angefochtenen erstinstanzlichen Beschlüsse werden aufgehoben; das ab 22.8.1995 geführte Verfahren wird für nichtig erklärt. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des nichtigen Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Die Parteien haben die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Rechtsmittelverfahren selbst zu tragen."

Text

Begründung

Der Antrag gemäß § 6 MRG an die Schlichtungsstelle vom 19.1.1994 war gegen die Erstantragsgegnerin als damalige bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft gerichtet. Mit Antrag gemäß § 40 Abs 2 MRG vom 29.4.1994 rief der Antragsteller das Gericht an. Seit 22.8.1995 ist die Zweitantragsgegnerin bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft.

Mit Sachbeschluß vom 20.11.1996 trug das Erstgericht der Zweitantragsgegnerin auf, diverse zur Beseitigung einer Durchfeuchtung bzw Schimmelbildung unbedingt notwendige Erhaltungsarbeiten binnen sechs Wochen vorzunehmen. Weiters wurde die Zweitantragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Barauslagen von S 82.839 zu ersetzen. Der Antrag, der Erstantragsgegnerin die genannten Arbeiten aufzutragen, wurde abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß dem Vermieter gemäß § 6 Abs 1 MRG die von ihm unterlassenen und unbedingt notwendigen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten binnen angemessener Frist aufzutragen seien. Passiv legitimiert sei der jeweilige Vermieter des Hauses, hiebei komme es auf den Grundbuchsstand und die Übergabe der Liegenschaft an.

Mit Beschluß vom 18.12.1996 trug das Erstgericht der Erstantragstellerin auf, dem Antragsteller weitere mit S 1.800 bestimmte Barauslagen zu ersetzen, weil der Antragsteller im Verfahren obsiegt habe.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Zweitantragsgegnerin gegen diesen Beschluß sowie gegen den Sachbeschluß Folge, hob die gegen die Zweitantragsgegnerin gerichteten Beschlüsse auf, erklärte das Verfahren in Ansehung der Zweitantragsgegnerin für nichtig und wies den Sachantrag zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs - mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO - für nicht zulässig. Das Rekursgericht führte folgendes aus:

Die Zweitantragsgegnerin sei im Gerichtsverfahren in keiner Weise beteiligt gewesen. Sie sei zu keiner Verhandlung geladen worden, lediglich zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen sei ohne Ladung Ing.Peter R***** von der I***** GmbH als neuer Besitzer (richtig wohl: Verwalter) der Liegenschaft erschienen. Auch im weiteren Verfahren sei die Zweitantragsgegnerin nicht beteiligt gewesen. In der letzten Verhandlung vom 25.9.1996 habe der Antragsteller vorgebracht, es habe auf Seiten der Vermieter ein Wechsel stattgefunden, welcher ihm mit Schreiben vom 25.7.1994 mitgeteilt worden sei. Die Zweitantragsgegnerin, deren Eigentum seit 22.8.1995 verbüchert sei, sei auch zu dieser Verhandlung nicht geladen und dem Verfahren nicht beigezogen worden. Erst die Sachbeschlußausfertigung sei der Zweitantragsgegnerin zugestellt worden.

Der Ausschluß einer Partei vom rechtlichen Gehör verwirkliche den Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO selbst dann, wenn die Partei nur von einer der Entscheidung erster Instanz unmittelbar vorangegangenen Tagsatzung nicht verständigt worden sei und keine Gelegenheit gehabt habe, vor der Entscheidung Stellung zu nehmen. Ohne Einfluß sei es, daß Peter R***** von der I***** GmbH ohne Ladung zu einer Befundaufnahme des Sachverständigen erschienen sei. Damals sei der Antrag nicht einmal gegen die Zweitantragsgegnerin gerichtet gewesen; zu einer Heilung reicht die bloße Kenntnis von einem Verfahren nicht aus, mangels Kenntnis der Verhandlungstermine sei die Zweitantragsgegnerin jedenfalls vom Verfahren ausgeschlossen gewesen.

Eine Zustellung durch einen Anschlag im Hause gemäß § 37 Abs 3 Z 4 MRG sei nur zulässig und wirksam, soweit dadurch die Zustellung an andere Mieter des Hauses erfolge. An den Vermieter könne durch Hausanschlag nicht wirksam zugestellt werden. Im übrigen sei, sofern man das Vorbringen des Antragstellers, es habe 1994 ein Vermieterwechsel stattgefunden, überhaupt als Ausdehnung des Antrages auf die Zweitantragsgegnerin verstehe, dies in der letzten Verhandlung vor der Entscheidung erfolgt. Betreffend diese Verhandlung sei ein Hausanschlag überhaupt nicht vorgenommen worden. Damit sei der Zweitantragsgegnerin jegliche Beteiligung am Verfahren verwehrt und das rechtliche Gehör genommen worden. Die Entscheidung sei daher in Ansehung der Zweitantragsgegnerin nichtig.

Letztlich sei darauf zu verweisen, daß der Antrag an die Schlichtungsstelle eindeutig präzisiert nur gegen die Erstantragsgegnerin gerichtet sei. Eine Partei im formellen Sinn könne, wenn sie nicht schon vor der Schlichtungsstelle in Anspruch genommen worden sei, wegen der Bestimmung des § 39 MRG nicht mehr im gerichtlichen Verfahren beigezogen werden.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der als außerordentlich bezeichnete Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Beschlüsse des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die von der Erstantragsgegnerin erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig, weil die Abweisung des gegen sie gerichteten Sachantrages bereits in Rechtskraft erwachsen ist. Der Schriftsatz war daher zurückzuweisen.

Die Zweitantragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig; er ist teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528a ZPO, § 37 Abs 3 Z 16 MRG). Bei der behaupteten Aktenwidrigkeit handelt es sich lediglich um einen Schreibfehler.

Der Rechtsmittelwerber macht im übrigen geltend, eine allfällige Nichtigkeit sei durch die Kenntnis des Hausverwalters der Zweitantragsgegnerin vom Verfahren sowie durch Zustellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses an die Zweitantragsgegnerin geheilt worden. Durch Hausanschlag sei auch an die Zweitantragsgegnerin wirksam zugestellt worden.

Der erkennende Senat hält diese Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig und die damit bekämpfte zweitinstanzliche Begründung der Nichtigkeit wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Zweitantragsgegnerin für zutreffend (§ 510 Abs 3, § 528a ZPO, § 37 Abs 3 Z 16 MRG), weshalb dem Rechtsmittelwerber insoweit nur kurz folgendes entgegenzuhalten ist:

Die Kenntnis der neuen Hausverwaltung vom Verfahren ist einer Beteiligung des neuen Eigentümers am Verfahren als Partei nicht gleichzuhalten. Eine Heilung der Nichtigkeit durch Zustellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses an die dem Verfahren zuvor nicht beigezogene Zweitantragsgegnerin ist nicht erfolgt, weil die Zweitantragsgegnerin diesen Sachbeschluß nicht unbekämpft gelassen, sondern im Gegenteil den verwirkten Nichtigkeitsgrund geltend gemacht hat. Durch Hausanschlag kann unter bestimmten Voraussetzungen an Hauptmieter (§ 37 Abs 3 Z 4 und 5 MRG) und Wohnungseigentümer (§ 26 Abs 2 Z 5 WEG), nicht aber an den (neuen) Vermieter zugestellt werden. Aus den vom Rechtsmittelwerber zitierten Entscheidungen 5 Ob 53/90 = WoBl 1990, 165/84 (Würth) und 5 Ob 1086/92 = WoBl 1993, 77/54 ist für ihn somit nichts zu gewinnen.

Dem Rekursgericht ist allerdings nicht beizupflichten, wenn es meint, die Zweitantragsgegnerin (die nunmehrige Liegenschaftseigentümerin) könne dem gerichtlichen Verfahren nicht mehr beigezogen werden, weil der Antrag an die Schlichtungsstelle eindeutig nur gegen die Erstantragsgegnerin (die damalige Liegenschaftseigentümerin) gerichtet gewesen sei, und den Sachantrag hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin zurückweist. Die Ansicht des Rekursgerichtes hätte zur Folge, daß im Falle eines Eigentümerwechsels während des gerichtlichen Verfahrens der Mieter - nach allenfalls mehrjähriger Verfahrensdauer und (wie hier) erheblichem Verfahrensaufwand - gegen den neuen Eigentümer (bei wiederholtem Verkauf immer wieder) einen neuen Antrag bei der Schlichtungsstelle stellen müßte, um irgendwann die Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten zu erreichen.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist die betreffende Rechtsfrage hingegen folgendermaßen zu lösen:

Die Bestimmung des § 234 ZPO, wonach die Veräußerung einer streitverfangenen Sache auf den Prozeß keinen Einfluß hat, ist im außerstreitigen Verfahren nicht anzuwenden. Da es sich bei einem Antrag gemäß § 6 MRG um ein in die Zukunft weisendes Begehren handelt, ist im Falle eines Eigentümerwechsels während des Verfahrens von Amts wegen der Rechtsnachfolger beizuziehen. Kommt es nach einem Verfahren vor der Schlichtungsstelle zum Eigentümerwechsel erst während des gerichtlichen Verfahrens, so schadet es nicht, daß der Erwerber dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - zwangsläufig - nicht beigezogen war (vgl Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 37 MRG Rz 50, 51 mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller vor der Schlichtungsstelle zutreffend die Erstantragsgegnerin als damalige Vermieterin in Anspruch genommen. Den Eigentümerwechsel während des gerichtlichen Verfahrens hätte das Erstgericht, das hievon auch Kenntnis erlangte, zum Anlaß nehmen müssen, der Zweitantragsgegnerin vor Fällung eines Sachbeschlusses rechtliches Gehör einzuräumen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Hinsichtlich der Erstantragsgegnerin ist das Verfahren ohnehin bereits rechtskräftig beendet.

Zusammenfassend ergibt sich, daß zwar der vom Rekursgericht angenommene Nichtigkeitsgrund vorliegt, soweit die Zweitantragsgegnerin nach dem Eigentümerwechsel am Verfahren nicht beteiligt wurde, daß der Sachantrag hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin aber nicht zurückzuweisen, sondern das Verfahren mit ihr fortzusetzen ist.

Dem Revisionsrekurs war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG, § 51 Abs 2 ZPO.

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