OGH 5Ob333/98a

OGH5Ob333/98a14.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl F*****, vertreten durch Dr. Johannes Pflaum, Dr. Wolfgang Löhnert, Dr. Peter Karlberger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Gerald A*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Zandl, Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,357.179,10 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. August 1998, GZ 11 R 79/98p-13, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Februar 1998, GZ 14 Cg 129/97m-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Beklagten wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

23.697 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 3.949,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hob das klagsstattgebende erstinstanzliche Urteil aus den Gründen einer dem Erstgericht unterlaufenen primären Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf. Zur Frage, ob der Beklagte für den Kläger als Vertragsverfasser tätig geworden sei, sei noch die Einvernahme des beantragten Zeugen Dr. F***** und die Einvernahme der Parteien erforderlich.

Daneben hielt das Berufungsgericht den Einwand des Beklagten, die Schadenersatzforderung des Klägers sei verjährt, und ihn treffe schon jedenfalls deshalb keine Haftung, da nach ihm ein weiterer Anwalt tätig geworden sei und Unterlassungen zu verantworten habe, für nicht stichhältig, weil diesfalls eine Solidarverpflichtung zweier hintereinander tätiger Anwälte eintrete.

Daneben hielt das Berufungsgericht noch für erörterungsbedürftig, warum bei Abschluß eines Kaufvertrages über einen Teil eines im Wohnungseigentum stehenden Dachbodens keine verbücherungsfähige Anmerkung nach § 24a WEG bewirkt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs komme zwar dann eine Anmerkung nach § 24a WEG nicht in Betracht, wenn an einem Objekt bereits Wohnungseigentum bestehe, doch stehe hier in Frage, ob bei Teilung eines bereits im Wohnungseigentum befindlichen Objekts dasselbe gelte. Diesfalls sei nämlich wegen des Gebots der Unteilbarkeit des § 8 WEG keine andere grundbücherliche Absicherung der beiden neuen Wohnungseigentümer an den Mindestanteilen möglich.

Zu dieser Frage erklärte das Berufungsgericht den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluß an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Der Rekurswerber strebt nicht eine andere Begründung des Aufhebungsbeschlusses an, ohne die Aufhebung selbst zu bekämpfen (Kodek in Rechberger Rz 5 zu § 519 ZPO), sondern begehrt die Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung.

Primär wendet er sich gegen die berufungsgerichtliche Rechtsauffassung, daß der klägerische Anspruch gegen den Beklagten nicht verjährt sei. Bereits bei Erhebung der Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Rückzahlung des Kaufpreises, die am 8. 4. 1994 beim Handelsgericht Wien zu 17 Cg 66/94a eingebracht wurde, habe die Verjährungsfrist gegen den Beklagten zu laufen begonnen. Zwar entspreche es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes seit JBl 1996, 311 (verstärkter Senat vom 19. 12. 1995), daß die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen gemäß § 1489 ABGB nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginne. Dieser Grundsatz habe jedoch im Fall der zeitlich gedehnten Entstehung mehrerer Teilschäden nur für den relevanten Erstschaden uneingeschränkt Gültigkeit. Bei Vorhersehbarkeit von Folgeschäden sei die Erhebung einer Leistungsklage geboten, weil nicht jeder vorhersehbare weitere Folgeschaden eine neuerliche Verjährungsfrist ins Laufen setze. Zu Unrecht hätten die Vorinstanzen den Erstschaden mit der Pfandrechtseintragung im Jahr 1995 angesetzt, obwohl der erste Schaden bereits mit der Klagseinbringung im Vorprozeß eingetreten sei. Die Pfandrechtseintragung sei nur als Folgeschaden im Sinn der Judikatur zum gedehnten Schaden dieses Schadens anzusehen. Der Beginn der Verjährungsfrist sei somit mit 8. 4. 1994 anzusetzen. Die am 1. 10. 1997 erhobene Schadenersatzklage habe daher der Verjährung nicht mehr entgegenwirken können.

Es trifft zu, daß der der Prozeßökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechts es verbietet, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehen beginnen zu lassen. Ist ein, wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, so sind damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und dieser ist dem Grunde nach entstanden. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (SZ 69/55). Das bedeutet, daß im Fall der zeitlich gedehnten Entstehung mehrerer Teilschäden die Erhebung einer Feststellungsklage betreffend die bei Entstehung des "Erstschadens" vorhersehbaren Folgeschäden zumutbar ist, dies auch unter Berücksichtigung der in der Zukunftsprognose liegenden Unsicherheitsfaktoren. Für nicht vorhersehbare neue schädigende Wirkungen eines Schadensfalls beginnt aber die Verjährungsfrist erst vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme an zu laufen. Das heißt, daß es für den Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich späterer Schäden nach einem "Erstschaden" auf deren Vorhersehbarkeit ankommt (1 Ob 155/97v; 2 Ob 254/98m, 4 Ob 2197/96h). Eine solche Vorhersehbarkeit ist aber dann zu verneinen, wenn es zum Eintritt des Schadens neben dem schädigenden Ereignis (das zunächst den Primärschaden herbeigeführt hat) noch weiterer Voraussetzungen bedarf und nicht abzusehen ist, ob in Zukunft tatsächlich ein Schaden eintreten werde. Dann beginnt nämlich der Lauf der Verjährungsfrist erst mit dem tatsächlichen Eintritt des (Zweit-)Schadens (AnwBl 1991, 116). So hat der Oberste Gerichtshof, wenn das schädigende Ereignis in einem Formulierungsfehler der Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs lag, für den Beginn der Verjährungsfrist den tatsächlichen Eintritt des Schadens für maßgeblich erachtet, der durch die Nichtdurchsetzbarkeit der vereinbarten Leistung gegenüber dem Vertragspartner infolge dessen Insolvenz eingetreten ist.

Dasselbe hat auch hier zu gelten: Der Umstand, daß Gläubiger der Verkäuferin Pfandrechtseintragungen gegen diese erwirkten, die der Kläger zu übernehmen hatte, hat zwar seine Ursache in der mangelnden bücherlichen Absicherung des Klägers bei Verfassung des Vertrags und der mangelnden Sicherstellung des Kaufpreises, war jedoch nicht unmittelbar mit dem schadensstiftenden Ereignis = fehlerhafter Abschluß des Vertrags bewirkt, sondern bedurfte weiterer Voraussetzungen nämlich insbesondere der Insolvenz der Verkäuferin, um beim Kläger nachhaltig als Schaden zu entstehen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß im Zeitpunkt der Klagserhebung, mit der der Kläger unter Rücktritt vom Vertrag den von ihm bezahlten Kaufpreis rückforderte, die Entstehung neuer bücherlicher Belastungen bereits vorhersehbar gewesen wäre, die infolge Insolvenz der Verkäuferin endgültig zu Lasten des Klägers gingen. Der Beginn der Verjährungsfrist ist daher - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - jedenfalls nicht vor Bewirkung der Pfandrechtseintragungen anzusetzen.

Der Kostenausspruch des Klägers, nachdem dieser mit seinem Begehren auf Abschluß eines verbücherungsfähigen Kaufvertrags durchgedrungen war, wurde ihm erst mit Urteil vom 22. 7. 1996 zuerkannt.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen den Verjährungseinwand des Beklagten verworfen, ohne daß darin eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gelegen wäre.

Aber auch der weitere Einwand des Beklagten, ihm sei - vorbehaltlich seiner grundsätzlichen Haftung als Vertragsverfasser überhaupt - eine Haftung für die schadensbegründende Vertragsverfassung schon deshalb nicht anzulasten, weil ein Monat später der Rechtsanwalt Dr. F***** die Vertretung des Klägers übernommen habe und seinerseits ihm mögliche Absicherungsmaßnahmen unterlassen habe, ist unberechtigt. Wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist jedenfalls durch die ungenügende Beratung des Klägers bei Vertragsabschluß und die dadurch erfolgte völlige Mißachtung einer Notwendigkeit einer Absicherung der Kaufpreiszahlung eine vom Beklagten gesetzte Schadensursache wirksam geblieben, weil der vom Kläger bereits bezahlte Kaufpreis nicht mehr "zurückgeholt" werden konnte. Selbst wenn also dem nachfolgenden Anwalt Dr. F***** Unterlassungen anzulasten wären - der Beklagte führt dazu aus, Dr. F***** hätte sofort eine Klage auf Abschluß eines verbücherungsfähigen Vertrags erheben können - wären diesfalls doch nur zwei Schadensursachen gleichzeitig wirksam geworden, von denen jede ausgereicht hätte, den Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall kumulativer Kausalität haften die Schädiger solidarisch, wenn das Verhalten keines der beiden rechtmäßig war. Es kann sich daher ein Schädiger nicht auf die Pflichtverletzung des anderen berufen (vgl zur Haftung zweier hintereinander tätiger Rechtsanwälte: JBl 1997, 245; JBl 1998, 718 = RdW 1998, 457).

Weil aber feststeht, daß primär die unterlassene Kaufpreissicherstellung als Schadensursache anzusehen ist, ist eine fortlaufende Haftung des Beklagten - dessen Eigenschaft als Vertragsverfasser vorausgesetzt, was allerdings noch im fortgesetzten Verfahren zu klären ist - jedenfalls zu bejahen. In Einklang mit der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung haben die Vorinstanzen daher den Einwand der Beklagten, seine Haftung sei durch die Übernahme des Vertretungsverhältnisses durch Dr. F***** ausgeschlossen, verneint, ohne daß diesbezüglich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO maßgeblich gewesen wäre.

Ausführungen zur Problematik der Möglichkeit der Erwirkung einer Anmerkung nach § 24a Abs 2 WEG (vgl NZ 1998/222 und NZ 1999, 62, jeweils mit Ablehnung Hoyer) erübrigen sich, weil der Rekurs substantielle Darlegungen zu dieser vom Berufungsgericht als entscheidend angesehenen Frage vermissen läßt.

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß erweist sich somit als nicht zulässig, weil im zugelassenen Rechtsmittel ausschließlich irrevisible Gründe geltend gemacht wurden (JBl 1992, 794).

Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung zutreffend auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittelausführungen hingewiesen.

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