OGH 5Ob328/99t

OGH5Ob328/99t21.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses H*****, vertreten durch Frieda Rustler, Gebäudeverwalterin, Mariahilferstraße 196, 1150 Wien, diese vertreten durch Dr. Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Beatrice F*****, vertreten durch Winkler-Reich-Rohrwig-Elsner-Illedits, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen S 70.339,85 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 1999, GZ 39 R 292/99a-27, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 26. März 1999, GZ 8 C 2008/96h-23, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist zu 744/11172 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus H***** und verfügt als solche über die Wohnung top 14. 1500 der 11172 Liegenschaftsanteile, das sind 13,43 % der Gesamtzahl, stehen noch im schlichten Miteigentum.

Die Verwalterin der Liegenschaft wurde von der Wohnungseigentümergemeinschaft immer wieder beauftragt, von den Miteigentümern Akontozahlungen auf die Betriebskosten und Beiträge zur Instandhaltungsrücklage einzuheben. Die Beklagte, auf die 6,66 % aller Anteile oder 7,69 % der mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteile entfallen, hat seit März 1992 keinerlei Wohnbeitragszahlungen geleistet. Zur Eintreibung der Rückstände sind mehrere Gerichtsverfahren anhängig. Hier ist nur von Bedeutung, dass sich die der Beklagten von Anfang November 1993 bis einschließlich Oktober 1996 weisungsgemäß vorgeschriebenen, aber nicht geleisteten Akontozahlungen auf S 67.305,96 belaufen. Mittlerweile wurden die Betriebskosten der Jahre 1993 bis 1996 abgerechnet. Die Jahresabrechnungen 1993, 1994 und 1995 sind in Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 5 WEG bereits rechtskräftig geprüft; das Überprüfungsverfahren für die Jahresabrechnung 1996 befand sich bei Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens noch im Rechtsmittelstadium.

Die Klägerin hat im gegenständlichen Verfahren von der Beklagten auf Basis der zitierten Jahresabrechnungen die Nachzahlung von S 70.339,85 sA verlangt; in eventu begehrte sie S 67.305,96 sA aus dem Titel ausständiger Akontozahlungen. Die Beklagte bestritt jedoch (derzeit) jegliche Zahlungsverpflichtung und beantragte, sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren der Klägerin abzuweisen.

Die Wiedergabe des beiderseitigen Prozessvorbringens ist hier entbehrlich (siehe dazu ON 23, Seite 2 bis 7), weil es im Revisionsverfahren nur mehr um die Klärung von zwei strittigen Rechtsfragen geht, die ohnehin noch darzulegen sein werden.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren der Klägerin ab, gab jedoch ihrem Eventualbegehren statt. Als Begründung führte es im Wesentlichen an, dass zu den aus den Jahresabrechnungen resultierenden Forderungen wegen der noch offenen präjudiziellen Verfahren 10 C 213/93y und 22 Msch 53/97i je Bezirksgericht Fünfhaus keine ausreichenden Feststellungen hätten getroffen werden können, dass jedoch das Eventualbegehren im klagsstattgebenden Sinn entscheidungsreif sei, weil die Pflicht des einzelnen Wohnungseigentümers zur Leistung der ihm vorgeschriebenen Akontozahlungen unabhängig von der Erfüllung der Rechnungslegungspflicht des Verwalters bestehe. Die von der Beklagten gegen den angewendeten Aufteilungsschlüssel (7,69 % von 86,57 % statt 6,66 % von 100 % der Liegenschaftsanteile) vorgebrachten Einwendungen seien nicht stichhältig, weil rein rechnerisch kein Unterschied zwischen den beiden Alternativen bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Durch die Abweisung des Hauptbegehrens sei die Beklagte nicht beschwert; einzugehen sei daher nur auf die gegen die Berechtigung des Eventualbegehrens vorgebrachten Argumente.

Nach § 17 Abs 1 WEG zähle zu den Aufgaben des Verwalters einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft im Rahmen der ordentlichen Verwaltung, jedem Miteigentümer eine ordentliche Abrechnung und zugleich eine Vorausschau zu legen, in der die im folgenden Kalenderjahr in Aussicht genommenen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, die erforderlichen Beiträge zur Rücklage und die sonst vorhersehbaren Aufwendungen, vor allem die Bewirtschaftungskosten, bekanntzugeben sind. Zu den Pflichten des Verwalters gehöre demnach auch die Festsetzung der monatlichen Akontozahlungen in angemessener Höhe, die für die Miteigentümer bindend sind. In diesem Zusammenhang sei die Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt, die von ihr vorgeschriebenen und damit zu Beginn der einzelnen Monate fällig gewordenen Akontobeträge mangels Zahlung im Klagsweg zu begehren (vgl 5 Ob 111/97b unter Berufung auf SZ 66/3). Nach ständiger Rechtsprechung sei die Fälligkeit der vorgeschriebenen Akontozahlungen, in denen Vorschüsse im Sinne des § 1014 ABGB erblickt werden können, nicht von einer ordnungsgemäßen Abrechnung für frühere Perioden abhängig (vgl WoBl 1992/36 und 5 Ob 111/97b). Die Pflicht zur Akontieurung von Betriebskostenbeträgen diene nämlich dem Schutz der übrigen Wohnungseigentümer, weil die derart vorgeschriebenen Leistungen der einzelnen Miteigentümer die wichtigsten Mittel zur Abdeckung der Forderungen darstellen, die sich aus den laufenden Verwaltungshandlungen ergeben.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht biete § 26 Abs 1 Z 5 WEG die Möglichkeit, die Abrechnungspflicht des Verwalters im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen. Gegenstand eines auf Überprüfung der Rechnungslegung zielenden Außerstreitverfahrens sei primär die Kontrolle, ob die gelegte Abrechnung formell vollständig und schlüssig ist (vgl MietSlg 45.555/33), wobei die Rechtsprechung Kriterien für das Vorliegen einer formell ordentlichen Abrechnung entwickelt habe (vgl MietSlg 31.527; 37.629/49; 38.645/57; 39.634/8). Die materielle Berechtigung der gemeinschaftlich eingehobenen Beiträge und deren Aufnahme in die Abrechnung sei hingegen nicht im außerstreitigen Verfahren zu überprüfen (vgl WoBl 1991/163), wobei bereits Call zu WoBl 1992/36 aufgezeigt habe, dass die Abgrenzung zwischen der formellen und der inhaltlichen Prüfung der Jahresabrechnung problematisch ist.

Dem Erstgericht sei daher insoweit zu folgen, als es in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung bei der rechtlichen Beurteilung des Eventualbegehrens von der Fälligkeit der vorgeschriebenen Akontobeträge - unabhängig von der Frage der ordnungsgemäßen Rechnungslegung - ausging. Im Sinne der zitierten Rechtsprechung ergebe sich, dass die Fälligkeit von ordnungsgemäß vorgeschriebenen Akontobeträgen durch die spätere Legung einer Jahresabrechnung nicht aufgehoben wird, weil ansonsten dem Schutz der Finanzierbarkeit der laufenden Verwaltungshandlungen nicht Rechnung getragen würde.

Soweit sich die Beklagte durch den Verteilungsschlüssel für die Akontovorschreibungen beschwert erachtet, teile das Berufungsgericht die erstgerichtliche Rechtsansicht, dass der Anteil der Beklagten, 6,66 % der Gesamtliegenschaftsanteile und 7,69 % jener Liegenschaftsanteile, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist, ausmacht, sodass sich ohnehin ein Anteil der Beklagten von 7,69 % an den gesamten Saldi aus den Jahresabrechnungen der Wohnungseigentümer ergebe.

In Abänderung seiner ursprünglich gegenteiligen Entscheidung sprach das Berufungsgericht schließlich noch gemäß § 508 Abs 3 ZPO aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei. Dies wurde - den Ausführungen der Beklagten folgend - damit begründet, dass die Rechtsfrage, ob Akontovorschreibungen auch noch nach der Rechnungslegung durchgesetzt werden können, in der zitierten Judikatur nicht abschließend beantwortet worden sei.

Gegen das Berufungsurteil hat die Beklagte fristgerecht Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Streitfalls erhoben und damit den Antrag verbunden, die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück zu verweisen.

Von der Klägerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, das Berufungsurteil zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin gesteht zu, dass die Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers, die ihm zur Abdeckung von Liegenschaftsaufwendungen vorgeschriebenen Akonto-Zahlungen zu leisten, unabhängig davon besteht, ob der Verwalter seiner Rechnungslegungspflicht nachgekommen ist. Es kann daher insoweit auf die bereits von den Vorinstanzen zitierte Judikatur verwiesen werden (WoBl 1992, 41/36 mit weiter führenden Ausführungen von Call; SZ 66/3; MietSlg 45.551; 5 Ob 2381/96z = EWr II/13c/35 ua). Nach dem Zweck des Wohnungseigentumsvertrages ist sogar anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer schlüssig darauf verzichten, gegen Akontovorschreibungen zur Abdeckung der in § 17 Abs 1 Z 2 WEG genannten Ausgaben mit eigenen Ansprüchen gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft aufzurechnen, möge es sich dabei auch um Ansprüche auf Grund von Guthaben aus früheren Abrechnungsperioden oder um Ansprüche handeln, die in § 1035 oder § 1042 ABGB ihren Entstehungsgrund haben (WoBl 1999, 135/62 mit zust Anm von Call).

Daraus sei jedoch nach Ansicht der Revisionswerberin nicht die Konsequenz zu ziehen, dass Akontozahlungen auch noch nach einer ordnungsgemäßen Abrechnung der entsprechenden Aufwendungen eingehoben werden können. Andernfalls ergäbe sich die Situation, dass ein Wohnungseigentümer selbst bei einem sich aus der ordnungsgemäßen Abrechnung ergebenden Guthaben Akontozahlungen für die bereits abgelaufene Periode leisten müsste. Das Erstgericht hätte daher, statt die offenen Fragen der Klärung in anderen Verfahren zu überlassen, selbst Feststellungen über die inhaltliche Richtigkeit der bereits gelegten Jahresabrechnungen treffen und über das Hauptbegehren absprechen müssen.

Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

Der Grund, warum recte vorgeschriebene Akonto-Zahlungen der Wohnungseigentümer zur Abdeckung laufender Liegenschaftsaufwendungen nicht als reine Vorschüsse auf Aufwandersatzansprüche des Verwalters oder der Wohnungseigentümergemeinschaft behandelt werden können (vgl Call zu WoBl 1992, 41/36) und die Zahlungspflicht nicht von einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung des Verwalters abhängt (ja sogar die Aufrechnungsmöglichkeiten der Wohnungseigentümer mit Ansprüchen gegen die Gemeinschaft beschnitten sind), liegt darin, die Finanzierung der gesamten Wohnungseigentumsanlage zu gewährleisten und im Interesse aller Wohnungseigentümer Liquiditätsengpässe bei der Bestreitung der Liegenschaftsaufwendungen zu vermeiden (vgl WoBl 1999, 135/62 mit Anm von Call). Eben deshalb müssen die fälligen Akonto-Zahlungen auch noch dann eingehoben werden können, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind, jedoch Streit darüber besteht, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist. Andernfalls könnte die mit formellen oder inhaltlichen Mängeln der Rechnungslegung begründete Zahlungsverweigerung eines Wohnungseigentümers die Gemeinschaft in genau jene Liquiditätsprobleme führen, die durch die an den Gemeinschaftsinteressen orientierte Sonderbehandlung der Akonto-Zahlungen vermieden werden sollten. Solange der Abrechnungssaldo nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist, besteht also weiterhin die Pflicht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, die ihm im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung vorgeschriebenen Akonto-Zahlungen zu leisten. Zu Recht bemerkt die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung, dass jede andere Auslegung der bereits vorhandenen Judikaturgrundsätze zu den Akonto-Zahlungen der Wohnungseigentümer darauf hinauslaufen würde, bei der Aufbringung der notwendigen Mittel danach zu differenzieren, ob der Verwalter gar keine oder eine bestrittene Abrechnung gelegt hat.

Im gegenständlichen Fall wurden die Abrechnungen für die Jahre 1993 bis 1996 zwar nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des § 26 Abs 1 Z 5 WEG geprüft, doch hat sich diese (zum Teil bereits rechtskräftig abgeschlossene) Überprüfung, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, nach den rechtlichen Gegebenheiten (§ 17 Abs 1 Z 1 WEG idF der WRN 1999 war noch nicht anzuwenden) auf die Erfüllung der Voraussetzungen einer jeweils formell ordnungsgemäßen Abrechnung beschränkt. Die Richtigkeit der Abrechnungen ist nach wie vor umstritten. Ob die Vorinstanzen gehalten gewesen wären, bei Behandlung des Hauptbegehrens der Klägerin die mit der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnungen zusammenhängenden Vorfragen zu lösen, ist hier nicht mehr zu klären, weil das Hauptbegehren - dem Antrag der Beklagten folgend und daher von ihr nicht mehr aufgreifbar - abgewiesen wurde. Für die Beurteilung des Eventualbegehrens der Klägerin bleibt lediglich zu beachten, dass die inhaltliche Richtigkeit der Jahresabrechnungen 1993 bis 1996 weder anerkannt noch festgestellt ist, weshalb die Leistung der ihr recte vorgeschriebenen Akonto-Zahlungen nicht verweigern darf.

Als weiteren Einwand gegen die rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch die Vorinstanzen bringt die Revisionswerberin nur noch vor, dass zwar rein rechnerisch kein Unterschied zwischen den eingangs erwähnten Aufteilungsschlüsseln (7,69 % von 86,57 % bzw 6,66 % von 100 % der Liegenschaftsanteile) zu machen sei, dass sich daraus jedoch im gemischten Haus wegen des Auseinanderklaffens der Abrechnung nach dem Nutzflächen- bzw Anteilsschlüssel unterschiedliche Auswirkungen ergeben könnten. Auch damit wird jedoch die Pflicht der Beklagten, die ihr vorgeschriebenen Akonto-Zahlungen zu leisten, nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon, dass die Beklagte gar keine konkrete Abweichung der ihr vorgeschriebenen von den ihr bei Anwendung des "richtigen" Aufteilungsschlüssels vorschreibbaren Akonto-Zahlungen behauptet, können sich die in der Revision angesprochenen möglichen Folgen an Ausfällen oder Rückforderungen bei der Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen im Mischhaus erst bei der endgültigen Abrechnung stellen. Eine Unkorrektheit der nach dem Schlüssel des § 19 Abs 1 aF WEG vorgeschriebenen Akonto-Zahlungen, die die Beklagte zur Zahlungsverweigerung berechtigen könnte, ergibt sich daraus nicht.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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