OGH 5Ob325/59

OGH5Ob325/591.7.1959

SZ 32/88

Normen

ABGB §364
ABGB §364

 

Spruch:

Auch eine einmalige Einwirkung mit Dauerfolgen auf dem Nachbargrundstück ist eine Immission nach § 364 ABGB.

Nach § 364 ABGB. steht dem Beeinträchtigten ein Ausgleichsanspruch ohne Rücksicht darauf zu, ob den Eigentümer des Nachbargrundstücks ein Verschulden trifft.

Entscheidung vom 1. Juli 1959, 5 Ob 325/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Zistersdorf; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Das Erstgericht gab der Klage aus dem Gründe des § 364 ABGB. statt und führte hiezu aus:

Im Mai 1958 habe der Beklagte auf seinen Ackern durch die Lagerhausgenossenschaft D. eine Unkrautspritzung durchführen lassen. Schon zwei Tagen hätten sich in einem angrenzenden Weingarten der Klägerin Laubverfärbungen gezeigt. Auf Grund der Mitteilung der Klägerin habe der Beklagte den Schaden besichtigt und die Klägerin aufgefordert, ihn schätzen zu lassen. Die Schätzungskommission, bestehend aus dem von der Versicherungsgesellschaft beauftragten Bürgermeister und zwei weiteren Mitgliedern, habe eine Ertragsminderung an zirka 1000 Weinstöcken festgestellt, die einen Mostausfall von zirka 400 Litern zur Folge hatte. Der Mostpreis habe damals durchschnittlich 5 S pro Liter betragen. Der Ertragsausfall sei durch die Spritzung des angrenzenden Ackers des Beklagten mit einem Giftstoffmittel verursacht worden. Es handle sich hiebei um eine das ortsübliche Maß übersteigende Einwirkung, für die der Beklagte ohne Rücksicht darauf, von wem die Einwirkung ausgegangen und ob ein Verschulden vorgelegen sei, Ersatz leisten müsse.

Zufolge Berufung des Beklagten hob das Berufungsgericht dieses Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Eine Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung des Grundstückes läge nur dann vor, wenn durch die Einwirkung der Weinbau der Klägerin zur Gänze oder wenigstens teilweise unmöglich gemacht würde. Die einmalige Verwendung eines derartigen Präparates sei aber nur von vorübergehender Wirkung. Es werde möglich sein, das Unkrautbekämpfungsmittel auch ohne Schädigung des Weingartens der Klägerin anzuwenden. Dieser gebühre daher kein Ersatz nach § 364 ABGB., sondern allenfalls nach §§ 1293 ff., insbesondere nach § 1315 ABGB., wofür aber die Voraussetzungen zu prüfen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin Folge und hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daß das Übergreifen der Wirkung des Spritzmittels eine vom Grundstück des Beklagten ausgehende physische Einwirkung darstellt steht außer Zweifel. Richtig ist wohl daß eine einmalige Einwirkung oft nicht genügen wird um den Untersagungs- und Ersatzanspruch nach § 364 ABGB. zu begrunden. Es wird verlangt werden müssen, daß die Einwirkung von einer gewissen Dauer ist oder mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehrt (Klang 2. Aufl. II 170). Das bedeutet aber nur, daß eine einmalige Einwirkung, die keine längerwährenden Folgen nach sich zieht und auch keine Wiederholung befürchten läßt, nicht zum Anlaß schikanöser Untersagungs- und Ersatzansprüche genommen werden soll. Anders ist es jedoch hier, wo die Einwirkung des Giftstoffes im Mai 1958 eine Laubverfärbung, dann aber weiterhin einen Traubenausfall und damit letzten Endes eine nicht unbeträchtliche Ertragsminderung nach sich gezogen hat. Darin liegt ohne Zweifel eine Dauerfolge, welche die Einwirkung zu einer solchen nach § 364 ABGB. qualifiziert. In ähnlichem Sinne hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ. VI 405 auch das Auslegen von Gift auf einem Grundstück, wodurch fremde Tiere, aber auch Menschen, gefährdet werden können, als eine nach § 364 Abs. 1 ABGB. verbotene Ausübung des Eigentumsrechtes erklärt.

Ganz abgesehen davon, hat die Klägerin auch keine Gewähr, daß ihr nicht im nächsten Jahr ein gleicher Schaden zugefügt wird. Angesichts der zunehmenden Anwendung derartiger Spritzungen in der Landwirtschaft muß sie im Gegenteil mit einer Wiederholung rechnen, und es ginge wohl nicht an, ihre Ersatzklagen mit der Begründung abzuweisen, daß es sich nur um eine einmalige Einwirkung in dem jeweiligen Jahr handle.

Mag auch mit der Verwendung moderner Spritzmittel eine gewisse Beeinträchtigung der Nachbarkulturen verbunden sein, so geht die Beschädigung von 1000 Weinstöcken jedenfalls über jedes ortsübliche Maß weit hinaus. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, eine wesentliche Beeinträchtigung des ortsüblichen Gebrauches liege nur dann vor, wenn der Weinbau der Klägerin zur Gänze oder wenigstens teilweise unmöglich gemacht werde, nicht aber dann, wenn die Wirkung bloß vorübergehender Natur sei, findet im Gesetz keine Stütze.

Ist aber die gegebene Immission als solche nach § 364 ABG8. aufzufassen, dann steht der Klägerin ein Ausgleichsanspruch ohne Rücksicht darauf zu, ob den Beklagten irgendein Verschulden trifft (Klang a. a. O. S. 173; Lachout in ÖJZ. 1953 S. 589). Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erweist sich demnach als unbegrundet, weshalb dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen war.

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