OGH 5Ob32/14p

OGH5Ob32/14p13.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Huch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. U***** M*****, vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner P***** N*****, vertreten durch Kadlec & Weimann Rechtsanwalts KG in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 20 Abs 2 WEG unter Beteiligung sämtlicher Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 248 GB *****, Liegenschaftsadresse *****, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. August 2013, GZ 40 R 67/13v‑25, womit infolge Rekurses des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 30. Jänner 2013, GZ 17 Msch 14/12w‑14 bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00032.14P.0313.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 445,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 74,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Antragsgegner war bis zum 31. 12. 2012 Verwalter der gegenständlichen Liegenschaft. Die Antragstellerin ist ua zu 130/4591 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft, mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an W 29 auf Stiege II untrennbar verbunden ist.

Am Jahresende 2011 legte der Antragsgegner für das Kalenderjahr 2012 den Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft eine Vorausschau, in der für geplante Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten unter dem Titel „diverse Kleinarbeiten“ ein Pauschalbetrag von 1.000 EUR angeführt ist und sich darüber hinaus unter dem Titel „Ausgaben“ die Worte: „Dach, Stiegenhaus, Garage, Keller, Fassade ???“ finden.

Das gegenständliche Verfahren auf Durchsetzung der Verwalterpflicht nach § 20 Abs 2 WEG (Legung einer Vorausschau) wurde von der Antragstellerin am 5. 4. 2012 eingeleitet. Das Erstgericht trug dem Verwalter mit Sachbeschluss vom 30. 1. 2013 die Vorlage einer Vorausschau für das Jahr 2012 auf.

Dem dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Die Rechtsansicht des Antragsgegners, Arbeiten seien nur dann in die Vorausschau aufzunehmen, wenn für deren Durchführung bereits ein Mehrheitsbeschluss vorliege, sei nicht zu teilen.

Dem Antragsgegner sei zum damaligen Zeitpunkt bereits ein Dachzustandsbericht mit Sanierungsvorschlägen, die Stellungnahme eines Stadtbaumeisters über die Notwendigkeit einer Terrassensanierung sowie ein Anbot einer Aufzugsfirma über notwendige Sanierungsarbeiten vorgelegen. Auch weitere notwendige Erhaltungsarbeiten seien dem Antragsgegner bekannt gewesen. Dennoch habe er es unterlassen, diese Arbeiten in eine dem Gesetz entsprechende Vorausschau aufzunehmen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt, der Revisionsrekurs jedoch zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob einen Verwalter auch noch nach Beendigung des Verwaltungsvertragsverhältnisses eine Verpflichtung zur Legung einer Vorausschau treffe.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags.

Die Antragstellerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Antragsgegner der ihn zufolge § 20 Abs 2 WEG treffenden Verpflichtung für das Jahr 2012 nicht nachgekommen ist. Es wird nur noch releviert, dass dem Antragsgegner nach Ablauf seiner Verwaltungstätigkeit ‑ der erstinstanzliche Sachbeschluss sei bereits nach diesem Zeitpunkt ergangen ‑ kein entsprechender Auftrag zur Legung einer Vorausschau mehr erteilt werden könne. Eine Vorausschau für die Vergangenheit sei überdies sinnlos und werde von der Rechtsprechung auch abgelehnt (5 Ob 311/99t).

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

1. Durch § 20 Abs 2 WEG 2002 ist der Inhalt der gebotenen „Vorausschau“ gegenüber der Rechtslage nach § 17 Abs 1 Z 2 WEG 1975 verändert worden. Nach dem Gesetzeswortlaut geht es nämlich nicht mehr nur um in der folgenden Abrechnungsperiode notwendige Erhaltungsarbeiten, sondern um „die in absehbarer Zeit notwendigen, über die laufende Instandhaltung hinausgehenden Erhaltungsarbeiten und die in Aussicht genommenen Verbesserungsarbeiten ...“.

Deshalb hat der erkennende Senat die zur alten Rechtslage vertretene Auffassung, dass einem Wohnungseigentümer nach Ablauf des Abrechnungsjahres das Rechtsschutzinteresse an einer Vorausschau für die Vergangenheit fehlt (5 Ob 311/99t wobl 2000/62 [ Call ]), für Sachverhalte, die nach der neuen Rechtslage zu beurteilen sind, nicht aufrechterhalten. Die Nachholung einer „Vorausschau“ ist demnach „nicht länger sinnlos“ (5 Ob 98/07h wobl 2007/121 [ Call ]; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi Miet‑ und WohnR 21 § 20 WEG Rz 12; Prader , Die Verwaltung nach dem WEG 2002, immolex 2002, 202).

2. Ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Verwaltungsvertragsverhältnisses hat sich der Verwalter jeglicher Vertretungshandlungen zu enthalten (5 Ob 228/09d wobl 2010/157). Bei Verwalterwechsel hat der Verwalter jeweils für die Dauer seines Verwaltungszeitraums Rechnung zu legen (5 Ob 46/06k MietSlg 58.451; 5 Ob 212/07y wobl 2008/61; 5 Ob 124/11p wobl 2012/89).

Aus dem Recht der Geschäftsbesorgung (Bevollmächtigungsvertrag gemäß §§ 1002 ff ABGB) folgt, dass durch die Auflösung des Verwaltervertrags nicht alle Rechtsbeziehungen zwischen Verwalter und Wohnungseigentümern beendet sind, sondern nach dem Wesen des Verwaltungsvertrags als Dauerschuldverhältnis gegenseitige Rechte und Pflichten weiter bestehen (vgl 5 Ob 277/06f wobl 2007/101, [ Call ] 5 Ob 149/10t wobl 2011/161: Ausfolgung von Urkunden und Originalbelegen; 5 Ob 93/98g wobl 1998/226: Rücklagenabrechnung).

Auch für Verpflichtungen iSd § 20 Abs 2 bis 7 WEG, die schon im Zeitpunkt der Beendigung der Verwaltung bestanden haben, nicht erfüllt wurden und sich wie hier aus einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ergeben, gilt, dass sie von den Wohnungseigentümern noch eingefordert werden können.

Soweit der Antragsgegner einwendet, die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Legung einer zum 31. 12. 2011 fälligen Vorausschau des Jahres 2012 sei in Anbetracht dessen sinnlos, dass der neue Verwalter ohnedies eine Vorausschau zu legen gehabt habe, ist ihm Folgendes zu entgegnen: Im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 30. 1. 2013 bestand noch keine derartige Verpflichtung des mit 1. 1. 2013 bestellten neuen Verwalters, weil sie erst mit Ablauf des Jahres 2013 (für 2014) fällig wurde. Dass er selbst zum Ende seines letzten Verwaltungsjahres 2012 eine ihm noch obliegende Vorausschau des Jahres 2013 erstellt hätte, die die notwendigen Informationen enthielt, behauptet der Antragsgegner nicht.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen dem Antragsgegner die Erfüllung der offen gebliebenen Verpflichtung, für das Jahr 2012 eine dem Gesetz entsprechende Vorausschau iSd § 20 Abs 2 WEG zu legen, aufgetragen.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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