Spruch:
Der Unterhaltsanspruch des außerehelichen Kindes erlischt jedenfalls dann, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse ihm die Ausübung seines erlernten Berufes ermöglichen.
Entscheidung vom 22. Jänner 1969, 5 Ob 320/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Beklagte anerkannte am 17. August 1946 vor der Amtsvormundschaft des am 28. Juli 1946 außer der Ehe geborenen Klägers seine Vaterschaft und verpflichtete sich zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages für das Kind. Dieser Unterhaltsbeitrag wurde zuletzt mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. Juni 1956 mit 115 S monatlich festgesetzt. Nachdem der Kläger bereits seine Eigenberechtigung erlangt hatte, beantragte der Beklagte beim Vormundschaftsgericht seine Befreiung von der Unterhaltspflicht für den Kläger. Das Bezirksgericht Ferlach gab mit dem in der Folge unangefochten gebliebenen Beschluß vom 4. Dezember 1967 diesem Antrag mit Wirkung vom 1. November 1967 statt, weil der Kläger inzwischen erfolgreich die Lehrerbildungsanstalt absolviert habe, den Lehrerberuf ausüben könne und damit selbsterhaltungsfähig geworden sei.
Am 29. Dezember 1967 erhob der Kläger die vorliegende Klage, mit der er die Verurteilung des Beklagten als seines außerehelichen Vaters zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrages von 500 S monatlich ab 1. Jänner 1968 anstrebt. Dieses Begehren wird auf die Behauptung gestützt, daß der Kläger zwar nach Abschluß des Mittelschulstudiums den Präsenzdienst abgeleistet habe, daß er aber nunmehr seit Herbst 1967 an einer Hochschule in Wien inskribiert sei und daher der Unterhaltsleistungen seines Vaters bis zum Abschluß des Hochschulstudiums, für welches er eine besondere Begabung habe, bedürfe. Der Beklagte sei auch imstande, den geforderten Unterhalt zu leisten.
Der Beklagte bestritt seine Unterhaltspflicht dem Gründe nach, weil der Kläger nach Abschluß seiner Berufsausbildung bereits in der Zeit vom 28. März 1967 bis 10. August 1967 den Beruf eines Volksschullehrers ausgeübt und damit die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt habe. Der Kläger könne nicht verlangen, daß der Beklagte sein Hochschulstudium und seine Ausbildung für einen anderen Beruf finanziere, da er nur ein durchschnittlicher Schüler gewesen sei. Überdies verdiene der Beklagte als Kraftfahrer nur monatlich 3399 S, von welchem Einkommen er für seine nicht berufstätige Gattin und seinen 17jährigen ehelichen Sohn, der das Gymnasium besuche, zu sorgen habe.
Die Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab. Sie nahmen folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Kläger legte im Sommer 1966 die Reifeprüfung an der Bundeslehrerbildungsanstalt in K. mit einer Durchschnittsnote von
2.28 ab. In den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Slowenisch, Geschichte und Musik hatte der Kläger die Note "sehr gut". Nach Ableistung des Präsenzdienstes wurde der Kläger vom Amt der Kärntner Landesregierung als Lehrer angestellt, machte vom 1. April 1967 bis 31. August 1967 Dienst und bezog ein Nettogehalt von rund 2200 S monatlich. Dann gab der Kläger seinen Lehrberuf auf und inskribierte an der Wiener Universität Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte. Er legte eine Proseminarprüfung und drei Kolloquien mit sehr gutem bzw. gutem Erfolg ab. Er will das Doktorat erreichen und Dramaturg werden. Der Beklagte ist Kraftfahrer und verdient monatlich netto ca. 3300 S (14 mal jährlich). Er hat für seine einkommens- und vermögenslose Gattin und seinen 17jährigen Sohn zu sorgen, der die
5. Klasse des Gymnasiums in Klagenfurt besucht.
Während das Erstgericht eine besondere Begabung des Klägers für die von ihm nach erlangter Selbsterhaltungsfähigkeit zusätzlich angestrebte Berufsausbildung verneinte und deshalb die Voraussetzungen für seinen Anspruch auf Gestattung dieser gegen den Willen seines Vaters getroffenen Berufswahl als nicht gegeben ansah, war das Berufungsgericht der Auffassung, daß es zweifelhaft erscheine, ob dem Kläger, der bereits durch seine Ausbildung zum Volksschullehrer eine gesicherte Lebensstellung haben könnte, in dem von ihm nun angestrebten Beruf als Dramaturg ein besseres Fortkommen garantiert sei. Das vom Kläger gewählte Studium der Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte könne auch nicht als Fortsetzung seiner bisher genossenen Ausbildung angesehen werden, wie dies etwa das Studium für das Lehramt an Mittelschulen wäre. Unter diesen Umständen sei aber der Beklagte, der dem Kläger bereits eine Ausbildung ermöglicht habe, die ihn auf eine wesentlich höhere Bildungsstufe als jene des Beklagten stelle, nicht verpflichtet, die Kosten des eher der Neigung des Klägers entsprechenden weiteren Studiums zu tragen. Es komme daher weder darauf an, ob der Kläger eine besondere Begabung für sein gegenwärtiges Studium besitze, noch, daß die Leistungsfähigkeit des Beklagten zur Zahlung des begehrten Unterhaltsbeitrages nicht mit Bestimmtheit verneint werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist zulässig, weil die Anfechtung die Entscheidung über den Grund des geltend gemachten Unterhaltsanspruches betrifft (vgl. JB. 60 = SZ. XXVII 177), sie ist aber nicht begrundet.
Der Auffassung des Revisionswerbers, daß seine Selbsterhaltungsfähigkeit deshalb noch nicht eingetreten sei, weil er bereits während seines Mittelschulstudiums die Absicht gehabt habe, Theaterwissenschaften zu studieren und Dramaturg zu werden, sodaß die Ablegung der Reifeprüfung an der Lehrerbildungsanstalt seine Ausbildung im gewählten Berufszweig nicht abgeschlossen habe, kann nicht beigetreten werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger schon zu einem früheren Zeitpunkt den Entschluß faßte, den Beruf eines Dramaturgen zu ergreifen, jedenfalls vermittelte ihm der Besuch der Lehrerbildungsanstalt und die erfolgreiche Ablegung der Reifeprüfung an dieser Anstalt eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Volksschullehrer, und er übte diese Tätigkeit nach seiner Anstellung durch die Kärntner Landesregierung auch tatsächlich durch einige Monate aus. Es besteht nun kein Zweifel, daß ein angestellter Volksschullehrer selbsterhaltungsfähig ist, wobei es keineswegs darauf ankommt, ob dieser Beruf seinen Neigungen entspricht und ob er von vornherein die Absicht hatte, einen anderen Beruf zu ergreifen.
Die Revision bekämpft aber auch zu Unrecht die Meinung des Berufungsgerichtes, daß das Studium der Theaterwissenschaften mit dem Ziel, Dramaturg zu werden, dem Kläger ein besseres Fortkommen nicht gewährleiste. Vom Studium der Kunstgeschichte als Grundlage einer späteren Berufsausübung ist in der Revision nicht mehr die Rede. Der Erfolg in einem künstlerischen Beruf hängt aber von Umständen ab, die keineswegs ausschließlich durch Begabung, Fleiß und Interesse bestimmt sind. Selbst wenn der Kläger über eine besondere Begabung in der angegebenen Richtung verfügte, so ist damit doch noch nicht sichergestellt, daß er nach Abschluß seiner Ausbildung ein seinen Fähigkeiten entsprechendes Betätigungsfeld in einem Anstellungsverhältnis oder als freischaffender Künstler mit angemessenen Einkünften findet und daß er, wenn dies der Fall sein sollte, sich in diesem Beruf durchzusetzen versteht. Nur unter diesen durchaus nicht von vornherein zu beurteilenden Voraussetzungen könnte aber gesagt werden, daß den Kläger später ein besseres Fortkommen als bei Fortsetzung seiner Lehrerlaufbahn erwartet. Da die Revision nicht in Abrede stellt, daß nach Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers nur die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens in dem von ihm jetzt angestrebten anderen Beruf seinen Anspruch auf weitere Unterhaltsleistung des Beklagten zu begrunden imstande wäre, welche Auffassung auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht (vgl. ZBl. 1935 Nr. 338, 3 Ob 309/54 und JBl. 1966 S. 85), erweist sich die Entscheidung der Untergerichte als zutreffend, ohne daß es einer Prüfung der Frage bedürfte, ob der Kläger dadurch, daß er, wie unbestritten ist, freiwillig seinen Lehrerberuf aufgab, seine Selbsterhaltungsfähigkeit verlor, mit deren Eintritt die Unterhaltspflicht des außerehelichen Vaters gemäß § 166 ABGB. jedenfalls dann erlischt, wenn, wie im vorliegenden Fall, die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Kind die Ausübung seines erlernten Berufes ermöglichen (vgl. SZ. X 288).
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