OGH 5Ob28/75

OGH5Ob28/7518.3.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Grundbuchssache der antragstellenden Partei J* K* sen., Gastwirt und Bäckermeister i.R., *, vertreten durch Dr. Othmar Reiterlehner, öffentlicher Notar in Graz, infolge Revisionsrekurses der antragstellenden Partei J* K* sen. gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 11. Dezember 1974, GZ. 1 R 321/74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Oktober 1974, TZ. 14.201/74, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00028.75.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahingehend abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß auch hinsichtlich der im Punkt b) 2) bewilligten Einverleibung der Reallast der Versorgungsrente im Sinne der Bestimmungen des Punktes VI. des notariellen Übergabs- und Versorgungsvertrages vom 12. Februar 1974 zugunsten des J* K*, geboren 1905, und der H* K* wieder hergestellt wird.

 

Begründung:

Mit dem in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen „Übergabs- und Versorgungsvertrag“ vom 12. Februar 1974 übergab J* K* der Ältere seinem Sohn J* K* dem Jüngeren die Liegenschaft EZ *, KG *, samt den auf dieser Liegenschaft auf Grund der mit 31. Dezember 1973 zurückgelegten Gewerbeberechtigungen für das Bäckerhandwerk, den Viktualienhandel und ein Gasthaus betriebenen Unternehmen mit Ausnahme des Grundstückes Nr. * Acker mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1974. Der Übernehmer hat mit 1. Jänner 1974 für denselben Standort gleichartige Gewerbe angemeldet, wobei der Gasthausbetrieb in Form eines Espressos geführt wird. Da der Übergeber durch die Übergabe seine bisherige Erwerbsquelle verlor und die zu erwartende Pension nach Ansicht der Vertragsteile zur Deckung des standesgemäßen Unterhaltes des Übergebers voraussichtlich nicht ausreichen wird, erklärte sich der Übernehmer bereit, die künftige Versorgung seiner Eltern „in der Form einer Leibrentenverpflichtung sicherzustellen“. Er verpflichtete sich daher im Punkt VI. des Übergabs- und Versorgungsvertrages für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der übergebenen Objekte, zur Sicherstellung der künftigen Versorgung der Eltern, beginnend mit Jänner 1974, an den Übergeber eine monatliche Leibrente im Betrag von 4.000 S und, sollte die Gattin des Übergebers, H* K*, diesen überleben, bis zu deren Ableben eine monatliche Versorgungsrente von 2.000 S zu bezahlen. Diese „Versorgungsrentenbeträge“ wurden laut der ebenfalls im Punkt VI. vereinbarten Wertsicherungsklausel auf der Grundlage des vom österreichischen Statistischen Zentralamt in Wien verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1966 wertgesichert.

Das Erstgericht bewilligte über Antrag des Übergebers unter Punkt a) die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr. * Acker von der EZ. *, KG. *, im Range der Anmerkung BOZ. 15 unter Mitübertragung des Eigentumsrechtes des Übergebers und Eröffnung der neuen Einlagezahl *, KG. *, sowie unter b) in EZ. *, KG. *, mit dem restlichen Gutsbestand die Einverleibung 1) im Range der Anmerkung BOZ. 15 des Eigentumsrechtes für J* K*, geboren 1934, und 2) der Dienstbarkeit der Wohnung sowie der Reallast der Versorgungsrente im Sinne der Bestimmungen des Punktes VI. des notariellen Übergabs-und Versorgungsvertrages vom 12. Februar 1974 zugunsten des J* K*, geboren 1905, und der H* K*.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Übernehmers diesen Beschluß in seinem Punkt b) 2) dahingehend ab, daß es den Antrag auf Einverleibung „der Reallast der lebenslänglichen Versorgungsrente für J* K* sen. und H* K*“ abwies. Es führte aus, die Frage, ob eine Leibrentenforderung als Reallast oder als Pfandrecht sicherzustellen sei, habe in der Rechtsprechung bisher keine einheitliche Lösung gefunden. Einigkeit herrsche lediglich darüber, daß nur solche Reallasten begründet werden könnten, die entweder ihren Rechtsgrund in Bestimmungen des öffentlichen Rechtes hätten oder aber seit jeher im Bereiche des Privatrechtes als wirksam und rechtsbeständig anerkannt worden seien. Die Gesetzgebung anerkenne zwar Reallasten, enthalte aber keine Begriffsbestimmung und regle die Einrichtung selbst nur in unzulänglicher Weise. Nach der in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung entwickelten Begriffsbestimmung handle es sich bei der Reallast um die Belastung von Grundstücken mit der Haftung für Leistungen des jeweiligen Eigentümers, wobei die Leistungen aus dem wirtschaftlichen Ertrag des Gutes zu erbringen seien. Lehre und Rechtsprechung seien sich darin einig, daß zufolge der historischen Ableitung der Reallast aus den mit dem Untertänigkeitsverband verbundenen Grundlasten das Gebiet der Reallasten erheblich eingeschränkt werde. Auf dem Gebiet des Privatrechtes seien seit jeher Ausgedingsleistungen als Reallasten anerkannt, weil sie aus dem wirtschaftlichen Ertrag des Gutes zu leisten seien. Hinsichtlich der Sicherstellung einer lebenslänglichen Leibrentenforderung gingen hingegen die Rechtsmeinungen auseinander. Mehrfach werde der Rechtsstandpunkt eingenommen, als Reallast könne nur eine laufende aus dem Ertrag der zu belastenden Liegenschaft zu erbringende Leistung verbüchert werden, deren die Vertragsart bestimmendes Wesen aus dem Rechtsinstitut der seinerzeitigen Grunduntertänigkeit hervorgegangen sein müsse. Teilweise werde sogar ein urkundlicher Nachweis darüber verlangt, daß die Leibrente, auch wenn sie Versorgungscharakter habe, aus den Erträgnissen der zu belastenden Liegenschaft zu erbringen sei, damit das Bestehen des wirtschaftlichen Zusammenhanges klargestellt sei. Nach der gegenteiligen Ansicht müßten jedoch die Versorgungsleistungen, in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ertrag oder in einem bestimmten Verhältnis zum Ertrag der zu belastenden Liegenschaft stehen, sondern es müsse nur darauf geachtet werden, daß die Bestellung einer Reallast nicht als Mittel verwendet werde, die grundbücherlich für das Pfandrecht gezogenen Schranken zu umgehen. Dies sei dann nicht der Fall, wenn die zu erbringenden Leistungen der Sicherung des Unterhaltes auf Lebenszeit dienten.

Der Ansicht, wonach es nicht zum Wesen der Reallast gehöre, daß die Leistungen aus dem Ertrag des Übergabsobjektes zu erbringen seien, könne nicht gefolgt werden, weil bei der Reallast die Person des Leistungspflichtigen ausschließlich durch das Eigentum am Grundstück bestimmt werde. Der jeweilige Eigentümer sei zur Leistung verpflichtet. Beim Pfandrecht hingegen werde die Person des Leistungspflichtigen nicht nur durch das Eigentum am Grundstück, sondern durch das zugrunde liegende Rechtsverhältnis bestimmt. Während bei der Hypothek die persönliche Haftung unberührt vom Schicksal des Grundstückes auf die Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger übergehe, werde sie bei der Reallast mit jedem Eigentumswechsel auf den Nachfolger im Eigentum des Grundstückes übertragen. Daraus ergebe sich, daß nicht nur der wirtschaftliche Zusammenhang, also der Umstand, daß die Leibrente aus den Erträgnissen des Übergabsobjektes zu leisten sei, der Vertragsurkunde klar zu entnehmen sein müsse, sondern auch der weitere Umstand, daß eine weiterhin aufrecht bleibende persönliche Haftung des Übernehmers nicht gegeben sei. Beides könne dem vorliegenden Notariatsakt nicht entnommen werden. Für die grundbücherliche Sicherstellung der Versorgungsrente komme daher nur die Einverleibung eines Pfandrechtes in Frage. Hiefür spreche nicht nur die Fassung des § 129 GV., sondern auch die Erwägung, daß mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 18 GBG. jedermann das Minimum des Geldbetrages, für welchen das Pfandrecht hafte, aber auch das Maximum annähernd entnehmen könne. Der Versorgungscharakter allein sei also nicht für die Verbücherung von Versorgungsrenten als Reallast entscheidend. Ausschlaggebend sei vielmehr, daß sie mit den wirtschaftlichen Erträgnissen des Übergabsobjektes in untrennbarem Zusammenhang stehe. Dies könne den dem Eintragungsgesuch zugrunde liegenden Urkunden nicht entnommen werden. Die Verbücherung der lebenslänglichen Versorgungsrente für J* K* sen. und H* K* als Reallast sei daher nicht möglich.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Übergebers mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und dem Antrag des Übergebers vom 7. Oktober 1974 stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gerechtfertigt.

Dem Revisionswerber kann allerdings nicht darin gefolgt werden, daß das Grundbuchsgericht nur zu prüfen habe, ob die für die Urkunde geltenden Formvorschriften eingehalten wurden und der begehrten Eintragung kein Hindernis im Grundbuch entgegensteht. Es ist vielmehr Aufgabe des Grundbuchsgerichtes, gemäß § 94 Abs. 1 GBG. auch zu prüfen, ob der Urkundeninhalt ein derartiger ist, daß er nicht nur in formeller Beziehung unbedenklich scheint, sondern auch bezüglich der materiell‑rechtlichen Frage irgendwelche Zweifel nicht aufkommen läßt (5 Ob 29/74). Es ist daher bei dieser Prüfung darauf Bedacht zu nehmen, daß die Bestellung einer Reallast nicht als Mittel verwendet wird, um die grundbücherlich für das Pfandrecht gezogenen Schranken (§ 14 GBG.) durch die weniger formstrengen des § 12 GBG. zu umgehen (vgl. SZ 43/13 = JBl 1971, S. 203).

Mit Recht wendet sich jedoch der Revisionsrekurswerber gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, daß bei der Reallast die zu erbringende Leistung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ertrag der Liegenschaft stehen müsse.

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 43/13 ausgeführt hat, ist die Reallast die Belastung eines Grundstückes mit der Haftung für Leistungen des jeweiligen Eigentümers. Zu ihrem Wesen gehört nicht unbedingt, daß die wiederkehrenden Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ertrag oder darüber hinaus in einem bestimmten Verhältnis zum Ertrag der haftenden Liegenschaft stehen.

Dem dem Grundbuchsansuchen zugrundeliegenden Übergabs- und Versorgungsvertrag läßt sich nicht entnehmen, daß die zu erbringende Leistung überhaupt in keinem Zusammenhang mit der Liegenschaft und deren Nutzung mehr stehe. Verpflichtete sich doch der Übernehmer, welcher das vom Übergeber auf der Liegenschaft betriebene Unternehmen, wenn auch auf Grund eigener Gewerbeberechtigung und teilweise in etwas geänderter Form weiterführt, für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der Übergabsobjekte zur Bezahlung der Leibrente zwecks Sicherstellung der künftigen Versorgung seiner Eltern.

Wenn das Rekursgericht dem Umstand, daß sich die Reallasten historisch aus den mit dem Untertänigkeitsverband verbundenen Grundlasten ableiten, besondere Bedeutung beimisst, ist darauf zu verweisen, daß, wie der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen 6 Ob 232/66, veröffentlicht in RZ 1967, S. 90, und 8 Ob 202/74 ausgeführt hat, Rechtsprechung und Lehre die vertragliche Begründung und Verbücherung von Unterhalts-und Versorgungsleistungen als Reallast gebilligt haben (vgl. die in diesen Entscheidungen zitierte Rechtsprechung SZ 32/158, SZ 43/13, und Literatur, Ehrenzweig, System2, I/2, S. 360, sowie Gschnitzer, Lehrbuch, Sachenrecht, S. 160; vgl. ferner Haider, Die Leibrente als Reallast, NotZ 1959, S. 38 ff.).

Wie bereits oben bei der Behandlung der Prüfungspflicht des Grundbuchsgerichtes ausgeführt, ist nur darauf Bedacht zu nehmen, daß die Bestellung der Reallast nicht bloß als Mittel verwendet wird, die grundbücherlich für das Pfandrecht gezogenen Schranken zu umgehen. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil es sich um zur Sicherung des standesgemäßen Unterhaltes des Übergebers der Liegenschaft und dessen Gattin auf deren Lebenszeit zu erbringende Leistungen handelt. Dem Übergeber diente die Liegenschaft bisher zur Bestreitung der Kosten seines und seiner Gattin Unterhalt.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der angefochtene Beschluß dahingehend abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes auch hinsichtlich der Einverleibung der Reallast der Versorgungsrente zugunsten des J* K*, geboren 1905, und der H* K* wiederhergestellt wird.

 

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