OGH 5Ob285/61

OGH5Ob285/616.9.1961

SZ 34/118

Normen

ABGB §862a
ABGB §1346 Abs2
ABGB §862a
ABGB §1346 Abs2

 

Spruch:

Im Sinne des § 862a ABGB. genügt regelmäßig die innerhalb der Annahmefrist telephonisch abgegebene, vom Unternehmer oder seinem Angestellten entgegengenommene Annahmeerklärung.

Die Schriftform ist für die Verpflichtungserklärung des Bürgen, nicht aber für deren Annahme durch den Gläubiger erforderlich.

Entscheidung vom 6. September 1961, 5 Ob 285/61.

I. Instanz: Kreisgericht Krems; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht gab der auf Zahlung des Klagebetrages gerichteten Klage mit folgender Begründung statt:

Die klagende Partei habe der Firma P.-Werk, der die Gattin des Beklagten als Kommanditistin angehörte, verschiedene Spritzgutmassen geliefert. Sie habe zunächst eine Bankgarantie verlangt, sei aber dann mit dem Beklagten übereingekommen, daß dieser für die Verbindlichkeiten der Firma P.-Werk gegenüber der klagenden Partei bis zu einem Betrag von 1.200.000 S die Bürgschaft übernehmen werde. Zufolge dieses grundsätzlichen Übereinkommens habe die klagende Partei durch den Notar Dr. Walter Z. eine Bürgschaftserklärung entwerfen lassen und diesen Entwurf dem Beklagten übersandt. Dieser habe im Sinne des Entwurfes an die klagende Partei ein bei dieser am 4. April 1957 eingelangtes, verbindliches Anbot gerichtet, daß er für alle entstandenen und in Hinkunft noch entstehenden Verbindlichkeiten der Firma P.-Werk aus Warenlieferungen der klagenden Partei sowie für alle im Zusammenhang damit stehenden Nebenkosten die Bürgschaft bis zu einer Höhe von 1.200.000 S übernehme; mit diesem Anbot bleibe der Beklagte der klagenden Partei bis 8. April 1957 im Wort.

Die klagende Partei habe dieses Anbot am 8. April 1957 um 9 Uhr 35 telegraphisch angenommen und die Annahme mit einem am folgenden Tag aufgegebenen Brief wiederholt. Das Telegramm sei am 8. April 1957 vom Postamt H. um 10 Uhr 36 der Fernsprechstelle L. 5, deren Inhaber der Beklagte ist, zugesprochen worden. Das Anbot sei daher rechtzeitig angenommen, die Bürgschaftserklärung demnach verbindlich geworden. Es bedürfe keiner besonderen Bevollmächtigung der Angestellten zur Annahme von Telegrammen; auch sei nicht hervorgekommen, daß einer der Angestellten des Beklagten zur Annahme von Telegrammen nicht befugt gewesen sei.

Da die Firma P.-Werk zahlungsunfähig geworden sei und keine Zahlungen geleistet habe, sei der Beklagte zur Zahlung der der Höhe nach unbestrittenen Klagssumme zu verurteilen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Frei von Rechtsirrtum ist die Ansicht der Untergerichte, daß ein Anbot als angenommen gilt, wenn die Annahmeerklärung beim Antragsteller eingelangt ist (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 134), wenn sie also in eine Situation gebracht wurde, nach der die Kenntnisnahme durch den Adressaten unter normalen Umständen erwartet werden kann (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 69; in ähnlichem Sinne EvBl. 1961 Nr. 201). Dies gilt nicht nur, wie der Revisionswerber meint, für schriftliche Annahmeerklärungen. Auch bei mündlichen genügt das Ausrichten an einen Hausgenossen, vorausgesetzt, daß dieser die erforderlichen geistigen Fähigkeiten besitzt, um die Mitteilung zu verstehen und weiterzugeben. Auf ein Vollmachtsverhältnis kommt es dabei nicht an. Auch telephonische Erklärungen sind regelmäßig gegen den Unternehmer wirksam, wenn sie am Telefon von irgendeinem Angestellten des Betriebes entgegengenommen werden, gleichgültig, ob dieser die Botschaft dem Chef bestellt oder nicht (Gschnitzer a. a. O.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie diesmal, der Beklagte selbst die telephonische Durchsage aller für ihn einlangenden Telegramme verlangt hat. In diesem Fall war es Sache des Beklagten, für die Entgegennahme solcher telephonischer Durchsagen durch geeignete und zuverlässige Angestellte oder Hausgenossen vorzusorgen.

Da feststeht, daß das Telegramm dem Beklagten oder einem seiner Angestellten oder Hausgenossen am 8. April 1957, also innerhalb der Annahmefrist, durchgesagt wurde, ist der Bürgschaftsvertrag rechtsgültig zustandegekommen. Die Schriftform (§ 1346 Abs. 2 ABGB.) war nur für die Verpflichtungserklärung des Beklagten, nicht aber für die Annahme durch die klagende Partei erforderlich (vgl. Ohmeyer - Klang 2. Aufl. VI 205).

Abschließend sei noch darauf verwiesen, daß sich der Beklagte der Parteienaussage entzogen hat, obwohl gerade er nähere Einzelheiten über das Telefongespräch hätte aussagen können.

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