OGH 5Ob272/03s

OGH5Ob272/03s25.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Baumann sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Linda Beatrice M*****, geboren am 4. August 2000, derzeit wohnhaft bei den Eltern Stefan M***** und Barbara M*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der väterlichen Großeltern Christian M***** und Doris M*****, beide vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 26. September 2003, GZ 54 R 75/03f-25, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur Vorgeschichte wird auf 5 Ob 187/03s verwiesen.

Der Beschluss des Erstgerichtes zielte darauf ab, auf Ersuchen der Eltern diesen ihr - damals noch nicht dreijähriges - Kind wieder zuzuführen und die Großeltern, in deren Pflege es sich befand, zur Herausgabe zu verhalten. Es mag sein, dass die Großeltern die Begründung des Beschlusses als irreführend und die Begleitumstände als merkwürdig empfinden konnten. Inhaltlich ist der Beschluss aber durch § 146b iVm §§ 137a, 144 ABGB gedeckt. Danach waren die beiden gemeinsam obsorgeberechtigten Eltern berechtigt, den Aufenthalt ihres Kindes zu bestimmen, es von Dritten, denen Eingriffe in die absoluten elterlichen Rechte grundsätzlich verwehrt sind, zurückzuholen und hiezu einen Gerichtsbeschluss zu erwirken; dies gilt auch für den Fall der Weigerung von Pflegepersonen, das Kind trotz Beendigung des Pflegeverhältnisses herauszugeben (vgl Schwimann in Schwimann, ABGB2 § 146b Rz 5 f; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 146b Rz 2 f).

Wie schon in 5 Ob 187/03s ausgeführt, wurde zwischen der damals allein obsorgeberechtigten Mutter und den väterlichen Großeltern als Pflegeeltern zumindest konkludent ein Pflegeverhältnis im Sinne des § 186 Abs 1 ABGB idF vor dem KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 begründet (§ 186 ABGB in der nunmehrigen seit 1. 7. 2001 geltenden Fassung sagt über das Pflegeverhältnis und dessen Rechtsgrundlage nichts mehr aus; vgl Hopf/Weitzenböck, Schwerpunkte des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, ÖJZ 2001, 537 f; Schwarzl in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrechtes 22).

Was die Beendigung des Pflegeverhältnisses anlangt, wurde von Pichler in Rummel, ABGB2 § 186 Rz 1 zwischen einem Vertrag allein der Erziehungsberechtigten mit einem Dritten und einem namens des Kindes durch die gesetzlichen Vertreter geschlossenen Vertrag unterschieden; beim erstgenannten Vertrag könnten die Obsorgeberechtigten das Kind jederzeit als Ausfluss ihrer uneingeschränkten Rechte nach § 144 ABGB zurückfordern, beim zweitgenannten Vertrag sei das Rückforderungsrecht eingeschränkt. Dem ist die Rechtsprechung gefolgt, die in letzterem Fall ein Übereinkommen der Parteien oder eine gerichtliche Entscheidung fordert (7 Ob 657/90 = SZ 63/165 = JBl 1991, 515 = EvBl 1991/59; 4 Ob 531/91 = EFSlg 66.155; vgl auch 6 Ob 170/97m; 4 Ob 17/03h). Die jüngere Lehre lehnt diese Konstruktion zu Gunsten eines uneingeschränkten Rückforderungsrechtes ab (Stabentheiner aaO § 186 Rz 1, 6; Schwimann aaO § 186 Rz 4, 6; Graf, Zwei Fragen der Pflege und Erziehung von Kindern durch Dritte, in Harrer/Zitta, Familie und Recht 764; Klein, Das Pflegeverhältnis und die rechtliche Stellung von Pflegeeltern [§§ 186 und 186a ABGB], ÖA 1992, 136). Es erübrigt sich aber im vorliegenden Fall auf diese Streitfrage (von sonst durchaus erheblicher Bedeutung) näher einzugehen, weil nichts darauf hindeutet, die Mutter hätte den Pflegevertrag im fremden Namen abgeschlossen; im Zweifel ist ein Eigengeschäft anzunehmen. Damit konnte die Rückgabe des Kindes aber - selbst nach Pichler - jederzeit verlangt werden.

Was die Entscheidung 4 Ob 17/03h anlangt, so genügt der Hinweis, dass dort der Verbleib des Kindes bei der Pflegefamilie gerichtlich verfügt worden war und ein Antrag der Mutter auf Aufhebung dieser Verfügung abgewiesen wurde. Dem gegenüber wurde im vorliegenden Fall das Pflegeverhältnis ohne behördliche Beteiligung begründet und aufrechterhalten, weshalb nicht einsichtig ist, warum die Aufhebung des Pflegeverhältnisses von einer gerichtlichen Bewilligung abhängig sein sollte.

Eine andere Beurteilung des Einzelfalles ist auch nicht wegen einer Gefährdung des Kindeswohles geboten: Die Bedenken der Großeltern beruhen im Wesentlichen darauf, dass die Mutter berufstätig und der Vater Student ist, während sie selbst mehr Zeit für die Betreuung des Kindes hätten. Eine Gefährdung des Kindeswohles durch den Aufenthalt des Kindes bei den Eltern ergibt sich hieraus für sich allein aber keineswegs, weshalb die Vorinstanzen keinen Anlass zu weiteren Erhebungen hatten. Solche Verhältnisse sind in der modernen Gesellschaft nicht selten, ohne dass deshalb ein zwangsweiser Eingriff in die Elternrechte, wie ihn die Großeltern zu ihren Gunsten anstreben, erforderlich erschiene. Ein derartiger Eingriff wäre eben nur bei Gefährdung des Kindeswohles zulässig; dass es das Kind "anderswo besser hätte", genügt nicht (Stabentheiner aaO § 137a Rz 10 mwN). Nicht einmal aus den Rechtsmittelausführungen lässt sich ableiten, dass nunmehr "dieses Pflänzlein verkümmern und verdorren muss". Wenn das Rekursgericht also zum Ergebnis gelangt ist, es bestehe kein Hinweis, dass die Interessen der Minderjährigen bei ihren leiblichen Eltern gefährdet würden, so stellt dies jedenfalls keine auffallende Fehlbeurteilung dar, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste.

Schließlich fehlt auch keine Rechtsprechung zu § 182b AußStrG, weil hiezu im Wesentlichen die Judikatur zur Vorgängerbestimmung des § 178b ABGB weiter anwendbar ist (7 Ob 95/02z = RIS-Justiz RS0116685). Eine Verpflichtung zur Beiziehung eines Sachverständigen bei der Anhörung des Kindes ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht. Die Erstrichterin war durchaus berechtigt, sich selbst einen persönlichen Eindruck vom Kind zu verschaffen. Ob von diesem im Hinblick auf sein Alter von unter drei Jahren überhaupt eine überlegte Äußerung zum Verfahrensgegenstand zu erwarten war, kann auf sich beruhen.

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht bedurfte, war der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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