OGH 5Ob26/93

OGH5Ob26/9316.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Maria S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Erlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Franz N*****, Konsulent, und 2.) Hermine N*****, Angestellte, beide *****, beide vertreten durch Dr.Peter Schlösser, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 1 und 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 26.Jänner 1993, GZ 48 R 830/92-10, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.August 1992, GZ 41 Msch 13/91-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrt - nach vorausgehendem Verfahren vor der Schlichtungsstelle -

a) ihre Anerkennung als Hauptmieterin der Wohnung top Nr.8 im Hause *****,

b) die Feststellung, daß für diese Wohnung ein Mietzins der Ausstattungskategorie D gerechtfertigt sei, und

c) den Antragsgegnern die Zurückzahlung zuviel bezahlten Hauptmietzinses von S 52.535,- aufzutragen.

Die Antragstellerin begründete ihr Begehren im wesentlichen damit, der Erstantragsgegner habe als Alleineigentümer der Liegenschaft mit seiner Ehegattin, der Zweitantragsgegnerin, ein Hauptmietverhältnis lediglich zur Umgehung der Bestimmungen des MRG fingiert.

Die Antragsgegner wendeten ein, der Erstantragsgegner habe der von ihm getrennt lebenden Zweitantragsgegnerin diese Wohnung am 1.12.1982 (richtig: 1981) vermietet. Die Zweitantragsgegnerin habe diese Wohnung bis zum Einzug der Antragstellerin im Jahre 1989 auch tatsächlich bewohnt.

Das Erstgericht wies die oben unter a) und b) genannten Anträge der Antragstellerin ab; das Rückzahlungsbegehren wurde dadurch gegenstandslos.

Das Erstgericht stellte folgenden - für die Entscheidung über den Revisionsrekurs noch entscheidungswesentlichen - Sachverhalt fest:

Der Erstantragsgegner ist Alleineigentümer der Liegenschaft mit dem Haus in *****. Er benützt die in diesem Haus gelegene Wohnung top Nr.4. Die Zweitantragsgegnerin ist Ehefrau des Erstantragsgegners und bewohnte mit diesem die Wohnung top Nr.4 als Ehewohnung bis etwa 1981. Sie ist seit 1972 Alleineigentümerin eines Eigenheimes in Wien 14, welches sie zumindest seit 1981 ständige bewohnt.

Nach dem Freiwerden der Wohnung top Nr.8 im November 1981 vermietete der Erstantragsgegner diese Wohnung an die Zweitantragsgegnerin lediglich zu dem Zweck, daß die Zweitantragsgegnerin einen im Vergleich zum zulässigen Hauptmietzins erhöhten Untermietzins erzielen könnte. Seit Dezember 1981 wird die Zweitantragsgegnerin in den Zinslisten als Hauptmieterin dieser Wohnung geführt; sie zahlt seither den Hauptmietzins auf Basis der Ausstattungskategorie D direkt an den Erstantragsgegner bzw. an die Hausverwaltung.

In der Folge hat die Zweitantragsgegnerin diese Wohnung mehrmals untervermietet, zuletzt ab 1.2.1989 an die Antragstellerin, ohne daß dabei die rechtliche Qualifikation des Vertrages, der die Zweitantragsgegnerin als Vermieterin ausweist, erörtert worden wäre.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß beide Antragsgegner die Rechtsfolgen eines Hauptmietvertrages herbeiführen wollten, um der Zweitantragsgegnerin die Möglichkeit der Untervermietung einzuräumen, also dritten Personen den einem Hauptmieter zukommenden Schutz zu verwehren und Einnahmen aus der Untervermietung zu erzielen. Damit wäre der Tatbestand des Umgehungsgeschäftes erfüllt, doch könnten die Rechtsfolgen des § 2 Abs 3 MRG wegen des Abschlusses des Hauptmietvertrages vor dem 1.1.1982 nicht eintreten.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 43 Abs 1 MRG gelte das erste Hauptstück des MRG, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt sei, auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen worden seien. Endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte seien jedoch nach der Rechtslage im Vereinbarungszeitpunkt zu beurteilen (JBl 1988, 525). Der zwischen den Antragsgegnern abgeschlossene Hauptmietvertrag sei bereits vor dem Inkrafttreten des MRG abgeschlossen und damit abschließend verwirklicht worden. Er könne daher nicht dem erst später geschaffenen Umgehungstatbestand des § 2 Abs 3 MRG unterstellt werden. Bei der Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs 3 MRG gehe es um einen Eingriff in das zwischen dem Hauseigentümer und einer anderen Person bestehende Vertragsverhältnis, also ein Rechtsverhältnis, das durch den Abschluß des Mietvertrages entstanden sei. Zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages zwischen den Antragsgegnern sei dieser Vertrag, selbst wenn er zu dem nun verpönten Zweck abgeschlossen worden sei, nicht rechtsunwirksam gewesen; das Vorliegen eines Scheingeschäftes sei auszuschließen. An der Verwirklichung des Sachverhaltes im Sinne eines rechtswirksamen Mietvertrages zwischen Hauseigentümer und Hauptmieter vor dem Inkrafttreten des MRG vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Hauptmieter hinsichtlich des Bestandobjektes mit einem Dritten einen weiteren Mietvertrag abschließe, wobei es rechtlich unerheblich sei, ob dieser zweite Mietvertrag vor oder nach dem Inkrafttreten des MRG abgeschlossen worden sei. Durch die Verfügung des Hauptmieters über den Mietgegenstand im Sinne einer entgeltlichen Übertragung der Benützungsrechte an einen Dritten könnte der endgültig zustandegekommene Mietvertrag zwischen Hauseigentümer und dessen Vertragspartner nicht rechtsunwirksam werden, zumal das Vorliegen der nach § 2 Abs 3 MRG geforderten Voraussetzung für die Unwirksamkeit des mit dem Hauseigentümer im Jahre 1981 abgeschlossenen Mietvertrages, nämlich die Absicht dieser Vertragsteile, den Mietvertrag unter anderem nur zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte abzuschließen, an sich schon nicht angenommen werden könne (WoBl 1989/75; WoBl 1988/64; 5 Ob 93/88).

Die gegenteiligen Entscheidungen des 3.Senates des Obersten Gerichtshofes (3 Ob 2/90, 3 Ob 552/91) beträfen einen durch einen Generalmieter abgeschlossenen Untermietvertrag, wobei der Hauptmietvertrag zwischen Hauseigentümer und Generalmieter jeweils vor dem 1.1.1982 zustandegekommen sei. Die dort zu beurteilenden Sachverhalte unterschieden sich von dem vorliegenden dadurch, daß dort dem "Untermieter" bei Abschluß des Untermietvertrages vor dem 1.1.1982 Hauptmietrechte zugekommen wären, er aber auch nach der gegenwärtigen Rechtslage Hauptmieter wäre, datierte auch der Hauptmietvertrag nach dem 1.1.1982.

Das Rekursgericht vermöge sich der Ansicht nicht anzuschließen, daß durch den Abschluß des Untermietvertrages nach dem Inkrafttreten des MRG ein wesentliches Tatbestandmerkmal erst zur Zeit der Geltung dieser Bestimmung gesetzt worden sei. Der Vertrag zwischen den Antragsgegnern sei bereits mit Abschluß desselben abschließend verwirklicht gewesen. Mit der Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs 3 MRG werde dem Hauseigentümer letztlich ein Vertragspartner aufgezwungen, den er nicht selbst gewählt habe. Überdies weise die in § 2 Abs 3 MRG gewählte Wortfolge "............, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen worden ist" durch den Gebrauch des Demonstrativpronomens auf das MRG hin, sodaß die Formulierung nicht anders verstanden werden könne, als daß der Hauptmietvertrag zur Umgehung der nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen sein müßte.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die aufgezeigte Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß den Anträgen der Antragstellerin zur Gänze Folge gegeben werde; hilfsweise stellte die Antragstellerin einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegner beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, sodaß auf dessen Ausführungen verwiesen werden kann (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528 a, 510 Abs 3 ZPO). Diese entsprechen der bereits wiederholt, zuletzt in den Entscheidungen 5 Ob 17/93 und 5 Ob 20/93 judizierten Auffassung, daß im § 2 Abs 3 MRG ein mit besonderen Rechtswirkungen ausgestatteter neuer Umgehungstatbestand geschaffen wurde, der grundsätzlich nur Umgehungsgeschäfte erfassen kann, die nach dem Inkrafttreten des MRG stattgefunden haben (WoBl 1988, 110/64 mit Anmerkung von Call und Würth; MietSlg 39.236, 40.244; WoBl 1989, 136 mit Anmerkung von Hanel; WoBl 1989, 144 ua). Eine auf § 2 Abs 3 MRG gestützte Anerkennung als Hauptmieter kommt demnach nicht in Frage, wenn der Hauptmietvertrag bereits vor dem 31.12.1981 gültig zustandegekommen ist, mag auch der Untermietvertrag erst nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sein (WoBl 1989, 136; 8 Ob 502/91).

Die dagegen im Revisionsrekurs vorgetragenen Argumente geben keinen Anlaß, von dieser Judikatur abzugehen. Es ist zwar richtig, daß in zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes der Standpunkt vertreten wurde, die in § 2 Abs 3 MRG normierten Rechtsfolgen könnten auch dann eintreten, wenn der Hauptmietvertrag vor dem 1.1.1982, der Untermietvertrag erst nachher abgeschlossen wurde (MietSlg 41/42; WoBl 1992, 238/160), doch pflichtet der erkennende Senat dieser Rechtsmeinung nicht bei. Den Gesetzesmaterialien ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß der Gesetzgeber durch Schaffung der Norm des § 2 Abs 3 MRG verschiedene bekannt gewordene Umgehungsgeschäfte unterbinden wollte (vgl RV 425 BlgNR 15.GP, 31 zu § 2, auszugsweise abgedruckt in Würth-Zingher, MRG, 11). Da der Gesetzgeber ausdrücklich als eine der Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter verlangt, daß ein "Hauptmietvertrag" zur Umgehung der einem Hauptmieter nach "diesem Bundesgesetz" zustehenden Rechte geschlossen worden ist, ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber tatsächlich solche Umgehungsgeschäfte nur für die Zukunft unterbinden wollte. Wäre es Absicht des Gesetzgebers gewesen, dieser Bestimmung auch Rückwirkung auf vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossene "Hauptmietverträge" beizulegen, so hätte er wohl die Normen, deren Umgehung er unterbinden wollte, anders umschrieben oder zumindest die Rückwirkung dieser Bestimmung ausdrücklich angeordnet, zumal auch die Generalklausel des § 43 Abs 1 MRG keine zusätzlichen Hinweise darauf enthält, daß § 2 Abs 3 MRG auch Mietverträge erfassen sollte, die in der damals noch nicht gesetzlich mißbilligten Absicht geschlossen wurden, die einem Hauptmieter nach den Bestimmungen des MG zustehenden Rechte zu umgehen. Ob jemand ein Hauptmietrecht erwirbt, das trotz Abschlusses eines Untermietvertrages über das Mietobjekt aufrecht bleibt, oder ob jemand zufolge § 2 Abs 3 MRG bloß ein Hauptmietrecht erwirbt, das durch Abschluß eines Untermietvertrages über das Mietobjekt untergeht und dem Untermieter in Verbindung mit dem Untermietvertrag die Stellung eines Hauptmieters verschafft (siehe dazu MietSlg 35/18, 38.272 ua), ist somit nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrages zu beurteilen. Der erkennende Senat hält daher an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, daß die Anwendung des § 2 Abs 3 MRG in allen Fällen ausgeschlossen ist, in welchen der Hauptmietvertrag schon vor dem 1.1.1982 gültig zustande gekommen ist.

Zutreffend wurde daher von den Vorinstanzen der Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung als Hauptmieterin abgewiesen.

Diese Abweisung hat auch die Abweisung ihres Antrages auf Überprüfung der Zulässigkeit des Hauptmietzinses zur Folge.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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