Spruch:
Der Antrag, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und der Berufung stattzugeben, stellt keinen Berufungsantrag im Sinne des § 467 Z. 3 ZPO. dar
Entscheidung vom 29. September 1966, 5 Ob 264/66
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beiden beklagten Parteien zur Ausfolgung eines einverleibungsfähigen Kaufvertrages betreffend die zu einer näher bezeichneten Eigentumswohnung gehörigen Grundanteile der Liegenschaft EZ. X.
Das Erstgericht erkannte mit Urteil vom 6. März 1966 im Sinne des Klagebegehrens. Das Urteil grundet sich auf eine Reihe von Feststellungen darüber, wie es dazu kam, daß der Kläger gegen beide Beklagte unabhängig voneinander Anspruch auf Ausfolgung der begehrten Urkunde habe.
Gegen dieses Urteil erhoben die Beklagten Berufung, in der sie als Berufungsgrunde Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige rechtliche Beurteilung und unrichtige Beweiswürdigung geltend machten.
Eine förmliche Berufungserklärung und ein Berufungsantrag im Sinne des § 467 Z. 3 ZPO. scheint in der Berufungsschrift nicht auf. Wohl aber beantragten die Berufungswerber am Ende ihres Schriftsatzes die Anordnung einer mündlichen Berufungsverhandlung und die Stattgebung der Berufung. Außerdem stellten die Berufungswerber die "Bitte, auf alle Fälle den Streitwert mit 20.000 S festzustellen", da das Interesse des Klägers zumindest diesen Betrag ausmache, und schließen ihre Ausführungen mit dem Satz: "Sollte es abermals zu einer Aufhebung kommen, bitten wir auf jeden Fall um einen Rechtskraftvorbehalt, da die Angelegenheit im wesentlichen von Rechtsfragen abhängt, wie ..."
Das Berufungsgericht verwarf in nichtöffentlicher Sitzung die Berufung, weil die Berufungsschrift keinen bzw. zumindest keinen hinlänglich bestimmten Berufungsantrag enthalte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Rekurs der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 467 Z. 3 ZPO. muß die Berufungsschrift nebst den allgemeinen Erfordernissen eines vorbereitenden Schriftsatzes u. a. die bestimmte Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgrunde) und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung des Urteils und welche beantragt wird (Berufungsantrag), enthalten. Bei völligem Mangel eines bestimmten Berufungsantrages ist die Berufung nach den Bestimmungen der §§ 471 Z. 3 ZPO. und 474
(2) ZPO. zu verwerfen (SZ. VIII 163 u. a.).
Daß in der vorliegenden Berufungsschrift eine bestimmte Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird, fehlt, schadet ihr im besonderen Fall nicht, da im Hinblick auf den Inhalt des Klagebegehrens und des diesem Begehren stattgebenden Urteils erster Instanz eine bloß teilweise Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache nicht in Betracht kommen kann.
Es ist auch richtig, daß der Oberste Gerichtshof mehrfach zum Ausdruck brachte, daß bei der Anwendung des § 471 Z. 3 ZPO. kein allzu strenger Maßstab anzulegen ist (EvBl. 1955 Nr. 188, 5 Ob 278/63 u. v. a.). Es muß der Berufungsantrag nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechen, sondern es genügt, wenn der Berufungsschrift eindeutig entnommen werden kann, welche Entscheidung der Berufungswerber anstrebt (SZ. XX 209, JBl. 1958 S. 474). Im vorliegenden Fall kann aber auch bei weitherziger Auslegung der Berufungsschrift nicht entnommen werden, welche Entscheidung die Berufungswerber anstreben. Der Antrag, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und der Berufung stattzugeben, stellt daher überhaupt keinen Berufungsantrag im Sinn des § 467 Z. 3 ZPO. dar (s. SZ. XXVII 148 u. a.). Es sind auch die Berufungsausführungen nicht geeignet, die Absicht der Berufungswerber eindeutig und zweifelsfrei in der Richtung erkennen zu lassen, daß nur die Aufhebung des angefochtenen Urteils begehrt werde. Gegen die Annahme einer solchen Absicht spricht vor allem die in der Berufung ausführlich dargelegte Meinung, daß das Klagebegehren der erforderlichen Bestimmtheit entbehre und die Klage deshalb abzuweisen gewesen wäre. Auch der letzte Satz der Berufungsschrift ("Sollte es abermals zu einer Aufhebung kommen ...") kann nicht im Sinne eines bloß auf Aufhebung gerichteten Antrages verstanden werden. Wenn sich auch aus der Berufungsschrift ergibt, daß die Beklagten mit der Entscheidung des Erstrichters nicht einverstanden sind sowie welche Gründe sie hiefür geltend machen, so wird dadurch allein das Fehlen eines Berufungsantrages nicht ersetzt; es ist keinesfalls Aufgabe des Rechtsmittelgerichtes, den fehlenden Berufungsantrag zu supplieren (JBl. 1955 S. 203).
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