OGH 5Ob261/01w

OGH5Ob261/01w27.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Felix S*****, vertreten durch Dr. Helmut Mayer, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Fichtegasse 2A, gegen die beklagte Partei Eva S*****, vertreten durch Dr. Günther Hödl, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Schulerstraße 18, wegen restl. S 193.378,78 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2001, GZ 14 R 34/01z-32, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. September 2000, GZ 8 Cg 78/99w-21, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 11.179,80 (darin enthalten S 1.863,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Im gegenständlichen Rechtsstreit um die Bemessung eines Schenkungspflichtteils hatten die Vorinstanzen Pflegeleistungen der Beklagten für die Erblasserin (ihre Mutter) zu bewerten. Sie kamen dabei unter Anwendung des § 273 ZPO zum Ergebnis, dass für die Pflegeleistungen ein Betrag von S 150.000,-- anzusetzen sei. Das Berufungsgericht orientierte sich dabei an den Grundsätzen des Bundespflegegeldgesetzes und nahm einen Pflegeaufwand von insgesamt

1.500 Stunden an. Dabei sei, so führte es weiter aus, auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt (der von der Erblasserin der Beklagten ca 4 Monate vor dem Erbfall übergebenen Eigentumswohnung) lebte und Leistungen wie Zusammenräumen, Fensterputzen, Kochen, Einkaufen udgl auch im eigenen Interesse, jedenfalls unabhängig vom Pflegebedarf der Mutter erbrachte, weshalb zur Quantifizierung des Aufwands der Beklagten nur die Betreuungsleistungen im engeren Sinn heranzuziehen seien. Unter diesen Umständen sei die vom Erstgericht gemäß § 273 ZPO vorgenommene Einschätzung des Wertes ihrer Leistungen mit S 150.000,-- ohne Rechtsirrtum erfolgt.

Die Revision gegen seine Entscheidung erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage, ob zur Einschätzung des Pflegebedarfs das BPGG sinngemäß herangezogen werden kann, und zur Frage, inwieweit Schenkungen der vorliegenden Art einer sittlichen Pflicht entsprechen, keine höchstgerichtliche Judikatur aufgefunden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision, mit der sie primär die Abänderung des Berufungsurteils in die (gänzliche) Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise dessen Aufhebung und die Rückverweisung der Rechtssache an eine der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung anstrebt, ist, wie der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend geltend macht, unzulässig, was der Oberste Gerichtshof ungeachtet des gegenständlichen Ausspruchs aufzugreifen hatte (§ 508a Abs 1 ZPO) und gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO wie folgt zu begründen ist:

Die vom Berufungsgericht für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführte Rechtsfrage, ob die Schenkung einer Eigentumswohnung an jenes Kind, von dem man gepflegt wurde, einer sittlichen Pflicht entspricht, greift die Beklagte in ihrem Rechtsmittel selbst nicht mehr auf. Die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofes hat sich daher nur an der zweiten angesprochenen Rechtsfrage zu orientieren (vgl 5 Ob 211/00s mit dem Hinweis auf Kodek in Rechberger2, Rz 3 vor § 502 ZPO), ob die sinngemäße Heranziehung des BPGG für die Bewertung der Pflegeleistungen der Beklagten gerechtfertigt war. Darin liegt jedoch unter Berücksichtigung der konkreten Fallgestaltung keine Rechtsfrage, die iSd § 502 Abs 1 ZPO Anlass für eine Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofes geben könnte oder - wegen einer unhaltbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - im Interesse der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste. Auch die Revision der Beklagten liefert hiefür kein stichhältiges Argument.

Wie der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung richtig bemerkt, hat das Berufungsgericht die für die Bemessung des Pflegeaufwands und dessen Bewertung maßgeblichen Grundsätze des BPGG nicht direkt bzw analog angewendet, sondern sie nur zur Begründung seiner Ermessensentscheidung nach § 273 ZPO herangezogen. Es ging darum, plausible Argumente für die an sich freie Überzeugung zu liefern, dass die Pflegeleistungen der Beklagten mit S 150.000,-- zu bewerten sind.

Die Anwendung des § 273 ZPO selbst ist nicht mehr anfechtbar; der Oberste Gerichtshof könnte nur mehr das Ergebnis dieser Ermessensentscheidung überprüfen (EFSlg 50.129; SZ 60/157; SZ 71/3; 5 Ob 312/00v). Dabei wiederum ist zu beachten, dass für die Ausübung des richterlichen Ermessens nach § 273 ZPO die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind (vgl RIS-Justiz RS0040494) und nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung auch noch in dritter Instanz über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgegriffen und korrigiert werden können (RIS-Justiz RS0007104). Ein solcher Fehler ist nicht zu erkennen. Es war im konkreten Fall durchaus vertretbar, sich bei der Einschätzung des Umfangs und des Werts der von der Beklagten für ihre kranke Mutter erbrachten Pflegeleistungen an den Grundsätzen des BPGG zu orientieren, um mangels anderer verwertbarer Beweisergebnisse Aufschlüsse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit und des Pflegeaufwands zu gewinnen. Der Ermessensspielraum umfasst dabei auch die Bandbreite der Kosten ungelernter bzw professioneller Pflegepersonen (vgl SZ 71/146), den das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung nicht verlassen hat.

Es war daher gemäß § 502 Abs 1, § 508a Abs 2 ZPO wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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