OGH 5Ob243/70

OGH5Ob243/702.12.1970

SZ 43/220

Normen

ABGB §1061
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1061
ABGB §1299
ABGB §1300

 

Spruch:

Anleitungspflicht eines Händlers, der Waren verkauft, die zu ihrer sachgemäßen Verwendung bestimmte Kenntnisse voraussetzen, die nicht von jedermann, insbesondere nicht vom Käufer, erwartet werden können. Bei Unterlassung einer solchen Belehrung haftet der Händler für etwa dadurch verursachte Schäden des Käufers

OGH 2. Dezember 1970, 5 Ob 243/70 (LG Innsbruck 2 R 329/70; BG Telfs C 209/69 )

Text

Die Klägerin, eine Maschinenhändlerin, lieferte dem Beklagten am 23. Mai 1967 einen von einer ausländischen Firma hergestellten Schaufellader zum Preis von zirka 800.000 S. Der Beklagte wurde in den Gebrauch der Maschine von Franz M, dem Obermonteur der Klägerin, eingeführt. Das Gerät funktionierte anfangs gut. Im Herbst 1967 trat erstmals an der Drehstromlichtmaschine des Gerätes ein Defekt auf, nachdem vom Beklagten Schweißarbeiten an dem Gerät durchgeführt worden waren. M stellte den aufgetretenen Schaden an der Lichtmaschine fest, der in der Folge von einer Fachwerkstätte behoben wurde. Am 22. Jänner 1968 funktionierte die Elektroanlage des Schaufelladers wiederum nicht. Darauf wurde der Regler erneuert.

Als am 30. Jänner 1968 ein weiterer Defekt auftrat, stellte M fest, daß die Lichtmaschine des Gerätes unbrauchbar geworden war, worauf sie erneuert wurde. Nach einem weiteren, am 8. Februar 1968 aufgetretenen Schaden der Elektroanlage wurde wiederum der Regler erneuert und dadurch die Anlage wieder betriebsfähig gemacht. Am 28. August 1968 fiel die Elektroanlage neuerlich aus. Die Überprüfung durch eine Fachwerkstätte ergab, daß das innere Feld der Lichtmaschine verbraucht war. Diese Lichtmaschine stand 504 Stunden in Betrieb. Die Klägerin lieferte hierauf dem Beklagten eine neue Lichtmaschine und stellte diese in der Höhe des Klagsbetrages in Rechnung, nachdem die Herstellerfirma eine Garantieleistung abgelehnt hatte. Nach Erhalt der Rechnung reklamierte der Beklagte sofort mit der Behauptung, es handle sich um einen Garantiefall. Ende 1968 übernahm die Firma L an Stelle der Klägerin die Vertretung der Herstellerfirma des Schaufelladers. Sie übernahm auch den Obermonteur M in ihre Dienste. Die Firma L machte den Beklagten aufmerksam, daß bei Elektroschweißarbeiten am Ladegerät die Lichtmaschine abgeklemmt werden müßte. Von dieser Notwendigkeit hatten bis dahin weder die Klägerin noch M gewußt, weshalb der Beklagte auch von diesen nicht im erwähnten Sinn belehrt worden war. In der Folge traten an der Lichtmaschine des Schaufelladers keine Schäden mehr auf. Der Beklagte weigerte sich, die ihm verrechnete Lichtmaschine zu bezahlen, weil deren Lieferung eine Garantieleistung darstelle.

Gegenüber dem auf Zahlung dieses Rechnungsbetrages gerichteten Klagebegehren wendete der Beklagte ein, daß der Schaden ausschließlich auf das Verschulden der Klägerin zurückzuführen sei, weil diese es unterlassen habe, den Beklagten darüber aufzuklären, daß bei Schweißarbeiten an dem Gerät die Lichtmaschine abgeklemmt werden müsse, um ihre Beschädigung zu vermeiden. Tatsächlich seien, so behauptete der Beklagte, der im übrigen den Klagsbetrag der Höhe nach nicht bestritt, jedesmal Schäden aufgetreten, wenn der Beklagte die üblichen Elektroschweißarbeiten am Schaufellader vorgenommen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Obwohl der dem Verfahren zugezogene Sachverständige der Meinung war, daß die Ursache der an der Lichtmaschine aufgetretenen Schäden nicht mehr feststellbar sei, wobei eine dieser Ursachen allerdings die Durchführung von Elektroschweißarbeiten an dem Schaufellader bei angeschlossener Lichtmaschine sein könne, nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß die Schäden der Lichtmaschine nur auf die wiederholten Schweißarbeiten des Beklagten an dem Gerät zurückzuführen seien. Ferner stellte das Erstgericht fest, daß Bauunternehmer, wie der Beklagte, solche Schweißarbeiten an ihren Arbeitsmaschinen üblicherweise selbst ausführen und nicht durch Fachwerkstätten ausführen lassen. Dies hätte, meinte das Erstgericht, die Klägerin, die mit solchen Maschinen gehandelt habe und daher als Sachverständiger anzusehen sei, ebenso wissen müssen, wie, daß es notwendig sei, die Lichtmaschine abzuklemmen, wenn an dem Schaufellader Elektroschweißarbeiten vorgenommen würden. Für beide Streitteile, die Kaufleute seien, stelle der Ver- bzw Ankauf des Schaufelladers ein Handelsgeschäft dar. Die Klägerin habe daher beim Abschluß des Kaufvertrages für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes einzustehen. Zu dieser Sorgfalt und nach den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen gehöre es, daß die Klägerin dem Beklagten eine entsprechende Belehrung über den Umgang mit solchen Maschinen und insbesondere über die Betreuung der Drehstromlichtmaschine gegeben hätte. In der Unterlassung dieser Aufklärung liege das Verschulden der Klägerin, für das sie nach den Regeln des Schadenersatzrechtes einzustehen habe. Durch die Lieferung der neuen Lichtmaschine im August 1968 habe die Klägerin Schadenersatz geleistet, sie könne daher vom Beklagten nicht die Bezahlung dieser Lichtmaschine verlangen. Unter diesen Umständen sei es nicht notwendig zu prüfen, ob ein Gewährleistungsfall vorliege.

Das Berufungsgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, gelangte aber auf Grund nachstehender Erwägungen zum Ergebnis, daß das Klagsbegehren begrundet sei: Es sei wohl richtig, daß die Klägerin dem Beklagten für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes einzustehen habe, weil der Verkauf des Schaufelladers an den Beklagten für sie ein Handelsgeschäft gewesen sei. Die Klägerin sei daher verpflichtet gewesen, dem Beklagten Anleitungen über die Bedienung und die Wartung des Gerätes zu geben. Dagegen könne von der Klägerin nicht verlangt werden, daß sie über Fachkenntnisse betreffend die Reparatur der Maschine verfüge und diese dem Käufer mitteile. Wenn es sich auch bei den Schweißarbeiten, die der Beklagte an seinem Gerät ausführte, um Arbeiten gehandelt habe, die üblicherweise von Baufirmen selbst an ihren Arbeitsmaschinen vorgenommen würden, so müsse doch von dem, der Schweißarbeiten an einem so komplizierten und teuren Gerät wie dem Schaufellader des Beklagten ausführe, verlangt werden, daß er die dazu erforderlichen besonderen Fachkenntnisse besitze. Insbesondere müsse derjenige, der Elektroschweißungen ausführe, wissen, daß durch den Anschluß eines Poles des Schweißgerätes an das Werkstück beim Schweißvorgang dieses unter Strom gesetzt wird und daß dadurch elektrische Einrichtungen des Werkstückes beschädigt werden können. Wer ohne diese Kenntnis oder ohne Rücksicht darauf Elektroschweißungen vornehme, habe den hiedurch eingetretenen Schaden selbst zu vertreten.

Zur Haftung der Klägerin als Sachverständiger sei zu beachten, daß weder die Klägerin dem Beklagten in der kritischen Frage einen Rat erteilt habe noch daß de Beklagte eine solche Beratung verlangt habe. In der Unterlassung einer entsprechenden Beratung des Beklagten sei daher keine Verletzung der der Klägerin obliegenden Sorgfaltspflicht zu erblicken. Die Klägerin treffe daher an dem Schaden des Beklagten kein Verschulden. Ebenso sei eine Haftung der Klägerin für diesen Schaden aus dem Titel der Gewährleistung oder Garantiezusage zu verneinen. Mit Rücksicht auf die Auslieferung der Baumaschine am 23. Mai 1967 sei sowohl die vertragliche wie die gesetzliche Gewährleistungsfrist längst abgelaufen, der Beklagte habe aber nicht einmal behauptet, daß die Maschine im Zeitpunkt ihrer Lieferung mangelhaft gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge der Revision richtet sich einerseits gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin als Sachverständiger im Sinn des § 1300 ABGB deshalb nicht hafte, weil sie keinen Rat erteilt habe und um einen solchen vom Beklagten auch nicht gefragt worden sei, andererseits aber auch gegen die Rechtsansicht der zweiten Instanz, daß vom Verkäufer nicht verlangt werden könne, sich Fachkenntnisse über die Reparatur der von ihm verkauften Ware zu verschaffen und diese Kenntnis dem Käufer mitzuteilen, zumal im besonderen fall sogar dem Beklagten als Käufer diese Kenntnis zugemutet werde.

Hiezu ist zu bemerken:

Ein Händler, der Waren verkauft, die zu ihrer sachgemäßen Verwendung bestimmte Kenntnisse voraussetzen, die nicht von jedermann, insbesondere aber vom Käufer erwartet werden können, ist verpflichtet, dem Käufer die entsprechende Anleitung zu geben, insbesondere, wenn es sich um eine schwieriger zu handhabende Maschine handelt, dem Käufer etwa eine schriftliche Bedienungsanweisung auszufolgen, unter Umständen sogar den Käufer bzw seine Leute an der Maschine einzuschulen. Diese Verpflichtung ist, soweit sie nicht ausdrücklich im Kaufvertrag übernommen wurde, bei Maschinen der zuletzt genannten Art als stillschweigend vereinbarte Nebenverpflichtung des Verkäufers (§§ 1061, 1047 ABGB) anzusehen. Wer mit solchen Maschinen gewerbsmäßig handelt, von dem wird nach § 1299 ABGB auch vorausgesetzt, daß er die für ihre Behandlung und Wartung erforderlichen speziellen Kenntnisse besitzt. Der Händler kann sich daher nicht auf den Mangel dieser Fachkenntnisse berufen. Unterläßt der Verkäufer die erforderliche Belehrung des Käufers, verstößt er damit gegen seine vertragliche Pflicht und haftet deshalb ohne Rücksicht darauf, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 1300 ABGB gegeben sind, für etwa dadurch verursachte Schäden des Käufers. Darauf, ob der Käufer die Belehrung verlangt hat, kommt es nicht an (vgl EvBl 1961/78, ebenso 2 Ob 397/68).

Diesfalls ist nun erwiesen, daß der von der Klägerin gelieferte Schaufellader mit einer Drehstromlichtmaschine ausgestattet ist, deren Dioden bei Elektroschweißungen infolge der auftretenden hohen Induktionsströme zerstört werden. Weiter wurde festgestellt, daß die Behandlungsvorschriften für Drehstromlichtmaschinen nicht allgemein bekannt sind, weshalb auch eine Belehrung der Käufer, daß Elektroschweißarbeiten nicht bei angeklemmter Lichtmaschine durchgeführt werden dürfen, von den Erzeugerfirmen erteilt wird (vgl die auf das Sachverständigengutachten gestützten Ausführungen des Erstrichters). Darauf, ob im besonderen Fall die Herstellerin des Schaufelladers der Klägerin diese Belehrung erteilte, kommt es nicht an, da wie ausgeführt, die Klägerin als Händlerin derartiger Maschinen ihre allfällige Unkenntnis ihren Abnehmern gegenüber nicht geltend machen kann.

Zu dem von der Klägerin als Maschinenhändlerin zu vertretenden Spezialwissen gehört auch ihre Kenntnis von den in ihrem Kundenkreis gehandhabten Übungen. Mit Rücksicht auf die von den Untergerichten festgestellte Übung der Bauunternehmer, Reparaturen an ihren Arbeitsmaschinen im eigenen Betrieb vorzunehmen, selbst wenn dabei der Einsatz von Schweißgeräten erforderlich sein sollte, mußte die Klägerin wissen, daß auch der Beklagte an seinem Schaufellader solche Reparaturen im eigenen Betrieb vornehmen, also damit keine Fachwerkstätte beauftragen werde. Daher war die Klägerin im Rahmen ihrer Nebenverpflichtungen als Verkäuferin des Schaufelladers verpflichtet, den Beklagten aufmerksam zu machen, daß die Drehstromlichtmaschine des Gerätes abgeklemmt werden müsse, wenn an dem Schaufellader Elektroschweißungen durchgeführt werden sollten. Die Unterlassung dieser Belehrung stellt deshalb eine Vertragsverletzung und damit ein Verschulden der Klägerin dar, weshalb sie für hiedurch verursachte Schäden des Beklagten haftet. An dem vom Erstgericht bejahten Kausalzusammenhang zwischen der erwähnten Unterlassung der Klägerin und dem Schaden des Beklagten besteht kein Zweifel, zumal die Klägerin einen solchen Kausalzusammenhang in erster Instanz nicht einmal in Abrede stellte. Ihr diesbezügliches Vorbringen beschränkte sich auf die Behauptung, der Beklagte hätte sich den Schaden selbst zugefügt, da er an seinem Schaufellader ohne die erforderlichen Kenntnisse Elektroschweißungen durchgeführt habe. Die Einrede eines Mitverschuldens des Beklagten wurde von der Klägerin nicht ausdrücklich erhoben. Soweit ihr Vorbringen in dieser Richtung verstanden werden könnte, ist es unbegrundet, da feststeht, daß die Behandlungsvorschriften für Drehstromlichtmaschinen nicht allgemein bekannt sind, dem Beklagten daher die Unkenntnis dieser Vorschriften nicht zum Verschulden gereicht. Darauf, ob seine Leute, denen er die Reparatur des Schaufelladers überließ, diese Vorschriften hätten kennen müssen, kommt es nicht an, da dem Vorbringen der Klägerin nicht einmal ein Hinweis darauf entnommen werden kam, aus welchen Gründen (§§ 1313 ff ABGB) der Beklagte nach Meinung der Klägerin die Unkenntnis, also das Verschulden seiner Leute zu vertreten habe.

Damit erweist sich aber die Entscheidung des Berufungsgerichtes als unhaltbar. Dagegen bestehen keine Bedenken gegen die vom Erstgericht zur Begründung seiner Entscheidung angeführten Erwägungen, insbesondere, daß die Klägerin die Bezahlung einer Ware nicht begehren könne, die sie als Ersatz einer gleichartigen, aus ihrem Verschulden zerstörten Ware geliefert hat.

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