OGH 5Ob232/18f

OGH5Ob232/18f13.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj E*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter V*, vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 15. Oktober 2018, GZ 21 R 289/18y‑168, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123988

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der ausführlich begründeten Entscheidung 4 Ob 197/17z (= NZ 2018/26, 75 [Mayr] = iFamZ 2018/12, 9 [Fucik] = EvBl 2018/75, 514 [Fucik]) die Entscheidung des übergeordneten Landesgerichts über die Genehmigung nach § 111 Absatz 2 Satz 2 JN nicht als Rechtsmittelentscheidung, sondern als erstinstanzliche Entscheidung angesehen, gegen die ausschließlich ein Rekurs an das zuständige Oberlandesgericht zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof sei für die Behandlung des Rekurses funktionell unzuständig.

2. Hier liegt ein völlig anderer Fall vor. Es gab keine Übertragung der Zuständigkeit, keine Weigerung eines anderen Bezirksgerichts, die Zuständigkeit zu übernehmen, und kein Einschreiten eines Landesgerichts, das als gemeinsam übergeordneter Gerichtshof über die Genehmigung der Übertragung zu entscheiden hatte. Vielmehr wies das Erstgericht den Antrag der Mutter auf Überweisung der Pflegschaftssache an ein anderes Bezirksgericht, in dessen Sprengel sie mit dem Kind verzogen sei, ab. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Mutter gab das Landesgericht Salzburg in seiner Funktion als Rekursgericht nicht Folge. Eine Auseinandersetzung mit der zu 4 Ob 197/17z gegenteiligen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0046097) erübrigt sich somit.

3. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung einer Pflegschaftssache für Minderjährige ist stets das Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0047074 [T1]). Die Rechtsprechung misst in der Regel dem Naheverhältnis zwischen Kind und Gericht wesentliche Bedeutung zu und sieht deshalb im Allgemeinen jenes Gericht als am besten geeignet an, in dessen Sprengel das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS‑Justiz RS0047074 [T7]). Offene Anträge hindern eine Übertragung grundsätzlich nicht. Es kann jedoch im Einzelfall eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Pflegschaftsgericht zweckmäßiger sein, insbesondere wenn diesem eine besondere Sachkenntnis zukommt oder es sich bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst hat (9 Nc 10/14s mwN).

4. In diesem Einzelfall ist die Beurteilung des Rekursgerichts nicht zu korrigieren, wenn es dem Erstgericht eine bessere Eignung zur Beurteilung des Falls zubilligt als jenem Gericht, in dessen Sprengel sich Kind und Mutter seit dem Frühjahr 2018 aufhalten. Das Erstgericht ist seit 2015 mit der Sache befasst, konnte sich bei mehreren Verhandlungen und Vernehmungen einen Eindruck von den Beteiligten verschaffen und verhandelte über ein bereits eingeholtes familienpsychologisches Gutachten. Zur Abklärung von Anhaltspunkten für eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls, die sich aus diesem Gutachten ergaben, beschloss es die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens und erteilte detaillierte Aufträge. Die Mutter geht selbst von einer besonderen Kenntnis des Erstgerichts von der Lebens‑ und Wohnsituation der Familie aus, wie in der Formulierung ihres Antrags auf Aussetzung weiterer Erhebungen bis zur Übertragung der Zuständigkeit deutlich zum Ausdruck kommt.

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