European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00228.14M.0127.000
Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit der Liegenschaftsadresse *****, auf der eine Wohnhausanlage mit 126 Stiegen errichtet ist (***** ‑ Hof). Die Antragsteller sind Mieter in dieser Anlage. Im Jahr 2004 war auf Antrag der Antragsgegnerin das Grundstück 200/3 aus der genannten EZ abgeschrieben und ein neuer Grundbuchskörper geschaffen worden mit der Liegenschaftsadresse H*****gasse *****. Auf dieser EZ befand sich eine Reihenhaussiedlung, die Teil des ***** ‑ Hofs gewesen war. Im Zuge der Generalsanierung dieses Gemeindebaues wurden die Reihenhäuser nicht saniert. Im Herbst des Jahres 2006 zog der letzte Mieter aus der Reihenhaussiedlung aus. Die Antragsgegnerin erlegte selbst für die Reihenhaussiedlung Betriebskostenvorauszahlungen und nahm in die Betriebskostenabrechnung des ***** ‑ Hofs für das Jahr 2007 auch die Ausgaben für die Liegenschaft H*****gasse ***** auf. Erst ab dem Jahr 2008 wurde diese Liegenschaft als neue Wirtschaftseinheit erfasst.
Die Antragsteller begehrten vor der Schlichtungsstelle die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007, die Festellung der Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmaßes sowie die Feststellung, dass diverse, konkret bezeichnete Positionen keine Betriebskosten im Sinne des MRG und nicht in die Abrechnung aufzunehmen seien. Sie bestritten die Richtigkeit der gesamten Abrechnung (des Saldos) und beriefen sich insbesondere darauf, dass Betriebskosten für die grundbücherlich ausgegliederte Liegenschaft (Reihenhaussiedlung) in unbekannter Höhe zu Unrecht in die Abrechnung einbezogen worden sei. Das Verfahren wurde über Antrag der Zweitantragstellerin nach § 40 Abs 2 MRG ohne Einschränkung bei Gericht anhängig.
Die Antragsgegnerin wendete zum Thema gesonderte Abrechnung ein, dass sich die faktische Nutzung durch die Abschreibung der Liegenschaft samt der Reihenhaussiedlung nicht geändert habe, weshalb bis zum 31. 12. 2007 eine Betriebskostenverrechnungseinheit mit der verbleibenden Liegenschaft bestanden habe. Sämtliche im Jahr 2007 für die Reihenhaussiedlung aufgelaufenen Betriebskosten seien daher zu Recht in die bestrittene Betriebskostenabrechnung aufgenommen worden.
Das Erstgericht stellte fest, dass bestimmte, konkret bezeichnete und bezifferte Positionen der Betriebskostenabrechnung keine Betriebskosten im Sinne des § 21 MRG seien. Rechtlich folgerte es ‑ soweit im Revisionsrekursverfahren relevant ‑, dass die Bildung einer eigenen EZ für die Reihenhaussiedlung nicht automatisch dazu führe, dass diese Liegenschaft aus der wirtschaftlichen Einheit ausscheide. Der Vermieter dürfe nämlich nicht willkürlich durch Abtrennung von Flächen neue Verrechnungskreise schaffen.
Das von vier Mietern und von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht änderte diesen Sachbeschluss in der Feststellung einzelner Positionen als unzulässig verrechnete Betriebskosten ab. Zur rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit führte es in der rechtlichen Beurteilung aus, dass die Antragsteller durch die von der Antragsgegnerin gewählte Vorgangsweise der einheitlichen Verrechnung trotz grundbücherlicher Ausgliederung nicht beschwert seien. Die Einnahmen aus den Betriebskosten‑Akonti der ausgegliederten Liegenschaft seien nämlich in die Abrechnung aufgenommen worden. Bei jenen Betriebskostenpositionen, die verbrauchsabhängig, aber nicht separat abgerechnet worden seien, bliebe der Antragsgegnerin nur die Möglichkeit, die Gesamtkosten auf die Nutzflächen der jeweiligen Liegenschaften aufzuteilen. Der Anteil der einzelnen Mieter an diesen Kosten bleibe gleich. Es mangle den Antragstellern daher am Feststellungsinteresse. Soweit die Antragsteller damit argumentierten, dass die Betriebskostenabrechnungen nicht nachvollziehbar seien, zielten sie inhaltlich auf ein Verfahren zur Legung einer ordnungsgemäßen Abrechnung nach § 37 Abs 1 Z 11 MRG ab, das aber nicht Gegenstand ihrer Antragstellung vor der Schlichtungsstelle gewesen sei.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, inwieweit bei Abtrennen eines Grundbuchkörpers noch von einer wirtschaftlichen Einheit eines nunmehr auf zwei Liegenschaften befindlichen Gebäudes auszugehen wäre und eine gemeinsame Abrechnung zulässig sei.
Gegen diesen Sachbeschluss erhoben Erst‑ und Zweitantragsteller sowie die Antragsgegnerin jeweils einen Revisionsrekurs . Beide Rechtsmittel sind zulässig und mit ihrem Eventualantrag auf Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Auch im Außerstreitverfahren gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0127342) der Grundsatz, dass die Bekämpfung der Kostenentscheidung einer Sachentscheidung mit separatem Kostenrekurs das Recht, innerhalb offener Frist auch die Hauptentscheidung zu bekämpfen, nicht konsumiert. Die erstinstanzliche Sachentscheidung wurde der Antragsgegnerin am 5. 6. 2013 zugestellt. Sie erhob zunächst einen Kostenrekurs und bekämpfte mit dem am 3. 7. 2013 im ERV eingebrachten Rechtsmittelschriftsatz die Entscheidung in der Hauptsache. Entgegen der Meinung der Antragsteller war dieser Rekurs zulässig und rechtzeitig und daher nicht zurückzuweisen.
2. In ihrem Revisionsrekurs halten die Antragsteller den Standpunkt aufrecht, dass Gebäude auf verschiedenen Einlagezahlen keine wirtschaftliche Einheit darstellen können und nur getrennt abzurechnen seien:
2.1 Der Begriff des „Hauses“ ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 17 Abs 1 MRG zwar nicht strikt liegenschaftsbezogen zu sehen, weshalb bei der Auslegung dieses Begriffs der Verkehrsanschauung mehr Bedeutung zukommt als dem Prinzip der Einheit der Grundbuchseinlage. Grundsätzlich ist aber auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abzustellen (RIS‑Justiz RS0069823 [T1]; 5 Ob 151/14p mwN). Zu 5 Ob 13/93 hat der Oberste Gerichtshof eine einheitliche Abrechnung bei liegenschaftsübergreifenden Gebäuden mit Blick auf mögliche Komplikationen, die sich aus Eigentum und Vermieterstellung unterschiedlicher Personen sowie der Parteistellung der Hauptmieter ergeben könnten, ausdrücklich abgelehnt. An dieser Rechtsansicht hielt er in der Entscheidung 5 Ob 107/95 fest. Nach herrschender Auffassung erfasst der in § 17 Abs 1 MRG verwendete Begriff „Haus“ daher in der Regel alle vermietbaren Teile eines Grundbuchskörpers und es bilden demnach alle auf der Liegenschaft errichteten Bauwerke eine rechtliche und in der Regel auch wirtschaftliche Einheit (Nachweise bei E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 § 17 MRG Rz 9).
2.2 Auf die Kritik E. M . Hausmanns (aaO Rz 11) am Begründungsansatz der Rechtsprechung in Fällen eines tatsächlichen liegenschaftsübergreifenden Wirtschaftens muss hier nicht näher eingegangen werden. Durch unterschiedliche Parteien auf Vermieter- und Mieterseite begründete Probleme stellen sich hier nicht: Die Eigentümerin blieb nach der Schaffung zweier Grundbuchskörper gleich. Die sich auf der abgeschriebenen Liegenschaft befindende Reihenhaussiedlung stand nach dem Auszug des letzten Mieters im Herbst 2006 leer.
2.3 Ungeachtet dessen liegt nach der objektiven Verkehrsauffassung ohnehin keine wirtschaftliche Einheit im Sinn jener Kriterien vor, welche der Oberste Gerichtshof in Fällen der Abrechnung mehrerer Gebäude auf einer Liegenschaft als entscheidend angesehen hat. Dazu zählen die Existenz gemeinsamer oder getrennter Versorgungsein-richtungen, das Alter und der Erhaltungszustand der Gebäude, die bauliche Trennung oder die unterschiedliche Verwendung zu Wohn‑ und Betriebszwecken (5 Ob 123/11s; vgl 5 Ob 163/09w je mwN). Eine separate Abrechnung soll nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unbillige Ergebnisse vermeiden, die sich aus der Gleichstellung mehrerer selbständiger Gebäude auf einem Grundbuchskörper ergeben (RIS‑Justiz RS0069949).
2.4 Auf der im Jahr 2004 abgeschriebenen Liegenschaft befand sich die seit 2006 „mieterfreie“ Reihenhaussiedlung, auf der verbleibenden ein weiter bewohnter Gemeindebau mit einer Vielzahl von auf 126 Stiegen verteilten Wohnungen. Diese Wohnanlage wurde saniert. Dabei wurden auch 199 Dachgeschosswohnungen neu geschaffen, die im Jahr 2007 fertig gestellt und vermietet waren. 41 Stiegen waren mit Personenaufzügen ausgestattet. Bauliche Gestaltung und Benützungverhältnisse unterschieden sich demnach eindeutig. Eine tatsächlich liegenschaftsübergreifende gemeinsame Versorgung - wie sie E . M. Hausmann (aaO Rz 11) vor Augen hat - der Gebäude (der Mietobjekte) auf beiden Liegenschaften konnte schon aufgrund des Leerstands in nur sehr eingeschränktem Ausmaß erfolgen.
2.5 Die beiden Liegenschaften bildeten im Jahr 2007 keine rechtliche und wirtschaftliche Einheit mehr. Die einheitliche Verrechnung, wie sie die Antragsgegnerin zuletzt für dieses Abrechnungsjahr vorgenommen hat, war daher nicht zulässig.
2.6 Die Vorinstanzen haben ausgehend von einer vom Revisionsrekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht zur Zulässigkeit der gemeinsamen Verrechnung bereits diverse Ausgaben (zB Kosten für Hausbetreuung, Wasser, Strom, Kanal) mit einem bezifferten Ausmaß als unzulässig verrechnet angesehen. Solange jedoch keine getrennte Zuordnung von Betriebskostenpositionen vorgenommen wird, kann nicht abschließend beurteilt werden, in welchem Ausmaß Ausgaben in die Abrechnung für die Liegenschaft EZ ***** (Gemeindebau) aufgenommen werden dürfen. Ob eine getrennte Verrechnung sich im Endeffekt ‑ auch als Folge einer möglichen Änderung des Betriebkostenschlüssels ‑ zu Gunsten (wie die Antragsteller in ihrem Revisionsrekurs meinen) oder zu Lasten der Mieter des Gemeindebaus auswirkt, kann der Oberste Gerichtshof, der auch im Außerstreitverfahren keine Tatsacheninstanz ist (RIS‑Justiz RS0007236), derzeit schon deshalb nicht prüfen, weil das Verhältnis der Nutzflächen von Reihenhaussiedlung und Gemeindebau nicht festgestellt wurde.
2.7 Aus diesen Erwägungen ist eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen notwendig.
3. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG (RIS‑Justiz RS0123011).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)