OGH 5Ob2134/96a

OGH5Ob2134/96a28.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Edeltraud Antonia Mercedes J*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner

1.) Maria P*****, Stiege 1/3, 2.) Kurt E*****, Gemeindebediensteter, Stiege 1/2, 3.) Hermine L*****, Stiege 2/2, 4.) Karl S*****, Schmiedemeister, Stiege 2/1, 5.) Rudolfine H*****, Stiege 2/4, alle *****, die unter 2.) , 4.) und 5.) genannten Antragsgegner vertreten durch Dr.Georg Röhsner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 26 Abs 1 Z 2 WEG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der unter 2.), 4.) und 5.) genannten Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30. Jänner 1996, GZ 40 R 1088/95m-13, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 14.August 1995, GZ 6 Msch 81/94z-9, abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Sachbeschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Text

Begründung

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****. Mit den Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum verbunden.

Die Antragstellerin stellte das Begehren, die Antragsgegner schuldig zu erkennen, dem Einreichplan des Planverfassers U. Kern Gesellschaft mbH vom 20.5.1992 (betreffend den Umbau des im Erdgeschoß gelegenen Geschäftslokales und des im Keller gelegenen Lagerraumes) ihres Zustimmung zu erteilen.

Die Antragstellerin habe den zum im Erdgeschoß gelegenen Geschäftslokal gehörenden Vorraum, Waschraum und WC abbrechen lassen und diese Räumlichkeiten in den Verkaufsraum einbezogen. Als Ersatz hiefür habe sie in dem in ihrem Wohnungseigentum stehenden Lagerraum (im Keller) einen Waschraum, WC, Pissoir und Dusche neu errichtet. Der Verlegung der genannten Räumlichkeiten in einen anderen Raum sei weder geeignet, eine Schädigung des Hauses herbeizuführen noch schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer zu beeinträchtigen. Allgemeine Teile der Liegenschaft seien nur insoweit in Anspruch genommen worden, als sanitären Anlagen an den Hauskanal hätten angeschlossen werden müssen. Die Schaffung ausreichender und zeitgemäßer Sanitärräume für ein Geschäft und ein Büro entspreche aber der Verkehrsübung und diene wichtigen Interessen der Antragstellerin. Überdies handle es sich um Änderungen, denen die Miteigentümer gemäß § 13 Abs 2 Z 4 WEG ihre Zustimmung nicht verweigern dürften.

Die unter 2.), 4.) und 5.) genannten Antragsgegner wendeten ein, der Zweck des Umbaues wäre nicht eine Vergrößerung der Verkaufsfläche gewesen, sondern die Gewinnung eines größeren Versammlungsraumes für die zumindest einmal wöchentlich stattfindenden Treffen freiberuflicher Vertreter. Diese Versammlungen würden oft bis spät in die Nacht dauern und seien mit erheblicher Lärmbelästigung verbunden. Seit der Verlegung der Sanitäranlagen in den Keller habe sich die Lärmbelästigung noch wesentlich verstärkt. Durch die WC-Anlagen im Keller käme es zu einer unzumutbaren Geruchsbelästigung vor allem für jenen Miteigentümer, der gegenüber in seinem Kellerabteil Lebensmittel lagere. Die Türen zum WC wären nämlich ständig offen.

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Das im Erdgeschoß liegende Geschäftslokal wurde insofern geändert, als Vorraum, Waschraum und WC abgebrochen wurde. In einer, ebenfalls im Wohnungseigentum der Antragstellerin stehenden Räumlichkeit im Keller wurden Sanitäranlagen, nämlich Waschraum, WC, Pissoir und Dusche neu installiert. Das Geschäftslokal wird einmal wöchentlich, als Versammlungslokal für die Mitarbeiter des Sohnes der Antragstellerin, der sich mit dem Vertrieb von Heimpflegesystemen geschäftigt, genützt. Diese Treffen dauern ca. von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr, fallweise auch länger; durchschnittlich nehmen fünfzehn bis fünfundzwanzig Personen daran teil. Im Versammlungsraum entsteht dabei fallweise Lärm, z.B. durch Applaus, Musik, Rollenspiele und Getrampel. Die neugeschaffenen Sanitäranlagen im Keller sind nur über den allgemeinen Stiegenabgang des Hauses erreichbar und werden von den Versammlungsteilnehmern während der Zeit der "meetings" häufig frequentiert. Das oftmalige geräuschintensive Öffnen und Schließen bzw Zuschlagen der Türen, lautstarke Gespräche und Schritte am Gang und wenn die Tür geöffnet wird, aus dem Versammlungsraum dringende Geräusche sind für die Mitbewohner noch deutlicher wahrnehmbar und störender als früher. Durch den Hall im Stiegenhaus wird der Lärm noch verstärkt.

Die unmittelbare Tür zur WC-Anlage ist nicht mit einem automatischen Schließmechanismus versehen und bleibt sehr häufig offen; die Tür vom Stiegenhaus in den Vorraum zum Keller steht immer offen, weshalb die Geruchsentwicklung, die von den WC-Anlagen ausgeht, sogar im Kellervorraum und im Stiegenhaus wahrnehmbar ist.

Vis-a-vis der Sanitäranlagen befinden sich zwei Kellerabteile, in einem davon werden vom Zweitantragsgegner Lebensmittel gelagert. Die Tür zu diesem Kellerabteil hat einen Lüftungsschlitz, durch den die Immissionen vom WC in das Abteil gelangen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß durch die bereits durchgeführten Baumaßnahmen die schutzwürdigen Interessen der Miteigentümer wesentlich beeinträchtigt seien, weil die festgestellte Lärm- und Geruchsentwicklung, vor allem abends in einem Wohnhaus nicht zumutbar sei.

Das Rekursgericht änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes in antragsstattgebendem Sinn ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Da die Veränderungen lediglich im Wohnungseigentumsobjekt der Antragstellerin vorgenommen worden seien und die bloße Tatsache, daß ein Anschluß an den Hauskanal für die sanitären Anlagen notwendig sei, noch nicht dazu führe, daß für die Änderung auch gemeinsame Teile der Liegenschaft in Sinne des § 13 Abs 2 Z 2 WEG in Anspruch genommen worden seien, sei die bereits durchgeführte Baumaßnahme nur nach § 13 Abs 2 Z 1 WEG zu beurteilen.

Die einmal wöchentlich in der Dauer von 3 Stunden stattfindende vermehrte Benützung des Stiegenabganges in den Keller zur Benützung der dort neu geschaffenen WC-Anlage sei unter Zugrundelegung der nach der Rechtsprechung vorzunehmenden Interessenabwägung noch keine derart wesentliche Beeinträchtigung, daß die Interessen der übrigen Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung schutzwürdig erschienen.

Der Vorwurf, daß die Benützer der WC-Anlage im Kellergeschoß Türen offen stehen ließen, wodurch eine stärkere Geräuschbelästigung eintrete und wodurch es auch zu Geruchsbelästigungen komme, sei kein Einwand, der im Verfahren nach § 13 Abs 2 Z 1 WEG beachtlich sein könne: Bei der nach § 13 Abs 2 Z 1 WEG vorzunehmenden Prüfung, ob schutzwürdige Interessen der übrigen Miteigentümer beeinträchtigt seien, habe eine durch exzessive Nutzung eintretende Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften außer Betracht zu bleiben. Es sei vielmehr (bloß) die Beeinträchtigung durch eine bestimmungsgemäße Verwendung des Wohnungseigentumsobjektes maßgebend, zumal eine andere Verwendung ohnehin untersagt werden könne. Daß aber bei schonender Nutzung der neu geschaffenen WC-Anlage, insbesondere also bei geräuschlosem Schließen der Türe und bei Verschlossenhalten der Türe vom Stiegenhaus ebenfalls unzumutbare Geräusch- oder Geruchsbelästigungen eintreten würden, habe sich im Verfahren nicht ergeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der unter 2.), 4.) und 5.) genannten Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wieder hergestellt werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragte in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage insofern verkannte, als es davon ausging, daß die Bestimmungen des § 13 Abs 2 Z 2 WEG in die Beurteilung nicht einzubeziehen seien.

b) Zur Sachentscheidung:

Wie sich aus dem im Verfahren vorgelegten, dem Antrag der Antragstellerin zugrundeliegenden Einreichplan (Beilage A) ergibt, müssen für die Herstellung des Anschlusses der im Keller errichteten sanitären Anlagen an den bestehenden Hauskanal allgemeine Teile der Liegenschaft, nämlich die an den Lagerraum angrenzenden Kellerteile samt Abwasseranlage in Anspruch genommen werden. Dies hat zur Folge, daß dem Antrag der Antragstellerin nur dann stattgegeben werden kann, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 1 WEG auch diejenigen des § 13 Abs 2 Z 2 WEG erfüllt sind. Nach der letztgenannten Gesetzesstelle muß die Änderung entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen; lediglich die Errichtung von Licht-, Gas-, Kraft-, Wasser- und Fernsprechleitungen sowie von ähnlichen Einrichtungen kann aus diesem Grund jedenfalls nicht untersagt werden.

Daß die Änderung der Übung des Verkehrs entspreche oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers diene, wurde von der Antragstellerin konkret nicht begründet. Sie gab in diesem Zusammenhang lediglich den Gesetzeswortlaut wieder, obgleich zu einer sachgerechten Beurteilung, ob ein wichtiges Interesse des Wohnungseigentümers gegeben ist, die Kenntnis entsprechender, im Einzelfall maßgebender Tatsachen erforderlich ist. Daß die verfahrensgegenständliche Änderung der Übung des Verkehrs entspreche, kann von vornherein verneint werden, weil es wohl nicht so üblich ist, daß im allgemeinen die zu im Erdgeschoß gelegenen Geschäftsräumlichkeiten (Verkaufsraum und Büro) gehörenden Sanitäranlagen in den darunterliegenden Keller verlegt werden, der nur über das allgemeine Stiegenhaus des Hauses erreicht werden kann.

Wohl ist es richtig, daß nach § 13 Abs 2 Z 2 WEG die Errichtung bestimmter Einrichtungen - zu denen auch die Errichtung sanitärer Anlagen gehört - nicht deswegen untersagt werden kann, weil dies nicht der Übung des Verkehrs entspricht oder nicht einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dient. In der hier zu beurteilenden Rechtssache geht es jedoch nicht um die Errichtung, also Neuschaffung einer im Wohnungseigentumsobjekt bisher nicht vorhandenen derartigen Anlage, sondern um die Verlegung einer schon vorhandenen Anlage dergestalt, daß diese abgebrochen und ein bisher als Lagerraum gewidmetes Objekt (= Teil des lt. Grundbuch nicht aus zusammenhängenden Räumen bestehenden Wohnungseigentumsobjektes der Antragstellerin) zur Gänze - wie sich aus dem Einreichplan Beilage A ergibt - in einen Raum für sanitäre Anlagen umgewidmet und umgestaltet wird. Derart weitgehende Änderungen in der Widmung und in der Ausgestaltung eines Geschäftslokales samt Lagerraum sind von der Ausnahmebestimmung des § 13 Abs 2 Z 2 WEG nicht erfaßt. Diese stellt nämlich darauf ab, daß die Ausstattung des Wohnungseigentumsobjektes mit bestimmten namentlich genannten Anlagen ähnlichen Einrichtungen ganz offenkundig entweder der Übung des Verkehrs oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers entspricht. Dies kann jedoch von vornherein dann nicht angenommen werden und daher auch nicht als vom Willen des Gesetzgebers erfaßt angesehen werden, wenn es sich nicht bloß um die Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjektes mit solchen Einrichtungen handelt, sondern wenn ein ganzer räumlich selbständiger Teil eines Wohnungseigentumsobjektes (hier: der Lagerraum) in eine solche Anlage umgewidmet werden soll. Es ist nicht von gleicher Wertigkeit, ob ein Wohnungseigentümer in sein Objekt eine der in § 13 Abs 2 Z 2 WEG genannten Anlagen oder ähnlichen Einrichtungen einbaut oder ob ein im Keller des Hauses gelegener Lagerraum nunmehr nur noch einen nur über die allgemeinen Teile des Hauses zugänglichen Sanitärraum darstellt.

Auch mit der Berufung auf § 13 Abs 2 Z 4 WEG ist für die Antragstellerin nichts gewonnen. Aus der systematischen Einordnung dieser Bestimmung folgt, daß die Miteigentümer nur dann die Zustimmung zu einer eine behördliche Bewilligung erforderlichen Maßnahme nicht verweigern dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 1 bis 3 WEG - je nach der Maßgeblichkeit dieser Bestimmungen - erfüllt sind.

Der Antrag der Antragstellerin war daher abzuweisen, ohne daß auf die unterschiedliche Auffassung der Vorinstanzen betreffend die Auslegung des § 13 Abs 2 Z 1 WEG im Zusammenhang mit dem festgestellten Sachverhalt näher eingegangen werden müßte.

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