OGH 5Ob21/24k

OGH5Ob21/24k16.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerinnen 1. M*, und 2. D*, beide vertreten durch Mag. Nicole Neugebauer‑Herl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegner 1. K* KG, *, 2. Dr*, 3. b* GesmbH, *, 4. E*, diese vertreten durch Arnold Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie sämtliche übrigen Mieter der Wohnhausanlage *, wegen § 37 Abs 1 Z 9 iVm § 17 MRG, über den Revisionsrekurs der Viertantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Oktober 2023, GZ 39 R 124/23h‑33, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. März 2023, GZ 41 MSch 5/20x‑28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00021.24K.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Viertantragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellerinnen die mit 752,50 EUR (darin 125,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen einer Liegenschaft, auf der sich ein Wohnhaus befindet. Die Antragsgegner sind die Mieter in diesem Haus. Die Viertantragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) ist Mieterin der im Mezzanin des Hauses gelegenen Wohnung Top 9.

[2] Das Erstgericht stellte – nach fristgerechter Anrufung durch die Antragsgegnerin nach der Entscheidung der Schlichtungsstelle über den Antrag der Antragstellerinnen auf Feststellung der Gesamtnutzfläche – die Nutzfläche der Liegenschaft sowie die Anteile der einzelnen Mietgegenstände an den Gesamtkosten des Hauses fest. Für die Wohnung Top 9 ergab sich eine Nutzfläche von 254,54 m² und ein Betriebskostenanteil von 6,4782 %. Teil der Wohnung ist ein lediglich hofseitig durch ein Metallgeländer begrenzter, ansonsten durch Mauern abgeschlossener „Klopfbalkon“ mit einer Grundfläche von 1,73 m² und einer Decke, die gleich groß wie der Boden ist. Im Vorraum und einem weiteren Zimmer der Wohnung befindet sich je ein gemauerter Kachelofen; einer hat eine Grundfläche von 1,11 m² und eine Oberkante in der Höhe von 122 cm, der andere ist rund 127 cm hoch und hat eine Fläche von 0,84 m². In den Räumen Nr 8 und Nr 10 der Wohnung befindet sich am Plafond je ein quer liegender „Unterzug“, wodurch die Raumhöhe dort etwa 30 cm abgesenkt ist.

[3] Das Erstgericht berücksichtigte sämtliche dieser (Teil‑)Flächen bei der Berechnung der Wohnnutzfläche der Wohnung der Antragsgegnerin. Loggien zählten nach ständiger Rechtsprechung zur Wohnnutzfläche und die Kachelöfen in der Wohnung würden ähnlich wie Möbelstücke als Ablagefläche genutzt. Die „Unterzüge“ in den Räumen Nr. 8 und Nr. 10 seien nur für die Raumhöhe relevant, aber es handle sich bei diesen aber nicht um bloße Nischen im Sinn der Rechtsprechung zu § 17 Abs 2 MRG.

[4] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung.

[5] Aufgrund der Feststellungen zur baulichen Beschaffenheit sei der „Klopfbalkon“ eindeutig eine Loggia und kein offener Balkon, auch wenn dessen Decke wegen der Raumhöhe im Haus höher liege. Die Kachelöfen seien in die Wohnung integriert. Die „Unterzüge“ seien – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – schon nach dem Gesetzeswortlaut keine Durchbrechung oder Ausnehmung im Sinn des § 17 Abs 2 MRG.

[6] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zur Frage zu, ob die Grundfläche von fest verbauten Kachelöfen nutzflächenrelevant sei, weil sich der Oberste Gerichtshof dazu noch nicht geäußert habe.

[7] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass die Flächen für den „Klopfbalkon“, die Kachelöfen und die „Unterzüge“ in den Räumen Nr. 8 und Nr. 10 nicht in die mietrechtlich relevante Nutzfläche einzubeziehen seien, in eventu, diese Flächen teilweise auszunehmen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[8] Die Antragstellerinnen beantragen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[10] 1.1 Nach der – von den Vorinstanzen zutreffend herangezogenen – Rechtsprechung des Fachsenats ist unter einer in die Nutzfläche einzurechnenden „Loggia“ ein nach vorne offener, von seitlichen Wänden, einem Boden und einer Decke begrenzter Raum (also ein zumindest fünfseitig umbauter Raum) zu verstehen, der meist in das Gebäude eingeschnitten und dessen nach außen freie Öffnung durch ein Geländer oder eine Brüstung abgegrenzt ist (RS0069968). Ein solcher Raum ist unabhängig von der konkreten Nutzungsmöglichkeit bei der Nutzungsflächenberechnung einzubeziehen (RS0069885). Für die Qualifikation eines Raums bei der Nutzflächenberechnung nach § 17 MRG als „Loggia“ ist somit darauf abzustellen, dass dieser an fünf Seiten von Mauerwerk oder einer ähnlich massiven Begrenzungswand umgeben ist (5 Ob 165/22h mwN). Die Beurteilung ist typischerweise von der Ausgestaltung im Einzelfall abhängig, sodass der Oberste Gerichtshof nur dann korrigierend einzugreifen hätte, wenn das Rekursgericht den ihm offenstehenden Beurteilungsspielraum verlassen hätte (vgl RS0069885 [T1, T7]).

[11] 1.2 Die vom Rekursgericht als Loggia qualifizierte Fläche ist hofseitig durch ein Metallgeländer begrenzt, rechts durch eine Mauer, links durch eine Mauer mit kleinen Fenstern und an der Rückseite durch eine Mauer mit einer Türe, durch die man von der restlichen Wohnung aus dorthin gelangt. Die Decke ist betoniert und hat die gleiche Größe wie der (ebenfalls betonierte) Boden dieses Bereichs. Entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin lässt sich weder aus der Bezeichnung „Klopfbalkon“ im aktenkundigen, aus dem Jahr 1911 stammenden Bauplan, noch aus der Darstellung in diesem Grundrissplan, in dem diese Fläche außerhalb des Grundrisses abgebildet ist, argumentieren, dass es sich um einen „offenen Balkon“ im Sinn des § 17 Abs 2 MRG handelte. Die angefochtene Entscheidung steht mit der erwähnten Rechtsprechung im Einklang und weicht von dieser nicht ab.

[12] 2.1 Gemäß § 17 Abs 2 erster Satz MRG ist die Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines sonstigen Mietgegenstands abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen). Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Nutzflächenermittlung von Wohnungen mit schrägen Wänden und Dachschrägen nur die Bodenfläche und nicht die Raumhöhe zu berücksichtigen (RS0069876). Zu Heizräumen hat der Fachsenat in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 105/88 ausgesprochen, dass auch solche Räumlichkeiten nutzflächenrelevant sind, wenn sie ausschließlich für das jeweilige Bestandobjekt vorgesehen und diesem zugeordnet sind (ebenso 5 Ob 61/01h).

[13] 2.2 Mit der Frage einer Relevanz eingebauter Kachelöfen in einer Wohnung für die Nutzflächenberechnung hat sich der Oberste Gerichtshof zwar noch nicht befasst, allerdings haben die Vorinstanzen auch diese Frage übereinstimmend mit § 17 Abs 2 MRG und der dazu vorhandenen Rechtsprechung gelöst. Auch in diesem Punkt zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf: Die beiden Kachelöfen dienen unstrittig allein der Nutzung der Wohnung der Antragsgegnerin, unabhängig davon, ob sie (was mangels entsprechenden Vorbringens dazu nicht näher erhoben wurde) für eine Beheizung oder – wie aus den aktenkundigen Lichtbildern deutlich sichtbar – (auch oder nur) als Stell- und Ablagefläche verwendet werden. Wenn die Antragsgegnerin meint, es sei „unbillig und eine geradezu denkunmögliche Gesetzesauslegung“, Flächen, die der Beheizungsmöglichkeit dienten, dem Mieter als Nutzfläche in Rechnung zu stellen, so setzt sie sich in Widerspruch zur erwähnten Rechtsprechung zu Heizräumen, die allein dem gemieteten Objekt dienen. Auf Argumente des Rekursgerichts geht das Rechtsmittel hingegen nicht ein. Wenn die Antragsgegnerin meint, die Kachelöfen seien „unbewegliches Zugehör der Wand“, so lässt sich auch daraus keine Ausnahme aus der Nutzflächenermittlung gewinnen. In der Entscheidung 5 Ob 33/87, auf die sich der Revisionsrekurs inhaltlich bezieht, sprach der Fachsenat im Zusammenhang mit der festzustellenden Nutzfläche einer Wohnung aus, zu dem gemauerten Sockel im Badezimmer mit rund 0,2 m² Grundfläche und einer Höhe von 1,50 m, der als Zugangsmöglichkeit zum Zählerkasten vom Hausgang errichtet wurde, sei zu erörtern, ob diese Baumaßnahme erst nach Mietvertragsabschluss über Begehren der Hauptmieterin vorgenommen worden sei. Für den hier zu beurteilenden Fall der beiden Kachelöfen ergibt sich daraus jedoch ebenfalls kein Argument für den Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin, weil diese (als Heizmöglichkeit) unstrittig allein der Nutzung der Wohnung dienen und tatsächlich wie in der Wohnung befindliche Möbelstücke Verwendung finden.

[14] 3. „Ausnehmungen“ im Sinn des § 17 Abs 2 erster Satz MRG sind nach der Rechtsprechung „Nischen“ in der Wand (vgl RS0069946). Keine solche Ausnehmung liegt vor, wenn die Wand selbst vom Boden bis zur Decke in geringerer Stärke fortgeführt wird (vgl RS0069946; ebenso Prader in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 17 MRG, Rz 28 mwN). Wenn die Antragsgegnerin meint, Teile der „Unterzüge“ würden seitlich an Mauervorsprünge anschließen, sodass „sich ein Durchbruch ergibt“, so ist dies auf Basis des festgestellten Sachverhalts nicht nachvollziehbar: In den Räumen Nr 8 und Nr 10 befindet sich am Plafond jeweils ein quer liegender Unterzug in einer Breite von rund 60 cm; die Raumhöhe davor beträgt 3,78 m (bzw 3,82 m) und der Unterzug senkt diese Höhe um etwa 28 bis 30 cm ab. Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung ist aber für die Nutzflächenermittlung nur die Bodenfläche und nicht die Raumhöhe zu berücksichtigen (vgl RS0069876). Auch in diesem Punkt ist die angefochtene Entscheidung daher nicht zu beanstanden und eine erhebliche Rechtsfrage nicht erkennbar.

[15] 4. Es entspricht der Billigkeit im Sinn des § 37 Abs 3 Z 17 MRG, dass die Viertantragsgegnerin den Antragstellerinnen, die auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen hat.

[16] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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