Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden auf- gehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Parteien dieses Verfahrens sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit der aus 16 Wohn- einheiten bestehenden Wohnungseigentumsanlage "E***** Wohnpark III". Die Antragsgegner verfügen über die Mehrheit der Miteigentumsanteile.
Die Antragsteller haben bei Gericht die Bestellung eines vorläufigen Verwalters beantragt. Sie begründen dieses Begehren damit, daß der bisherige Verwalter seine Funktion zurückgelegt und die Wohnungseigentumsgemeinschaft beim Landesgericht Innsbruck auf Zahlung eines Honorares von S 538.261,85 s.A. geklagt habe. Um diese nach Ansicht der Antragsteller nicht zu Recht bestehende Forderung abzuwehren, die vom früheren Verwalter gelegte Rechnung zu überprüfen und fristgerecht die Klagebeantwortung einzubringen, sei die Bestellung eines vorläufigen Verwalters notwendig. Das Erstgericht entschied über diesen Antrag, ohne die Antragsgegner zu hören. Es nahm das mit der Klageschrift des früheren Verwalters belegte Vorbringen der Antragsteller als bescheinigt an und bestellte mit Sachbeschluß vom 9.1.1996 einen behördlich konzessionierten Immobilientreuhänder zum vorläufigen Verwalter der vertragsgegenständlichen Liegenschaft. Begründet wurde dies damit, daß die einzige Tatbestandvoraussetzung für die Bestellung eines vorläufigen Verwalters, nämlich das Fehlen eines Verwalters, erfüllt sei.
Das von den Antragsgegnern wegen Verletzung ihres Anhörungsrechtes, aber auch in der Sache selbst mit einem Antrag auf Abweisung des Begehrens der Antragsteller angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus:
Nach § 17 Abs 5 WEG könne bis zur Übernahme durch einen von der Wohnungseigentumsgemeinschaft neu bestellten Verwalter auf Antrag auch nur eines Miteigentümers oder eines Dritten, der ein berechtigtes Interesse an der Bestellung des Verwalters hat, durch das Gericht ein vorläufiger Verwalter bestellt werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Bestellung eines Verwalters säumig ist, sondern ausschließ- lich auf das Vorliegen eines berechtigten Interesses des/der Antragsteller(s). Die Bestellung eines vorläufigen Verwalters sei daher eine inbesondere bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Wohnungseigentümern vorgesehene einst- weilige Maßnahme, deren Zweck in der Bereinigung von Konflikten liege, weshalb es hiezu auch nicht der Zustimmung der Mehrheitseigentümer bedürfe. Andernfalls wäre der ge- setzlichen Bestimmung, daß ein Wohnungseigentümer allein die Bestellung eines vorläufigen Verwalters beantragen kann, der Boden entzogen.
Das Vorliegen eines berechtigten Interesses der Antragsteller ergebe sich im konkreten Fall aus dem Rekurs- vorbringen der Antragsgegner, worin ausdrücklich zuge- standen worden sei, daß eben solche Meinungsverschiedenheiten, die die Bestellung eines vorläufigen Verwalters rechtfertigen, bestünden. Sie beträfen die Berechtigung der Honorarforderung des früheren Verwalters und die keineswegs mit überwältigender Mehrheit beschlossene Selbstverwaltung der Gemeinschaft. Ein Eingehen auf sach- liche Erwägungen, insbesondere hinsichtlich des zu erwar- tenden Erfolges einer prozessualen Bestreitung der Klagsforderung des früheren Verwalters, sei bei der Bestellung eines vorläufigen Verwalters iSd § 17 Abs 5 WEG - der ausschließlich auf die Überprüfung eines berechtigten In- teresses des Antragstellers abstelle - nicht vorgesehen. Einer Anhörung der Antragsgegner vor der Entscheidung habe es nicht bedurft, weil das Gericht nach der neuen Rechtslage befugt sei, den Verwalter vorläufig sofort zu bestellen, ohne der Mehrheit eine Frist für die Bestellung eines (selbst- gewählten) Verwalters setzen zu müssen (MietSlg 29.510/42; MietSlg 40.467). Eine Verletzung der Parteienrechte der An- tragsgegner könne darin nicht erblickt werden, weil den Mehrheitseigentümern nach erfolgter Verwalterbestellung ohnehin dieselben Rechte zustünden wie im Fall einer gemeinsamen Verwalterbestellung.
Beispielsweise sei hiezu auf die Befugnisse des § 17 Abs 2 WEG verwiesen.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung habe gelöst werden müssen und die rechtliche Bedeutung der Entscheidung auch nicht über den Einzelfall hinausgehe. Im jetzt vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Antragsgegner erneut die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend. Die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, es gebe in einem Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 7 WEG iVm § 17 Abs 5 WEG gar keine Gemeinschafts- oder Mehrheitsinteressen, die zu berücksichtigen wären, weil es nur auf das Vorliegen des vom antragstellenden Mit- und Wohnungseigentümer darzutuenden Interesses an der Bestellung eines Verwalters ankomme, sei unhaltbar, weil der mit der Verwalterbestellung verbundene Übergang von der Selbst- zur Fremdverwaltung empflindlich in die Rechte der Mehrheit eingreife. Zumindest fehle es an einer Judikatur, die die rekursgerichtliche Auslegung des § 17 Abs 5 nF WEG bestätige. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung (allenfalls auch die des Erstgerichtes) aufzuheben und den Unterinstanzen die Durchführung des gesetzesmäßigen Verfahrens aufzutragen.
Den Antragstellern wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Sie haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und beantragt, die Bestellung des vorläufigen Verwalters zu bestätigen. Eine solche Maßnahme habe im gegenständlichen Fall nur dann Sinn, wenn sie innerhalb der Klagebeantwortungsfrist - also sofort - gesetzt werde.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Judikatur zu den Voraussetzungen der Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach der erst durch das 3. WÄG geschaffenen Bestimmung des § 17 Abs 5 WEG fehlt; er ist im Sinn seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, daß eine vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens dann vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden kann, wenn die Nichtigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache verworfen wurde und daraus Feststellungsmängel resultieren (vgl Kodek in Rechberger, Rz 3 zu § 503 ZPO mwN). Erweist sich die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß allein schon die zugestandenen Meinungsverschiedenheiten zwischen Antragstellern und Antrags- gegnern die Bestellung eines vorläufigen Verwalters recht- fertigen, ohne daß darüber hinaus noch berücksichtigungs- würdige Interessen der Antragsgegner denkbar wären, als unrichtig, ist daher die Verletzung des Parteingehörs der Antragsgegner aufzugreifen
Daß den Antragsgegnern im gegenständlichen Verfahren Parteistellung zukommt, ist auch von den Vorinstanzen nie in Frage gestellt worden. Ihre Interessen werden nämlich durch die Bestellung eines vorläufigen Verwalters unmittelbar berührt; eine solche Maßnahme beendet die in § 833 ABGB als Normalfall vorgesehene (vgl Faistenberger/Barta/Call, WEG 1975, Rz 15 und 16 zu § 15 WEG; vgl EWr II/15/5; 5 Ob 2064/96g) oder von der Mehrheit der Miteigentümer sogar ausdrücklich beschlossene Selbstverwaltung und nimmt auch gleich die ansonsten der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer überantwortete Auswahl der Person des Verwalters vorweg (§ 14 Abs 1 Z 5 WEG iVm § 836 ABGB). Dementsprechend war gemäß § 26 Abs 2 Z 2 WEG allen Mit- und Wohnungseigentümern Gelegenheit zu geben, sich zur Zweckmäßigkeit der Bestellung eines Verwalters und zur Eignung der für diese Funktion ausersehenen Person zu äußern, und zwar noch in erster Instanz, weil für Verfahren nach § 26 WEG in höherer Instanz das Neuerungsverbot gilt (WoBl 1989, 21; SZ 62/209; WoBl 1992, 126/92; 5 Ob 1102/92 ua).
Von einer Beschränkung des Verhandlungsgegenstandes bei Bestellung eines vorläufigen Verwalters auf das vom Antragsteller darzulegende Interesse an der Fremd- verwaltung kann daher keine Rede sein. Zumindest die Aus- wahl der Person des Verwalters hätte eine Stellungnahme der Antragsgegner erfordert, mag auch an der Zweckmäßigkeit der Bestellung eines Verwalters nicht zu zweifeln sein, wenn - wie hier - die Wohnungseigentümerschaft als quasi- juristische Person iSd § 13c Abs 1 zweiter Satz nF WEG handeln soll, weil sich idR nur auf diese Weise der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 13c WEG angestrebte Rationalisierungseffekt erreichen läßt. Die von den Antragsgegnern anläßlich der Anfechtung des erstge- richt- lichen Sachbeschlusses zugestandenen "Meinungsver- schiedenheiten" zwischen ihnen und den Antragstellern rechtfertigen jedenfalls für sich alleine die Bestellung eines vorläufigen Verwalters auf bloßen Antrag eines Miteigen- tümers nicht.
Die besondere Dringlichkeit der Verwalterbe- stellung erlaubt auch im Einzelfall keine andere Vorgangsweise. Einstweilige Verfügungen nach der Exekutionsordnung zur Sicherung eines im Verfahren nach § 26 WEG zu verfolgenden Anspruchs sind nämlich - anders als gemäß § 37 Abs 3 Z 22 MRG im außerstreitigen Verfahren Mietrechtsangelegenheiten - nicht vorgesehen. Damit entfällt die Möglichkeit, das rechtliche Gehör von Antragsgegnern wenigstens in einem Widerspruchsverfahren nach § 397 EO zu wahren. Auch der Umstand, daß die Bestellung des Verwalters nur "vorläufig" ist und durch eine von der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgenommene Neubestellung be- endet werden kann (§ 17 Abs 5 WEG), läßt eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung der Gegenseite nicht zu. Die Judikatur, die das Rekursgericht für seinen gegenteiligen Standpunkt zitiert (offensichtlich übernommen von Würth/Zingher, Wohnrecht '94, Anm 17 zu § 17 WEG), besagt lediglich, daß bei der vorläufigen Verwalterbestellung - anders als beim zweiaktigen Vorgang der Bestellung eines gemeinsamen Verwalters (vgl 5 Ob 2064/96g mwN) - nicht nur über die Verwalterbestellung an sich, sondern "sofort" auch über die Person des Verwalters zu entscheiden ist. Eine Möglichkeit zur Einschränkung des Parteiengehörs bei besonderer Dringlichkeit der Verwalterbestellung wurde damit nicht aufgezeigt. Für den Regelfall einer unaufschiebbaren Inan- spruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft hat das Gesetz in § 17 Abs 5 letzter Satz WEG ohnehin den im Grundbuch erstgenannten Mit- und Wohnungseigentümer als Zustellbevollmächtigten institutionalisiert.
Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
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