OGH 5Ob2002/96i

OGH5Ob2002/96i14.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Vojislav D*****, vertreten durch Leopold Zwanecki, Sektretär der Mietervereinigung Österreichs, 1070 Wien, Bernhardgasse 10, wider den Antragsgegner Kurt B*****, vertreten durch Dr.Ines Scheiber, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22.August 1995, GZ 40 R 380/95‑15, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 2.Februar 1995, GZ 6 Msch 120/94i‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:0050OB02002.96I.0514.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

 

Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung Nr. 26 im Haus ***** das dem Antragsgegner gehört. Die hofseitigen Fenster dieser Wohnung, die zuletzt vor etwa 10 Jahren instandgesetzt wurden, sind desolat. An den Außenfenstern blättert der Lack großflächig ab; außerdem schließen die Fenster nicht.

Der Antragsteller beantragte aus diesem Grund zunächst bei der Schlichtungsstelle, dann gemäß § 40 Abs 2 MRG bei Gericht, dem Antragsgegner die Instandsetzung der hofseitigen Fenster seiner Wohnung binnen drei Wochen aufzutragen. Der Antragsgegner ist jedoch dazu nicht bereit. Er wirft dem Antragsteller vor, den schlechten Zustand der Fenster selbst verschuldet zu haben, weil er die Wohnung heize, indem er in der Küche auf dem Gasherd ständig Wasser zu Verdampfen bringe. Dadurch hätten nicht nur die Fenster gelitten; in der Wohnung sei es auch schon zur Schimmelbildung gekommen. Aus diesem Grund beantragte der Antragsgegner die Abweisung des Instandsetzungsbegehrens.

Das Erstgericht gab dem Sachantrag des Antragstellers unter Setzung einer Leistungsfrist von sechs Monaten statt. Es gehe um Arbeiten, die zur Erhaltung allgemeiner Teile des Hauses erforderlich sind und daher gemäß § 3 Abs 1 sowie Abs 2 Z 1 MRG vom Vermieter zu leisten seien; die Frage, von wem die Schäden verschuldet wurden, sei im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG nicht zu prüfen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluß. Es führte aus:

Da die Hauptmietereigenschaft des Antragstellers weder im Verfahren vor der Schlichtungsstelle noch im Verfahren vor dem Erstgericht jemals bestritten worden sei, verstoße es gegen das Neuerungsverbot, seine Aktivlegitimation erstmals im Rekurs in Frage zu stellen. Auf das Vorbringen des Antragsgegners, der Antragsteller sei in Wahrheit Untermieter der verfahrensgegenständlichen Wohnung, sei daher nicht einzugehen.

Was die Verschuldensfrage betreffe, sei dem Erstgericht zu folgen, daß sie im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG keine Rolle spiele. Selbst ein für die Schäden verantwortlicher Mieter könne die Erhaltungsarbeiten durchsetzen, weil nur auf den Zustand des Hauses, nicht aber auf die Urasachen, die zu diesem Zustand führten, abzustellen sei (WoBl 1991, 76/61).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In der einzig entscheidungswesentlichen Frage, welche Bedeutung dem Verschulden des Mieters an den zu behebenden Schäden zukommt, sei nämlich ohnehin der Judikatur des Obersten Gerichtshofes gefolgt worden.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsgegner geltend, daß das Rekursgericht die Antragslegitimation des Antragstellers sehr wohl hätte überprüfen und klären müssen, ob dieser Haupt‑ oder Untermieter der verfahrensgegenständlichen Wohnung ist. Da beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien sogar ein auf Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter gerichtetes Verfahren anhängig sei (47 Msch 16/90) und dieses zum Anlaß einer Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens nach § 41 MRG hätte genommen werden müssen, unterliege das diesbezügliche Vorbringen im Rekurs an die zweite Instanz auch nicht dem Neuerungsverbot. In der Sache selbst sei die vom Rekursgericht zitierte Judikatur des Obersten Gerichtshofes überprüfungsbedürftig, weil sie sich mit der nach wie vor geltenden Bestimmung des § 1096 Abs 1 ABGB nicht vereinbaren lasse. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Sachbeschluß (allenfalls auch den der ersten Instanz) aufzuheben und einer der Vorinstanzen die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Dem Antragsteller und allen übrigen Hauptmietern des verfahrensgegenständlichen Hauses wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Der Antragsteller machte von diesem Recht auch Gebrauch und hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Gegners entweder zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof zur angesprochenen Rechtsfrage, ob die Instandhaltungspflicht des Vermieters hinsichtlich allgemeiner Teile des Hauses auch dann besteht, wenn der Schaden von einem Mieter schuldhaft herbeigeführt wurde, noch nicht geäußert hat; der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß die auch jetzt wieder geltend gemachte mangelnde Aktivlegitimation des Antragstellers vom Rekursgericht zu Recht als unzulässige Neuerung behandelt wurde. Zu den materiellrechtlichen Einreden, die dem Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO unterliegen, gehört nämlich auch jene der mangelnden Aktiv‑ und Passivlegitimation einer Partei. Auf einen diesbezüglichen Einwand könnte in höherer Instanz nur Bedacht genommen werden, wenn bereits in erster Instanz entsprechendes Tatsachen‑ und Beweisvorbringen erstattet wurde (Fasching IV, 160; 3 Ob 588/81 ua). Ein solches Vorbringen hat der Antragsgegner weder vor der Schlichtungsstelle noch vor dem Erstgericht erstattet. Da das Neuerungsverbot auch im Verfahren nach § 37 MRG gilt (WoBl 1992, 126/92 ua), ist dem Rekursgericht bei der Behandlung der Aktivlegitimation des Antragstellers kein Verfahrensmangel vorzuwerfen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu AZ 47 Msch 20/95g (früher 47 Msch 16/90) tatsächlich ein Verfahren anhängig ist, in dem der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner seine Anerkennung als Hauptmieter begehrt. Wenn der Rechtsmittelwerber daraus eine amtswegige Verpflichtung des Gerichtes zur Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens ableitet, ist ihm entgegenzuhalten, daß die einschlägige Bestimmung des § 41 MRG nur für Zivilprozesse gilt, während der mit Angelegenheiten nach § 37 Abs 1 MRG befaßte Außerstreitrichter die ein anderes außerstreitiges Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG berührenden Vorfragen durchaus selbst zu lösen befugt ist (arg. "kann" § 37 Abs 3 Z 14 MRG). Mit einer besonderen Amtspflicht des Gerichtes, die Ergebnisse des Verfahrens 47 Msch 20/95g Bezirksgericht Innere Stadt Wien abzuwarten, läßt sich daher das prinzipiell geltende Neuerungsverbot nicht außer Kraft setzen. Im übrigen würde sogar die Unterbrechungspflicht nach § 41 MRG voraussetzen, daß das Ergebnis des präjudiziellen außerstreitigen Verfahrens noch berücksichtigt werden kann, was wegen des Neuerungsverbotes nur bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz möglich wäre (vgl Würth/Zingher, Miet‑ und Wohnrecht19, Rz 2 lit d zu § 41 MRG). Die Legitimation des Antragstellers, vom Antragsgegner gemäß § 3 Abs 2 Z 1 MRG ivm § 6 Abs 1 Z 1 MRG die Durchführung von Erhaltungsarbeiten an den Außenfenstern seiner Wohnung zu verlangen, hätte daher von letzterem durch entsprechendes Sach‑ und Beweisvorbringen schon im Verfahren erster Instanz zu einer Vorfrage der Sachentscheidung gemacht werden müssen.

In der Sache selbst sind die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes nur insoweit zu korrigieren, als die Entscheidung WoBl 1991, 76/61 nicht als Beleg für die Rechtsansicht herangezogen werden kann, daß die in § 3 MRG umschriebene Erhaltungspflicht des Vermieters generell auch die vom Mieter schuldhaft herbeigeführten Mängel des Mietobjektes einschließt. Die zitierte Entscheidung spricht die Unmaßgeblichkeit einer schuldhaften Schadensverursachung durch den Mieter nämlich nur für die in § 3 Abs 3 Z 2 MRG angeführten privilegierten Erhaltungsarbeiten aus. Die hier konstatierten Schäden an Außenfenstern des Mietobjektes gehören nicht dazu. Dennoch ist den Vorinstanzen Recht zu geben, daß in einem Verfahren zur Durchsetzung der in § 3 MRG näher definierten Erhaltungspflicht des Vermieters (§ 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 MRG) Fragen der Verursachung und des Verschuldens grundsätzlich nicht zu prüfen sind. Diese Rechtsansicht wurde in langjähriger Rechtsprechung des Landesgerichtses für Zivilrechtssachen Wien zu der mit § 6 MRG vergleichbaren Regelung des § 8 MG vertreten (MietSlg 257, 776, 1799, 3058, 3410, 8821, 1162), hat die Billigung des Schrifttums gefunden (vgl Zingher, MG18, 56; Call, Mietrecht und Wohnungseigentum, 110 f; derselbe im HB zum MRG, 644 f) und wird auch vom erkennenden Senat geteilt.

Der Grund für den Ausschluß der Erörterung von Verursachungs‑ und Verschuldensfragen im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 3 MRG liegt darin, daß sich die gemäß §§ 3 und 6 MRG durchsetzbare Erhaltungspflicht des Vermieters idR ohnehin auf Arbeiten beschränkt, die nicht allein einem Mieter, sondern allen Benützern des Hauses zugutekommen und letztlich sogar im Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Hausbestandes liegen (vgl Call aaO). Folgerichtig wurde auch die Antragslegitimation zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters nicht nur dem von den Mängeln des Hauses unmittelbar oder am meisten betroffenen Mieter, sondern (neben der die öffentlichen Interessen vertretenden Gemeinde) jedem Hauptmieter des Hauses (in Ansehung der in § 3 Abs 2 Z 1 bis 4 MRG angeführten Erhaltungsarbeiten) bzw der Mehrheit der Hauptmieter (in Ansehung der in § 3 Abs 2 Z 5 angeführten Erhaltungsarbeiten) eingeräumt (§ 6 Abs 1 Z 1 und 2 MRG). Die Kosten der Erhaltungsarbeiten wiederum sind aus den Mietzinsreserven bzw aus künftigen (allenfalls sogar aus diesem Grund erhöhten) Mietzinseinnahmen zu decken (§ 3 Abs 3 und § 6 Abs 4 MRG), sodaß dem Verfahren alle Hauptmieter des Hauses beizuziehen sind (5 Ob 1153/95 mwN). Hier geht es, anders als in den von der Regelung des § 1096 ABGB erfaßten Fällen, nicht um die Lösung eines Interessenkonfliktes im Zweiparteienverhältnis zwischen Mieter und Vermieter, sondern um eine Entscheidung, die auch die Interessen anderer Personen zu berücksichtigen hat. Das dafür vorgesehene außerstreitige Verfahren bietet für schadenersatzrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Vermieter und Mieter keinen Raum. Es beschränkt sich auf die Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters, wie sie in § 3 MRG ohne jede Bezugnahme auf Entstehungsursachen der jeweiligen Mängel festgelegt ist, weshalb es auch keiner Erörterung von Verursachungs‑ oder Verschuldensfragen bedarf. Diese könnten, wie das Rekursgericht zutreffend bemerkte, nur für einen im streitigen Verfahren zu verfolgenden Schadenersatzanspruch des Vermieters von Bedeutung sein. Ob dem Vermieter in einem auf Antrag eines Mieters eingeleiteten Verfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm §§ 3 und 6 MRG ausnahmsweise der Einwand des Rechtsmißbrauchs offenstünde, wenn der antragstellende Mieter den zu behebenden Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich selbst herbeigeführt hat, um sodann die Erhaltungspflicht des Vermieters einzufordern (§ 1295 Abs 2 ABGB), ist hier nicht zu entscheiden, weil sich den Verfahrensergebnissen keinerlei Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten des Antragstellers entnehmen lassen.

Aus allen diesen Gründen konnte dem Revisionsrekurs des Antragsgegners kein Erfolg beschieden sein.

 

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